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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Thema: Erkenntnis

22 Zitate zu diesem Thema im Zitatenschatz:

  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 184d-e

    Platon im Theaitet über die Erkenntnisgegenstände für die Seele
    Sokrates: Es wäre schlimm, mein Junge, wenn eine ganze Reihe Wahrnehmungen in uns wie in einem hölzernen Pferd nebeneinanderlägen, dies alles aber nicht in irgendeine Form, magst du sie nun Seele oder was immer nennen, zusammenliefen, mittels derer wir durch diese wie durch Werkzeuge all das wahrnehmen, was wahrnehmbar ist. […]. Und sage mir: das, wodurch du Warmes, Hartes, Leichtes und Süßes wahrnimmst, rechnest du all das nicht dem Körper zu? Oder etwas anderem?
    Theaitet: Keinem anderen.
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 185a-e

    Platon im Theaitet über Identität, Differenz und ihre Feststellung
    Sokrates: Vom Laut und von der Farbe, denkst du nicht von diesen beiden zuerst das, dass sie zweierlei sind?
    Theaitet: Das denke ich.
    Sokrates: Nicht auch, dass jedes von beiden vom anderen verschieden, mit sich selbst aber einerlei ist?
    Theaitet: Freilich. […]
    Sokrates: Wodurch denkst du dies alles über diese beiden? Denn weder durch den Gesichtssinn noch durch das Gehör ist es möglich, über sie das Gemeinsame über sie aufzufassen. […]
    Theaitet: Du meinst ihr Etwas-Sein oder Nichtsein, ihre Ähnlichkeit und Unähnlichkeit, das Identisch- und Verschieden sein, ferner ob sie eins sind oder eine andere Zahl. […] Die Seele scheint mir durch selbst das Gemeinsame in allen Dingen zu erforschen.
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 209e-210a

    Das endgültige Scheitern der Definition von „Wissen“ in Platons Theaitet
    Sokrates: Wenn auf der anderen Seite, Jungchen, mit dem Hinzufügen der Begründung ein Einsehen und nicht nur ein Meinen der Unterschiedlichkeit gemeint wäre, dann wäre es eine herrliche Sache mit dieser Aussage über Wissen. Nicht wahr?
    Theaitet: Ja.
    Sokrates: Wer also gefragt wird, was Wissen ist, soll, wie es scheint, antworten, wahre Meinung mit einem Wissen über die Unterschiedlichkeit. [...]. Und das ist doch auf alle Weise einfältig, wenn wir das Wissen untersuchen, zu sagen, es sei wahre Meinung verbunden mit Wissen, über den Unterschied oder über sonst etwas. Weder also die Sinneswahrnehmung, o Theaitet, noch die wahre Meinung noch die mit der wahren Meinung verbundene Erklärung kann Wissen sein.
  • Anselm von Canterbury: Proslogion (Proslogion) I p. 100, 15-19

    Anselm von Canterbury (1033-1109) über das Streben des Gläubigen nach Verständnis:
    Herr, ich begehre deine Wahrheit ein wenig zu verstehen, die mein Herz glaubt und liebt. Denn ich strebe ja nicht zu verstehen, damit ich glaube, sondern ich glaube, damit ich verstehe. Denn auch dies glaube ich: Wenn ich nicht zuvor geglaubt habe, werde ich nicht verstehen.
  • Richard von Sankt Viktor: Die Dreifaltigkeit (De trinitate) I, 1 und 3

    Richard von Sankt Viktor (gest. 1173) über das Streben des Gläubigen nach Verständnis:
    Denn einiges von dem, was uns zu glauben aufgetragen ist, scheint nicht nur über die Vernunft hinauszugehen, sondern auch gegen die menschliche Vernunft zu sein, wenn es nicht in einer tiefen und höchst feinen Untersuchung erörtert wird [...]. Zwar sollen wir durch den Glauben eintreten, aber keineswegs sofort am Eingang stehenbleiben, sondern immer weiter zum Inneren und Tieferen des Verständnisses eilen und mit aller Mühe und höchster Sorgfalt darauf achten, dass wir durch tägliches Wachstum zum Verständnis dessen gelangen können, was wir im Glauben festhalten.
  • Thomas von Aquin: Kommentar zu Aristoteles' De caelo (in Aristotelis De caelo commentaria) I 22, 8

