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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Thema: Tugend

22 Zitate zu diesem Thema im Zitatenschatz:

  • Aetios: Übersicht über die Philosophie Vorwort, SVF II, 35 = LS 26A

    Physik, Ethik und Logik als Tugenden bei den Stoikern
    Die Stoiker nannten die Weisheit das Wissen der göttlichen und menschlichen Dinge, die Philosophie aber die Einübung der geeigneten Technik. Geeignet sei aber allein und im höchsten Maße die Tugend, die eigentlichsten Tugenden aber seien drei, die Physik, die Ethik und die Logik.
  • Plutarch von Chaironeia: Die ethische Tugend (De virtute morali) 441A-D

    Die stoische Definition der Tugend als Habitus des Intellekts (Antike Philosophie I)
    a) Auch Zenon [...] von Kition definiert die Klugheit als Gerechtigkeit beim Verteilen, als Maßhalten beim Wählen, als Tapferkeit beim Ertragen. Zur Verteidigung behaupten die Stoiker, hierbei werde das Wissen von Zenon Klugheit genannt. [...] Diese alle aber nehmen gemeinsam an und glauben, dass die Tugend eine bestimmte Disposition des Hegemonikon der Seele sei und eine Fähigkeit, die durch die Vernunft entstanden ist, ja die vielmehr Vernunft ist, die übereinstimmend, fest und unveränderlich besteht.
    b) Denn das zu Emotionen neigende und nicht Rationale sei durch keinen Unterschied und keine Natur vom rationalen unterschieden, sondern es handle es sich um denselben Seelenteil, den sie ja Verstand beziehungsweise Hegemonikon nennen. Er wandle und verändere sich ganz in den Emotionen und den Veränderungen im Habitus oder in der Disposition und werde Schlechtigkeit oder Tugend. Er habe nichts nicht Rationales in sich, sondern werde [nur] nicht rational genannt, solange er durch das stark und herrschend gewordene Hinzutreten eines Impulses entgegen der wählenden Vernunft zu etwas Sinnlosem hingetragen werde.
  • Cicero: Das höchste Gut und das höchste Übel (De finibus bonorum et malorum) V 32, 95

    Ciceros Position zu der Frage, ob Glück allein in den Tugenden besteht
    Das ist also unser Argument, das Dir inkonsequent zu sein scheint. Denn [...] dort, wo es Tugend gibt und große, zuhöchst löbliche Tage, die durch Tugend verbracht werden, kann es kein Elend und keine Qual geben, aber es kann Mühe geben, kann Beschwerden geben, es kann trotz alledem geschehen, dass einer glücklicher ist als der andere.
  • Cicero: Der Staat (Cicero) (De re publica) I 1f. 3

    Cicero über den Vorzug der Tugend des Staatsmanns
    (1) Dies eine lege ich fest: Dem Menschengeschlecht wurde ein so großes Bedürfnis nach Tugend und eine solche Liebe dazu, das Wohl der Allgemeinheit zu verteidigen, von der Natur gegeben, dass diese Kraft alle Schmeicheleien der Lust und der Untätigkeit besiegt hat.
    (2) Aber es ist nicht genug, die Tugend zu besitzen, sowie irgendeine Fertigkeit, wenn Du sie nicht benutzt. Auch wenn nämlich eine Fertigkeit, während Du sie nicht benutzt, doch als das Wissen selbst behalten werden kann, ist die Tugend allein in ihren Gebrauch gelegt.
    (3) Die Regierung eines Staates ist aber ihr vorzüglichster Gebrauch und die Vollendung genau der Dinge, die jene in den Ecken verkünden, durch die Tat, nicht durch die Rede. Denn nichts wird von den Philosophen gesagt, soweit es nämlich richtig und ehrenvoll gesagt wird, was von denen hervorgebracht und bestätigt wurde, von denen die Rechtsordnungen niedergelegt wurden. [...]
    (4) Man überliefert ja sogar, dass Xenokrates, ein Philosoph der allerersten Reihe, auf die Frage, was seine Schüler erreichten, geantwortet habe: ,dass sie das aus eigenem Antrieb tun, wozu sie von den Gesetzen gezwungen würden‘.
  • Cicero: Laelius über die Freundschaft (Laelius de amicitia ) §20. 19

