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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

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Al-Ġazālī : Der Erretter aus dem Irrtum II (p. 21f. Elschazlī = p. 37f. Maḥmūd)

Al-Ġazālī bestreitet, dass ein grundlegender Widerspruch zwischen dem Gebrauch von Logik und der Religion besteht
Und was die logischen Disziplinen betrifft, so berührt nichts von ihnen die Religion (ad-dīn), weder als Ablehnung noch als Begründung. Sondern sie ist die Theorie über die Methoden der Beweisführungen und der Syllogismen, die Bedingungen der Prämissen des Beweises und die Art und Weise ihrer Zusammensetzung und die Bedingungen der Definition und der Art und Weise ihres Aufbaus. [...] Was hat dies mit den Angelegenheiten der Religion zu tun, so dass man es ablehnen und bestreiten müsste? Ja, wenn man es bestreitet, wird man auf Seiten der Logiker nichts entstehen außer einer schlechten Überzeugung über den Intellekt des Bestreiters, ja auch an seiner Religion, von der er behauptet, dass sie auf dieser Bestreitung beruht.

Al-Ġazālī : Der Erretter aus dem Irrtum II (p. 12 Elschazlī = p. 18 Maḥmūd 1968; p. 29 Elschazlī = p. 48 Maḥmūd); Text korrigiert

Al-Ġazālī über die Unverzichtbarkeit philosophischer Methodik
Folgendes herrscht unter den meisten Menschen vor: So oft sie eine Aussage jemandem zuschreiben und beilegen, von dem sie eine gute Überzeugung haben, akzeptieren sie sie, auch wenn sie nichtig ist; und wenn sie sie jemandem zuschreiben, von dem sie eine schlechte Überzeugung haben, lehnen sie sie ab, auch wenn sie wahr ist. Folglich billigen sie immer das Wahre aufgrund der Menschen, und billigen nicht die Menschen aufgrund der Wahrheit. Und dies ist der Gipfel des Irrtums. Dies ist das Übel der Ablehnung [der Philosophie].

Al-Ġazālī : Der Erretter aus dem Irrtum IV (p. 40f. Elschazlī = p. 59. 61 Maḥmūd 1968)

Al-Ġazālī über die Rolle der Mystik für den suchenden Menschen
Nachdem ich mit den Wissenschaften fertig war, wandte ich mich in meinem Eifer dem Weg der Ṣūfīs zu. Ich erkannte, dass ihr Weg nur durch Wissen und Tätigkeit vollendet wird. Der Ertrag ihrer Tätigkeit besteht darin, die Hindernisse der Seele zu beseitigen [...], bis man hierdurch die Befreiung des Herzens von allem Nicht-Göttlichen erreicht sowie seine Erleuchtung durch das Gedenken an Gott. [...] Deshalb erkannte ich gewiss, dass diese Meister der Zustände [des mystischen Erlebens], nicht Freunde von Worten sind.

Ibn Ṭufail : Ḥayy ibn Yaqẓān (Auszüge v. p. 7f. Gauthier)

Ibn Ṭufail erklärt den Unterschied der unio mystica von komplettem (philosophischem) Wissen
Stell dir einen blind geborenen Menschen vor. [...] Seit es ihn gibt, wuchs er in einer bestimmten Stadt auf, in der er die einzelnen Bewohner [...], die Wege und Straßen der Stadt [...] durch das, was er von den übrigen Erkenntnisvermögen erfährt, ohne Einschränkungen kennt, so dass er sogar ohne Führer in der Stadt umhergeht und jeden, der ihm begegnet, sogleich erkennt. [...] Wenn ihm nun, nachdem er diese Stufe erreicht hat, seine Augen geöffnet werden und er die Sehkraft erlangt, dann wird er [...] nichts anders vorfinden, als es seiner Überzeugung davon entspricht, und nichts wird ihn täuschen [...], außer dass bei alldem zwei besonders wichtige Sachverhalte [...] neu für ihn sind: Erstens die gesteigerte Deutlichkeit und Helligkeit und zweitens die gewaltige Freude.