    Thomas von Aquin (ca. 1225-1274) über das Projekt der Philosophie
    Das Studium der Philosophie dient nicht dazu, dass gewusst wird, was Menschen gedacht haben, sondern wie sich die Wahrheit der Dinge verhält.
  • Thomas von Aquin: Die Einheit des Intellekts gegen die Averroisten (De unitate intellectus contra Averroistas) § 266f

    Thomas von Aquin behauptet in der Auseinandersetzung mit den sogenannten Averroisten, diese nähmen eine doppelte Wahrheit an:
    Es ist jedoch größerer Verwunderung oder sogar Entrüstung würdig, dass jemand, der sich als Christ bezeichnet, [...] sagt: „Dies ist das Argument, durch welches die Katholiken ihre Ansicht besitzen“, womit der die Lehre des Glaubens eine Ansicht nennt. [...] Noch schwerwiegender aber ist, was er später sagt: „durch die Vernunft folgere ich notwendig, dass der Intellekt der Zahl nach einer ist; das Gegenteil halte ich aber standhaft durch den Glauben fest“. Also meint er, dass sich der Glaube auf einiges richte, dessen Gegenteil notwendig erschlossen werden kann. Weil aber nur etwas notwendig Wahres notwendig erschlossen werden kann, dessen Gegenteil etwas unmögliches Falsches ist, folgt aus seinem Wort, dass sich der Glaube auf etwas unmögliches Falsches richtet, was auch Gott nicht herstellen kann – dies können die Ohren der Gläubigen nicht ertragen.
  • Diogenes Laertios: Leben der Philosophen (Vitae philosophorum) 10, 33 = LS 17E

    Ein Vorbegriff (prolēpsis) macht für Epikur erst die Erkenntnis möglich
    Der Vorbegriff ist, so sagen die Epikureer, sozusagen ein Auffassen oder eine richtige Meinung oder ein Begriff oder ein allgemeines innewohnendes Denken – d.h. eine Erinnerung – dessen, was uns häufig von außen erschienen ist, wie z.B. ,so etwas ist ein Mensch‘. Denn sobald das Wort ,Mensch‘ geäußert wird, wird sofort mittels eines Vorbegriffs auch sein Umriss gedacht, sofern Sinneswahrnehmungen vorangehen. Was also jeder Bezeichnung ursprünglich zugrunde liegt, ist evident. Und wir würden das Gesuchte gar nicht suchen, wenn wir davon kein Vorwissen hätten, wie z.B. bei ,Ist das in der Ferne Stehende ein Pferd oder ein Rind?‘ Denn irgendwann vorher muss man mittels eines Vorbegriffs die Form eines Pferds oder die eines Rinds kennengelernt haben.
  • Augustinus von Hippo: Die Dreieinigkeit (De trinitate ) X 19

    Augustinus erklärt den menschlichen Geist als eine Einheit der drei Vermögen Erinnerung, Erkennen und Wollen
    Wir haben also den Geist in der Erinnerung, dem Erkennen und dem Wollen seiner selbst als einen solchen festgestellt, dass von ihm deswegen, weil er als dauerndes Wissen seiner selbst und dauerndes Wollen seiner selbst begriffen wurde, gleichzeitig ebenfalls begriffen wurde, dass er sich an sich selbst dauernd erinnert und sich selbst dauernd erkennt und liebt, obwohl er sich nicht dauernd unterschieden von dem denkt, das nicht das ist, was er selbst ist.
  • Abaelard, Peter: Dialog zwischen einem Juden, einem Philosophen und einem Christen (Collationes) Anfang

    Petrus Abaelardus (ca. 1079-1142) sieht die Idee Gottes als Grundlage rationaler Auseinandersetzung an
    Ich schaute in einer Erscheinung der Nacht – und siehe: drei Männer, die auf unterschiedlichen Wegen kamen, stellten sich vor mich hin. Ich fragte sie gleich nach der Art einer Vision, zu welchem Bekenntnis sie gehörten und warum sie zu mir gekommen seien. ,Menschen sind wir‘, sagten sie, ,die verschiedenen Glaubensrichtungen nachgehen. Zwar bekennen wir alle gleichermaßen, Verehrer eines einzigen Gottes zu sein, doch dienen wir ihm mit einem unterschiedlichen Leben und Glauben. Einer von uns, ein Heide, gehört zu denen, die man Philosophen nennt, und ist mit dem natürlichen Sittengesetz zufrieden. Die anderen zwei aber haben Schriften; von ihnen wird der eine Jude, der andere Christ genannt.
  • Descartes, René: Meditationen über die Erste Philosophie (Meditationes de prima philosophia ) II 3