    Cicero über die Freundschaft
    [1] Die Freundschaft ist nämlich nichts anderes als die Übereinstimmung in allen göttlichen und menschlichen Dingen, verbunden mit Zuneigung und Liebe; im Vergleich zu ihr dürfte – abgesehen vielleicht von der Weisheit – den Menschen nichts Besseres von den unsterblichen Göttern gegeben sein. [...]
    [2] Diejenigen freilich, die in der Tugend das höchste Gut sehen, vorzüglich tun sie dies gewiss; aber gerade diese Tugend bringt die Freundschaft hervor und hält sie zusammen, und ohne Tugend kann es Freundschaft unter keinen Umständen geben. [...] Menschen, die sich so verhalten, so leben, dass man ihre Treue, ihre Unbescholtenheit, ihren Gerechtigkeitssinn, ihre Großzügigkeit anerkennt; dass es in ihnen keine Begierde, Ausschweifung und Frechheit gibt; dass sie starke Charakterfestigkeit beweisen – wie es bei denen der Fall war, die ich eben namentlich aufgeführt habe –, diese wollen wir, wie sie schon seinerzeit als gute Männer galten, auch für würdig erachten, sie ,gut‘ zu nennen, weil sie, soweit Menschen dazu befähigt sind, der Natur als der besten Führerin zu einem anständigen Leben folgten.
  • Seneca: Brief an Lucilius (Epistula ad Lucilium ) 64, 5f.

    Die Erreichbarkeit der Tugend nach Seneca
    Denn auch dies zeichnet Sextius aus, dass er Dir gewiss sowohl die Größe des glücklichen Lebens zeigen als auch keine Verzweiflung an seiner Möglichkeit bewirken wird. Du wirst wissen, dass dieses ganz oben steht, aber dem, der will, zugänglich ist. Dasselbe wird Dir die Tugend selbst darbieten, dass Du sie bewunderst und dennoch erhoffst.
  • Diogenes Laertios: Leben der Philosophen (Vitae philosophorum) 6, 10f.

    Das kynische Glücksideal des Antisthenes
    [Antisthenes] bewies, dass die Tugend lehrbar ist. Diejenigen seien adlig, die tugendhaft seien. Die Tugend sei in sich hinreichend/autark zum Glück, sie benötige nichts außer sokratischer Kraft. Die Tugend gehöre zu den Werken, sie benötige weder viele Worte noch Lehren. Und der Weise sei in sich hinreichend/autark. Ihm gehöre alles, was den anderen gehöre. Das schlechte Ansehen sei gut und gleich der Bemühung. Der Weise führe sein Leben nicht gemäß den gegeben Gesetzen, sondern nach demjenigen der Tugend. Er solle heiraten, um Kinder zu zeugen und mit den wohlgestaltetsten Frauen zusammenkommen. Und er solle lieben. Denn der Weise allein wisse, was man lieben müsse.
  • Thukydides : Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges (historiae) II 37. 40

    Der Athener Staatsmann Perikles (ca. 490-429 v. Chr.) lobt, in einer vom Historiker Thukydides (ca. 450-399/96 v. Chr.) komponierten Rede, die Athener Demokratie
    Wir leben in einer Staatsform, die nicht den Gesetzen der Nachbarn nachstrebt, sondern wir sind eher ein Vorbild für andere als deren Nachahmer. Ihr Name ist Demokratie, weil sie nicht auf einer Minderheit, sondern auf einer Mehrzahl der Bürger beruht. Vor dem Gesetz gilt bei persönlichen Unterschieden für alle das gleiche, der Rang jedoch, dass wie jemand in etwas besonders angesehen ist, richtet sich im Blick auf das Allgemeine weniger nach seiner Volksklasse, sondern nach seiner Tugend/Tüchtigkeit wird er bevorzugt. Auch dem Armen ist, wenn er für den Staat etwas zu leisten vermag, der Weg nicht durch die Unscheinbarkeit seines Ranges versperrt. In freier Weise aber handeln wir politisch im Hinblick auf die Allgemeinheit und auch im Hinblick auf das Missfallen der täglichen Angelegenheiten untereinander, ohne Zorn auf den Nachbarn, wenn er etwas in Freude tut, und ohne eine zwar unbestrafte, aber doch widerwärtige Missbilligung im Blick auszusetzen. [...] Wir lieben die Schönheit ohne den Luxus; wir lieben die Weisheit ohne Verweichlichung.
  • Platon: Die Gesetze (Platon) (Nomoi) I 629e/30a. 30c-e