Ibn Ṭufail : Ḥayy ibn Yaqẓān (p. 108f. Gauthier)

Ibn Ṭufail charakterisiert die unio mystica
Wem eine solche Schau zuteil wird, dem widerfährt das völlige Verschwinden des Wesens seiner selbst (ḏāt nafsihi), die Auflösung und das Entwerden und ebenso das der übrigen vielen Wesen [...]. Es bleibt einzig das Wesen des Einen, des Wahren, des notwendig Seienden (al-wāḥid al-ḥaqq al-wāğib al-wuğūd).

Ibn Ṭufail : Ḥayy ibn Yaqẓān (Auszüge von p. 147-154)

Ibn Ṭufail schildert das Scheitern von Ḥayy ibn Yaqẓāns Versuch, sein philosophisches Wissen den religiösen Menschen zu erklären
[1] Da er großes Mitleid mit den Menschen empfand und den Wunsch hatte, ihnen das Heil zu bringen, kam der Wunsch in ihm auf, zu ihnen zu gehen, um ihnen die Wahrheit offenzulegen und zu erklären. [...] Ḥayy ibn Yaqẓān begann also, sie zu unterweisen und ihnen die Geheimnisse der Weisheit (asrār al-ḥikma) zu enthüllen; doch sobald er auch nur ein kleines Stück über den äußeren Wortsinn (aẓ-ẓāhir) hinausging und etwas beschrieb, das nicht mit ihrem Verständnis übereinstimmte, begannen sie sich vor ihm zu verschließen, [...] und in ihren Herzen ärgerten sie sich über ihn. [...]
[2] Da gab er die Überzeugung auf, dass er sie bekehren könnte, und verlor die Hoffnung, dass sie von ihm etwas annehmen würden. [...] Er riet ihnen, in ihrer gewohnten Weise an den Bestimmungen des [religiösen] Gesetzes (ḥudūd aš-šar‘) und den auf das Äußerliche bezogenen Handlungen festzuhalten, sich so wenig wie möglich in Dinge, die nicht ihre Sache waren, zu vertiefen, den schwerverständlichen Stellen in den heiligen Texten Glauben zu schenken und sie ohne Vorbehalte anzuerkennen. [...]
[3] Darauf verabschiedeten sich die beiden von ihnen, kehrten zurück zu ihrer Insel und [...] Ḥayy ibn Yaqẓān versuchte in gleicher Weise wie zuvor, sich in die Lage der Erhabenheit [i.e. die unio mystica] zu versetzen.

Ibn Rušd (Averroes): Die entscheidende Abhandlung 18-20 = 36-40

Averroes bestreitet, dass es einen großen Unterschied zwischen Philosophen und anderen Muslimen über die Ewigkeit der Welt gibt
[18] Die Mutakallimūn [...] und die früheren Weisen (ḥukamāʾ) [...] stimmten darin überein, dass es drei Arten von Existierendem gibt, nämlich zwei Enden und eine Mitte dazwischen. Bei der Benennung der beiden Enden waren sie sich einig, aber bei der Benennung der Mitte unterschieden sie sich.
Das eine Ende ist ein Existierendes, das aus etwas von ihm selbst Verschiedenem (min šayy ġayrihi) und durch etwas (wa-ʿan šayy) existiert, nämlich durch eine wirkende Ursache und aus Materie, und die Zeit geht ihm – das heißt seiner Existenz – voraus. [...] Das gegenüberliegende Ende ist ein Existierendes, das weder aus etwas noch durch etwas ist und dem die Zeit auch nicht vorangeht. [...] Die Art von Existierendem, die zwischen diesen beiden Enden liegt, ist etwas Existierendes, das nicht aus etwas ist und dem keine Zeit vorausgeht, das aber doch durch etwas existiert, nämlich durch einen Bewirker (fāʿil) – und genau dies ist die Welt insgesamt. Alle sind sich einig, dass der Welt diese drei Attribute zukommen. [...]
[20] Die Lehren über die Welt weichen also nicht so sehr voneinander ab, dass die einen als Unglaube zu verurteilen sind und die anderen nicht.