    René Descartes begründet die Möglichkeit sicherer Erkenntnis in Anbetracht eines allmächtigen betrügerischen Dämons
    Aber es gibt einen sehr mächtigen, sehr schlauen Betrüger – ich weiß nicht, wer es ist – der mit Absicht mich immer täuscht. Zweifellos bin also auch Ich, wenn er mich täuscht. Mag er mich nun täuschen, soviel er kann, so wird er doch nie bewirken, dass ich nichts bin, während ich denke, ich sei etwas. Nachdem ich so alles genug und übergenug erwogen habe, muss ich schließlich feststellen, dass der Satz ,ich bin, ich existiere‘, so oft er von mir ausgesprochen oder im Geist aufgefasst wird, notwendig wahr sei.
  • Descartes, René: Meditationen über die Erste Philosophie (Meditationes de prima philosophia ) III 2

    Descartes führt die klare und distinkte Erkenntnis als Wahrheitskriterium ein
    Ich bin sicher, dass ich ein denkendes Ding bin. Weiß ich also nicht auch, was dazu gehört, dass ich einer Sache sicher bin? Es ist doch in jener ersten Erkenntnis nichts anderes enthalten als eine klare und deutliche Auffassung dessen, was ich bejahe. Diese würde offenbar nicht genügen, mich der Wahrheit eines Dings zu versichern, wenn jemals etwas, das ich so klar und deutlich wahrnehme, falsch sein könnte. Und somit kann ich offenbar schon als allgemeine Regel festsetzen, dass all das wahr ist, was ich ganz klar und deutlich auffasse.
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 208bc, 209bc

    Der letzte Definitionsversuch von Wissen im Theaitet
    Sokrates: Vielleicht möchte jemand ihn [die wahrhafteste Bedeutung von ,Wissen‘] nicht so definieren, sondern nach der noch übrigen von den drei Möglichkeiten, wovon eine, wie wir sagten, derjenige annehmen, welcher das Wissen als eine richtige Meinung in Verbindung mit einer Begründung definiert.
    Theaitet: Richtig erinnerst Du Dich. [...] Was verstehst Du aber unter der dritten Möglichkeit?
    Sokrates: Was die Menge sagen würde, dass man ein Merkmal angeben kann, wodurch sich das Gefragte von Allem unterscheide. [...] Wohlan denn, beim Zeus, wie habe ich denn durch so etwas mehr dich gemeint als irgendeinen anderen. [...] Wenn ich mir nicht bloß einen Nase und Augen Habenden denke, sondern auch einen Krummnasigen und Glupschäugigen, werde ich dann mehr Dich denken als mich selbst und wer sonst noch so beschaffen ist?
    Theaitet: Um nichts mehr. [...]
  • Barhadbeschabba von Ḥalwān: Ursache der Gründung von Schulen (Causa fundationis scholarum) (p. 341f. Scher)

    Barḥaḏbšabbā (um 600), ein Lehrer an der christlichen Schule von Nisibis im Perserreich, erklärt die Fähigkeiten unserer Seele
    Diese rationale und erleuchtete Intelligenz ist eine Ähnlichkeit zu Gott ihrem Schöpfer. [...] Im Hinblick darauf, dass unsere Rede auf diese Intelligenz zielt, die in uns ist, wollen wir sehen, wie sie in uns ist, und welches ihre Wohnstätte ist. [...] Es ist dann folglich ihre Ursache und ihr Fundament die Seele, welche in uns gebunden ist. Das, was an Erkenntniskräften (an) ihr ist, sind drei: Verstand, Denken und Meinen. Aus diesen gehen drei andere hervor, und zwar Begehren, Zornmut und Wollen. Die Intelligenz aber steht oberhalb von ihnen allen, wie der weise Wagenlenker, der geschickte Steuermann, der in die Ferne schaut, und sein Schiff, das diese Schätze trägt, fernhält von den Felsen des Irrtums und von den Nebeln der Unkenntnis, indem der erste und theoretische Teil [S. 342] die Erkenntniskräfte reinigt, so dass sie nicht etwas für ein anderes erkennen (= halten) , sondern die Wahrheit und die Bestimmtheit der Dinge erkennen. Durch den anderen, den praktischen Teil wiederum reinigt sie die Lebenskräfte und bereitet sie vor, dass ihre Lebensführung hierin nicht in unnützen Dingen besteht, sondern dass ihre Bewegungen richtig und trefflich erfolgen.
  • Descartes, René: Meditationen über die Erste Philosophie (Meditationes de prima philosophia ) IV 1