    Platon (ca. 428/27-348/47 v. Chr.) über die Tugend als Ziel der Gesetzgebung
    Der Athener: ,Du, Tyrtaios, lobst offensichtlich vor allem diejenigen, die sich in einem fremden und auswärtigen Krieg auszeichnen‘. [...] Wir aber behaupten, obwohl dies gute Männer sind, dass doch diejenigen noch besser sind, und zwar um vieles, die sich in dem größten Krieg als die besten hervortun. [...] Denn treu und anständig wird er in innerstaatlichen Auseinandersetzungen nicht sein ohne die gesamte Tugend [...] Mehr als jeder andere blickt gerade der hiesige, von Zeus unterwiesene Gesetzgeber, und überhaupt jeder, der ein bisschen etwas taugt, auf nichts anderes als in erster Linie auf die größte Tugend, wenn er die Gesetze gibt. [...] So wie es dem Wahren und Gerechten entspricht, wenn wir gemäß den guten Sitten reden, ordnete er die Gesetze nicht mit Blick auf einen Teil der Tugend an – und auch noch den schlechtesten –, sondern auf die gesamte Tugend.
  • Aristoteles: Politik (politica) III 4, 1277a 13-17; b 18-21. 25-29

    Aristoteles über Tugend und Ausbildung der Regierenden
    Aber vielleicht ist in einem bestimmten Punkte die Tugend des vollkommenen Bürgers und des vollkommenen Menschen doch dieselbe? Wir sagen ja, dass der Regent/Amtsträger gut und klug sein soll; der Bürger hingegen braucht nicht notwendig klug zu sein. Auch sagen einige, dass von vornherein die Erziehung des Herrschers eine andere sein solle. [...] Denn offensichtlich ist die Tugend dessen, der regiert wird, aber frei ist, nicht einfach diejenige des guten [Menschen], etwa als Gerechtigkeit, sondern sie umfasst [verschiedene] Formen, sofern man regiert oder regiert wird, wie ja auch die Besonnenheit des Mannes und diejenige der Frau eine andere ist. [...] Die Klugheit ist aber allein eine spezielle Tugend des Regenten/Amtsträgers. Denn die anderen Tugenden sind notwendigerweise den Regenten und den Regierten gemeinsam; doch der Regierte hat als Tugend nicht die Klugheit, sondern die richtige Meinung.
  • Thomas von Aquin: Summa theologiae I-II (Summa theologiae) I-II 92, 1 resp. et ad 4

    Das Ziel von Gesetzen und dessen Verfehlen bei schlechten Gesetzen
    a) [1] Jedes Gesetz ist aber daraufhin geordnet, dass die Untertanen ihm gehorchen. [...] Weil es nun die Tugend ist, die den, der sie besitzt, gut macht, folgt, dass die eigentümliche Wirkung des Gesetzes darin besteht, diejenigen gut zu machen, denen es gegeben wird, entweder schlechthin oder in einer bestimmten Hinsicht.
    [2 a] Denn wenn die Intention des Gesetzgebers auf ein wahres Gut gerichtet ist – d.h. auf das Gemeinwohl, wobei dies gemäß der göttlichen Gerechtigkeit geregelt ist – folgt daraus, dass durch dieses Gesetz die Menschen schlechthin gut werden.
    b) [2 b] Wenn aber die Intention des Gesetzgebers sich zu etwas bewegt, was nicht schlechthin gut ist, sondern für ihn nützlich oder erfreulich oder der göttlichen Gerechtigkeit widerspricht, dann macht das Gesetz die Menschen nicht schlechthin gut, sondern in einer gewissen Hinsicht, nämlich in der Hinordnung auf eine solche Herrschaft. [...] [3] Ein tyrannisches Gesetz ist nicht schlechthin ein Gesetz, weil es nicht der Vernunft entspricht, sondern eher eine bestimmte Verdrehung des Gesetzes. [...] Denn es hat nichts anderes vom Begriff des Gesetzes, als [...] dass es danach strebt, dass die Untertanen gut gehorsam sein sollen.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) X 7, 1177a 14-25

