Lévinas, Emmanuel : Gott und die Philosophie (Dieu et la philosophie) S. 113-119
Über die beträchlichen ethischen Konsequenzen14. Die Liebe ist nicht anders möglich als durch die Idee des Unendlichen – durch das Unendliche, das in mich gesetzt ist, durch das ,mehr‘, welches das ,weniger‘ zerstört und aufweckt, es von der Teleologie abwendet, die Stunde und das Glück des Ziels zerstört. [...] Damit das Desinteresse im Begehren des Unendlichen möglich wird, [...] muss das Begehrenswerte oder Gott im Begehren abgetrennt bleiben; als Begehrenswertes – nah, aber verschieden – Heilig. [...] Die Transzendenz ist ethisch, und die Subjektivität, die letztlich nicht das ,Ich denke‘ ist [...], die nicht die Einheit der ,transzendentalen Apperzeption‘ ist, ist, in Gestalt der Verantwortung für den anderen, Unterwerfung gegenüber dem anderen. [...]
15. Die biologische menschliche Brüderlichkeit [...] ist kein hinreichender Grund dafür, dass ich für ein getrenntes Seiendes verantwortlich bin. [...] Die Verantwortlichkeit für den anderen kommt von jenseits meiner Freiheit. [...]
16. ,Jeder von uns ist schuldig vor allen für alle und für alles, und ich mehr als die anderen‘, sagt Dostojewski in den Brüdern Karamasow.