    René Descartes (1596-1650) erkennt die Gewissheit der Idee Gottes
    Bedenke ich nun, dass ich zweifle, also ein unvollständiges, abhängiges Ding bin, so begegnet mir ganz klar und deutlich die Vorstellung von einem unabhängigen und vollständigen Seienden, d.h. von Gott. Und ich schließe allein daraus, dass diese Idee in mir ist […], so eindeutig darauf, dass Gott existiert […], dass ich sicher bin, dass der menschliche Einfallsreichtum nichts Einleuchtenderes, nichts Sichereres erkennen kann. Und schon glaube ich einen Weg zu sehen, auf dem ich von der Betrachtung des wahren Gottes, in dem alle Schätze der Wissenschaften und der Weisheit verborgen sind, zur Erkenntnis der übrigen Dinge zu gelangen.
  • Wilhelm von Ockham: Schriftliche Fassung der Sentenzenvorlesung (Ordinatio) Prolog I 1, nr. 11. 21

    In Anbetracht dieser Annahme, dass Einzeldinge je für sich existieren, entwickeln die Voluntaristen die Idee einer intutiven Erkenntnis (<i>cognitio intuitiva</i>). Ockham erklärt sie folgendermaßen
    [1] Es liegt klar zutage, dass der Aussagesatz ,dieses Weiße ist‘ weder von einem anderen abhängt noch einen anderen, mir bekannten voraussetzt, kraft dessen ich ihn wissen kann. [...]
    [2] Die intuitive Erkenntnis eines Dinges ist eine solche Erkenntnis, kraft derer gewusst werden kann, ob ein Ding ist oder nicht, so dass, wenn das Ding ist, der Intellekt unmittelbar urteilt, dass es ist, und mit Evidenz erkennt, dass es ist, es sei denn, er wird zufällig wegen der Unvollkommenheit dieser Erkenntnis daran gehindert.
    [3] Auf dieselbe Weise würde er, wenn eine solche vollkommene Erkenntnis über ein nicht existierendes Ding durch die Macht Gottes erhalten würde, kraft dieser unverknüpften Erkenntnis mit Evidenz erkennen, dass dieses Ding nicht ist.
  • Nikolaus von Autrecourt : 1. Brief an Bernhard von Arezzo 9f

    Nikolaus von Autrecourt (ca. 1300-1369) bezweifelt vor diesem Hintergrund nicht nur die Gewissheit sinnlicher Erkenntnis, sondern die Gewissheit jeglicher Erkenntnis überhaupt
    Nun frage ich nach Eurer intuitiven Erkenntnis: Wie seid Ihr aufgrund der beschriebenen Evidenz sicher, wann sie bis zu diesem Grad so vollkommen ist, dass sie sich nicht natürlicherweise auf ein nicht existierendes Ding beziehen kann. [...] Aus euren Worten folgt [...], dass Ihr über die Existenz der Gegenstände der fünf Sinne nicht sicher seid. Aber dies kann noch schwieriger ertragen werden [...], dass Ihr Eurer Akte nicht sicher seid, nämlich dass Ihr seht, dass Ihr hört.
  • Ibn Ṭufail : Ḥayy ibn Yaqẓān Auszüge v. S. 7f

    Ibn Ṭufail erklärt den Unterschied der <i>unio mystica</i> von komplettem (philosophischem) Wissen
    Stell dir einen blind geborenen Menschen vor. [...] Seit es ihn gibt, wuchs er in einer bestimmten Stadt auf, in der er die einzelnen Bewohner [...], die Wege und Straßen der Stadt [...] durch das, was er von den übrigen Erkenntnisvermögen erfährt, ohne Einschränkungen kennt, so dass er sogar ohne Führer in der Stadt umhergeht und jeden, der ihm begegnet, sogleich erkennt. [...] Wenn ihm nun, nachdem er diese Stufe erreicht hat, seine Augen geöffnet werden und er die Sehkraft erlangt, dann wird er [...] nichts anders vorfinden, als es seiner Überzeugung davon entspricht, und nichts wird ihn täuschen [...], außer dass bei alldem zwei besonders wichtige Sachverhalte [...] neu für ihn sind: Erstens die gesteigerte Deutlichkeit und Helligkeit und zweitens die gewaltige Freude.
  • Evagrios Pontikos : Gnostikos (Gnostikos) Capita 1-3