    Aristoteles über die theoretische Tugend als Basis der Eudaimonie (Judentum und Islam)<br /> Aristoteles über die Theorie als beste Möglichkeit, glücklich zu werden (Antike Philosophie I)
    Das, von dem man annimmt, dass man seiner Natur nach herrscht, führt und Einsicht in die schönen und göttlichen Dinge hat, mag es etwas Göttliches sein oder das Göttlichste in uns – seine Tätigkeit gemäß der eigentümlichen Tugend wird das vollendete Glück sein. Dass diese Tätigkeit eine theoretische ist, wurde gesagt. [...] Diese Tätigkeit ist nämlich die höchste, wie auch der Geist von dem in uns Befindlichen wie seine Gegenstände von dem Erkennbaren. Sie ist ferner die kontinuierlichste Tätigkeit, da wir eher kontinuierlich betrachten können als irgendeine Handlung verrichten. [...] Unter den Tätigkeiten gemäß einer Tugend ist weiterhin nach übereinstimmender Auffassung die gemäß der Weisheit die lustvollste.
  • Platon: Menon (Meno) 88cd

    Die Klugheit bei Platon
    Wenn also die Tugend etwas in der Seele ist, dem es auch notwendig zukommt nützlich zu sein, so muss dies Klugheit sein, weil alles in der Seele an und für sich weder nützlich ist noch schädlich und nur durch Hinzukommen der Klugheit oder Dummheit schädlich und nützlich wird.
  • Herodot von Halikarnass(os) : Historien (Herodot) II 36

    Der Athener Staatsmann Perikles (ca. 490-429 v. Chr.) verweist in der Darstellung des Historikers Thukydides (ca. 454-399 v. Chr.) auf die freie Tugend der Vorväter
    Die, welche in ununterbrochener Folge der Nachkommen das Land bewohnten, haben es uns durch ihre Tugend bis heute frei übergeben. [...] Das meiste aber haben wir selber, die, die jetzt noch besonders im besten Alter steht, hinzugetan und haben die Stadt mit allem ausgerüstet, was sie in Krieg und Frieden ganz autark macht.
  • Aristoteles: Politik (politica) III 4, 1276b 27-34

    Aristoteles über den Unterschied des gerechten Bürgers
    So ist denn auch bei den Bürgern, obschon sie untereinander verschieden sind, die Erhaltung der Gemeinschaft ihre Funktion, diese Gemeinschaft aber ist die Staatsform. Deswegen muss die Tugend des Bürgers notwendigerweise an der Staatsverfassung orientiert sein. Wenn es aber mehrere Arten der Staatsform gibt, so kann offenbar die Tugend des tüchtigen Bürgers nicht eine einzige und nicht die vollkommene Tugend sein. Gut aber nennen wir einen Mann nach einer einzigen, der vollkommenen, Tugend. Es ist also klar, dass man ein tüchtiger Bürger sein kann, ohne die Tugend zu besitzen, durch die ein Mann tüchtig ist.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) III 1, 1109b 30-35

    Aristoteles über die Verbindung von Freiwilligkeit und Tugendhaftigkeit
    Da nun die Tugend mit Affekten und Handlungen zu tun hat und in Bezug auf das Freiwillige Lob und Tadel erfolgt, in Bezug auf das Unfreiwillige hingegen Verzeihung, manchmal sogar Mitleid, ist es wohl für diejenigen, die die Tugend untersuchen, nötig, das Freiwillige und das Unfreiwillige abzugrenzen, für die Gesetzgeber aber im Hinblick auf Ehren und Bestrafungen notwendig.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) II 6, 1106b 36-1107a 2

    Aristoteles’ Definition der ethischen Tugend
    Die [ethische] Tugend ist also eine die Vorzugswahl bestimmte Disposition, die in der Mitte in Bezug auf uns liegt, die bestimmt ist durch die Vernunft, d.h. so, wie der Kluge sie wohl bestimmt.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) VI 13, 1144a 29-36

    Aristoteles über die Verbindung der Klugheit mit den ethischen Tugenden
    Dieses Auge der Seele [nämlich die Klugheit] erhält seine Disposition nicht ohne Tugend [...]. Denn die Schlussfolgerungen über die Gegenstände des Handelns, haben ein Prinzip, weil ,das Ziel, d.h. das Beste, so und so ist‘, was immer es [im Einzelfall] sein mag [...]. Dieses Prinzip erscheint aber nur dem guten Menschen. Denn die Schlechtigkeit verdreht das Urteil und bewirkt, dass man sich über die praktischen Prinzipien täuscht.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) VI 5, 1140b 1-6. 21-25. 1142b 26f