    Der Mönchsvater Evagrios Pontikos (ca. 345-399) regt seine Leser an, das Christentum als Verbindung philosophischer Disziplinen zu begreifen
    1. Das Christentum ist die Lehre von unserem Erlöser Christus, die aus der praktischen, der physischen und der theologischen Disziplin besteht.
    2. Das ,Königreich der Himmel‘ (Matthäus 13, 11) ist die Leidensfreiheit der Seele verbunden mit wahrer Erkenntnis alles Seienden.
    3. Das ,Königreich Gottes‘ (Markus 4, 11)* ist die Erkenntnis der heiligen Trinität, die mit der Zusammenstellung des Geistes gemeinsam ausgedehnt ist und seine Unzerstörbarkeit überragt.

    *Beide Bibelstellen sind exakte Parallelen, an denen die Evangelisten nur andere Ausdrücke für das Reich Gottes wählen.
  • Augustinus von Hippo: Bekenntnisse (Confessiones) I 1 p. 1, 10-16

    Der bedeutendste lateinische Kirchenvater Augustinus berichtet in seinen ,Bekenntnissen‘ seinen Lebensweg
    [1] Groß bist Du Gott, und sehr zu loben. Groß ist Deine Kraft, und Deine Weisheit hat kein Ende. Und der Mensch will Dich loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung, und der Mensch, der seine Sterblichkeit herumträgt, der das Zeugnis seiner Sünde umherträgt und das Zeugnis, dass Du ,den Hochmütigen widerstehst‘ (Brief des Jakobus 4, 6).
    [2] Und doch will Dich der Mensch loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung. Du regst an, dass es Freude bereitet, Dich zu loben, denn Du hast uns auf Dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir. [...]
    [3] Aber wer ruft Dich an, der Dich nicht kennt? Denn wer nicht kennt, kann etwas anderes anstelle von etwas anrufen. Oder wirst Du eher angerufen, damit Du gekannt wirst? Wie wird man aber jemand anrufen, an den man nicht geglaubt hat? Oder wie glaubt man ohne Verkündiger? [...] Ich will Dich suchen, Gott, indem ich Dich anrufe, und Dich anrufen, indem ich an Dich glaube.
  • Augustinus von Hippo: Bekenntnisse (Confessiones) I 2

    Augustinus findet Gott vor allem in sich selbst
    Und wie soll ich meinen Gott anrufen, meinen Gott und Herrn, wo ich ihn doch in mich selbst hineinrufen werde, wenn ich ihn anrufen werde? Und welcher Ort ist in mir, wohin mein Gott in mich kommen könnte? [...] Ist denn so, Herr mein Gott, etwas in mir, was Dich fassen würde? Aber Himmel und Erde, die Du geschaffen hast und in denen Du mich geschaffen hast – fassen sie Dich? Oder ist es so, dass deswegen, weil ohne Dich nichts von dem wäre, was ist, alles Dich fasst, was ist? Weil daher auch ich bin, was erstrebe ich, dass Du in mich kommst, der ich nicht wäre, wenn Du nicht in mir wärst?
  • Augustinus von Hippo: Bekenntnisse (Confessiones) VII 13f. 16

    Augustinus berichtet, wie er mithilfe platonischer Schriften einen Weg zum christlichen Glauben findet
    [1] Du verschafftest mir durch einen bestimmten Menschen, der vor gewaltigem Stolz geschwollen war, bestimmte Bücher der Platoniker, die aus der griechischen Sprache in die lateinische übersetzt waren.
    [2] Und dort las ich, dass, zwar nicht mit diesen Worten, aber ganz genau dasselbe mit vielen und vielfältigen Argumenten überzeugend angeraten wird: "Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort" (Johannes 1, 1) [...], aber "das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt" (Johannes 1, 13) las ich dort nicht. [...]
    [3] Und hierdurch ermahnt, zu mir selbst zurückzukehren, trat ich unter Deiner Führung in mein Innerstes ein und konnte dies, weil "Du mein Helfer geworden bist" (Psalm 29, 11).
    [4] Ich trat ein und sah mit irgendeinem Auge meiner Seele oberhalb desselben Auges meiner Seele, oberhalb meines Verstandes ein unveränderliches Licht, nicht das gewöhnliche und für jedes Fleisch sichtbare, noch war es gleichsam von derselben Art, nur größer – so als ob dieses viel, viel heller leuchtet und alles durch seine Größe belegte. Nicht dies war es, sondern etwas von allem, allem weit Verschiedenes.