    Die Unterscheidung der Klugheit von den anderen dianoetischen Tugenden
    Folglich wird die Klugheit weder ein Wissen noch eine Fertigkeit sein: kein Wissen, weil jeder Gegenstand des Handelns sich verändern kann, keine Fertigkeit, weil Handeln und Machen zu unterschiedlichen Gattungen gehören. Es bleibt also, dass sie eine mit Vernunft verbundene wahre, handlungsleitende Disposition im Hinblick auf das Gute und Schlechte für den Menschen ist. [...] Nun gibt es allerdings für eine Fertigkeit eine Tugend, für die Klugheit hingegen nicht. Bei einer Fertigkeit würde man auch den, der freiwillig einen Fehler macht, vorziehen, bei der Klugheit weniger, wie auch bei den Tugenden. Es ist also deutlich, dass sie eine Tugend ist und keine Fertigkeit. [...] Nun bezieht sich der Geist auf die Definition, für die es kein Argument gibt, die [Klugheit] aber auf das Äußerste, von dem es kein Wissen gibt, sondern Wahrnehmung.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) III 6, 1113a 21f. 29-b 1

    Aristoteles über den tüchtigen bzw. tugendhaften Menschen als Maß des Guten
    Einem jedem scheint etwas anderes gut und, wenn es sich so ergibt, etwas Gegenteiliges. [...] Nun beurteilt der Tüchtige jedes Einzelne richtig, und in jedem Einzelnen erfasst er das Wahre. Denn entsprechend jeder Disposition ist etwas Spezielles schön und freudvoll, und vielleicht zeichnet sich der Tüchtige dadurch am meisten aus, dass er in jedem Einzelnen das Wahre sieht, da er gewissermaßen Richtschnur und Maß dafür ist. Bei den meisten Leuten scheint aber eine Täuschung durch die Freude zu erfolgen. Denn sie ist nicht gut und scheint doch so.
  • Diogenes Laertios: Diogenes Laertios 7, 127

    Es steht im Zusammenhang mit dem Gesagten, dass die Tugendbegriffe der Aristoteliker und Stoiker sich deutlich unterscheiden
    [Die Stoiker] halten es für richtig, dass es nichts gibt zwischen Tugend und Schlechtigkeit, während die Peripatetiker sagen, zwischen Tugend und Schlechtigkeit sei der Fortschritt. Denn, sagen [die Stoiker], so wie das Holz gerade oder krumm sein muss, so ist es auch mit dem Gerechten oder Ungerechten, denn es gibt nichts mehr oder weniger Gerechtes, und bei den übrigen [Tugenden] ist es ebenso. Allerdings sei die Tugend [...] wegen ihrer selbst wählbar. Denn wir schämen uns über das, was wir schlecht tun, so als ob wir nur das sittlich Gute/Schöne für gut halten. Und sie sei hinreichend für die Eudaimonie.
  • Marinos von Neapolis: Proklos oder das Glück (Proclus sive de beatitudine) § 13

    Marinos über die politischen Tugenden und Aktivitäten des Proklos
    Gewiss übernahm er auch die politischen [Tugenden] aus Aristoteles‘ politischen Schriften sowie Platons Nomoi und Politeia. Damit aber nicht der Eindruck entsteht, dass in diesem Bereich nur Lehre gewesen sei, er aber keine Arbeit berührt habe, forderte er, da er – wegen seiner Beschäftigung mit dem Höheren – an politischem Handeln gehindert wurde, Archiadas, den Liebling der Götter hierzu auf, indem er ihn lehrte und unterwies in den politischen Tugenden und Methoden. [...] Auch der Philosoph [Proklos] selbst befasste sich manchmal mit politischem Ratschluss, wenn der den allgemeinen Versammlungen über die Stadt [Athen] beiwohnte, verständig Ansichten äußerte sowie bei Treffen mit den Herrschenden diese nicht nur zu gerechten Dingen aufforderte, sondern sie durch philosophischen Freimut auf gewisse Weise zwang, jedem Einzelnen das Angemessene zuzuteilen.