Ibn Rušd (Averroes): Die Inkohärenz der Inkohärenz Naturw. I (p. 519. 522 Bouyges)

Averroesʼ Zurückweisung von al-Ġazālīs Kritik an der Kausalität
Was die Bestreitung der Wirkursachen betrifft, die im sinnlich Wahrnehmbaren beobachtet werden, so ist dies eine sophistische Rede (qawl sufisṭānī). [...] Wer die Ursachen aufhebt, der hat den Intellekt aufgehoben. Die Fertigkeit der Logik hat zur Voraussetzung, dass es hier Ursachen und Verursachtes gibt und dass es Erkenntnis von diesem Verursachten in vollkommener Weise nur durch die Erkenntnis ihrer Ursachen gibt. Die Aufhebung dieser Dinge vernichtet die Wissenschaft, und hebt sie auf. Und dies bedeutet notwendigerweise, dass es hier überhaupt nichts in wahrhafter Weise Gewusstes (maʿlūm ʿilman ḥaqīqīyan) geben kann, sondern wenn etwas gibt, so wird es gemeint (maṯnūn), und es gibt hier keinen Beweis (burhān) und überhaupt keine Definition.

Ibn Rušd (Averroes): Großer Kommentar zu Aristoteles‘ De anima III, Abschnitt 5

Ibn Rušd (Averroes) erklärt, warum es notwendigerweise (nur) einen universalen Intellekt geben muss
[1] Da nun dies die Definition des materialen Intellekts ist, ist offensichtlich, dass er sich Aristoteles zufolge darin von der ersten Materie unterscheidet, dass er potentiell alle Intentionen der universellen materiellen Formen ist, während die erste Materie potentiell alle konkreten wahrnehmbaren Formen ist, die sie nicht erkennt und nicht erfasst.
[2] Der Grund, aus dem diese Natur unterscheidet und erkennt, die erste Materie dagegen weder erkennt noch unterscheidet, ist der, dass die erste Materie unterschiedliche Formen aufnimmt, nämlich individuelle und konkrete, jene dagegen universale aufnimmt. Und daher wird klar, dass diese Natur [des Intellekts] nichts Konkretes ist, weder ein Körper noch ein Vermögen in einem Körper, denn wenn es so wäre, würde sie die Formen aufnehmen, insofern sie geteilt und konkret sind. Und wenn das der Fall wäre, dann wären die Formen, die in ihr existieren, [nur] potentielle Denkobjekte.

Ibn Rušd (Averroes): Großer Kommentar zu Aristoteles‘ De anima III, Abschnitt 5 (p. 411f. Crawford)

Ibn Rušd (Averroes) stellt die Vorteile der Annahme eines universalen Intellekts dar
[1] Wenn das gedachte Objekt bei mir und bei dir in jeder Hinsicht eines wäre, ergäbe sich folgende Konsequenz: Wenn ich irgendein Denkobjekt wüsste, dann wüsstest du es auch – und viele andere Unmöglichkeiten. Wenn wir aber annähmen, es sei vieles, dann wäre die Konsequenz, dass das gedachte Objekt bei mir und bei dir der Art nach eine, dem Individuum nach aber zwei wäre. So hätte das gedachte Objekt ein [weiteres] gedachtes Objekt, und so ginge es fort bis ins Unendliche. Es wäre dann unmöglich, dass ein Schüler vom Lehrer lernt, es sei denn, das Wissen, das im Lehrer ist, sei ein Vermögen, welches das Wissen, das im Schüler ist, erzeugt und erschafft – auf die Weise wie das konkrete Feuer ein anderes ihm der Art nach ähnliches Feuer erzeugt – was unmöglich ist. [...]
[2] Wenn wir daher annehmen, das gedachte Objekt, das bei mir und bei dir ist, sei vieles in dem Subjekt, dem gemäß es wahr ist, nämlich als vorgestellte Formen, und eines in dem Subjekt, durch das es Intellekt ist (und das ist der materielle), werden diese Fragen vollkommen gelöst.

Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten (Dux neutrorum sive perplexorum) I 71 § 43f

Maimonides über die ursprüngliche Wissenschaftlichkeit des Judentums und die Gründe für ihr Vergessen
Die vielen Wissenschaften über den Nachweis (taḥqīq) dieser Dinge, die es in unserer Religion gab, sind im Lauf der Zeit und aufgrund der Herrschaft ungebildeter Religionen über uns verloren gegangen. [Denn ...] es war verboten, etwas von diesen „Geheimnissen der Tora“ niederzuschreiben und den Menschen zugänglich zu machen, sondern sie wurden diese von herausragenden Einzelnen an Einzelne überliefert.

Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten (Dux neutrorum sive perplexorum) I 71 § 59. 62f

Maimonides über die philosophischen Möglichkeiten der Theologie
[1] Ich stellte fest, dass die Methode aller Mutakallimūn der Art nach eine einzige Methode ist, [...] weil das Prinzip von allen die Nichtbeachtung der Existenz, so wie sie ist, darstellt, da diese eine Gewohnheit sei, zu der im Verstand etwas Verschiedenes möglich sei. [...] Wenn festgestellt wurde, dass die Welt neu entstanden (muḥdaṯ) sei, wurde festgestellt, dass sie einen Hersteller (ṣāniʿ) habe, der sie neu gemacht habe. [...] Nun ist dies kein gültiger Beweis (burhān qatʿī), außer für jemanden, der nicht den Unterschied zwischen dem Beweis, der Dialektik und einem Fehlschluss kennt. [...] Bei all diesen Argumentationen (adilla) gibt es Zweifel, und in ihnen werden Prämissen verwendet, die nicht bewiesen sind.
[2] Meiner Meinung nach ist das Ziel der Fähigkeit eines argumentativ vorgehenden Gesetzesgelehrten, dass er die Argumentationen (adilla) der Philosophen für die Ewigkeit [der Welt] entkräftet; [...] schließlich weiß jeder scharfsinnige, argumentativ vorgehende Theoretiker, der sich selbst nicht betrügt, dass zu dieser Frage – ich meine bezüglich der Ewigkeit der Welt oder ihres Neugemachtseins – ein gültiger Beweis nicht erbracht werden kann und dass der Verstand vor ihr stehenbleibt.

Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten (Dux neutrorum sive perplexorum) II 16 [lat. 17] § 212. 214f

Die wissenschaftstheoretische Situation des religiösen Menschen, wie sie aus dem Scheitern der Gottesbeweise der Mutakallimūn resultiert, und Maimonides‘ Lösungsansatz
[1] Die Situation von etwas, worüber es keinen Beweis gibt,
[Textvariante a)] bleibt bloß dadurch, dass es ein Problem ist, dass hierüber einer der beiden widersprüchlichen Standpunkte vorrangig angenommen wird.
[Textvariante b)] bleibt bloß wegen seiner Situation als Problem offen, oder es wird hierüber einer der beiden widersprüchlichen Standpunkte vorrangig angenommen.
[2] Und wenn [...] diese Frage, d.h. die nach der Ewigkeit der oder ihrer Neuentstehung, offen bleibt, dann wird für mich von seiten der Prophetie, welche Dinge klärt, die nicht innerhalb der Möglichkeit der Theorie liegen, der Zugang zu ihr angenommen, so wie wir zeigen wollen, dass die Prophetie nicht abzulehnen ist, und zwar gegebenenfalls selbst nicht nach der Meinung derer, die von der Ewigkeit der Welt überzeugt sind.
[3] Und nachdem ich die Möglichkeit unserer Behauptung klargemacht habe, gehe ich nun, ebenfalls mittels eines theoretischen Arguments, zu ihrer Überlegenheit über die Gegenposition über.

Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten (Dux neutrorum sive perplexorum) II 17 § 218. 224

Maimonides‘ grundsätzliches Gegenargument gegen die aristotelische Position von der Ewigkeit der Welt
[1] Und in keinerlei Hinsicht gibt es einen Schluss aus der Natur einer Sache nach ihrem Entstehen und ihrem Beendigt-Sein und ihrem gefestigten Wirklichwerden in der Vollendung ihres Zustands auf den Zustand dieser Sache im Zustand der Bewegung zum Entstehen hin.
[2] Und Aristoteles unternimmt es, uns zu widersprechen und gegen uns einen Nachweis zu führen aus der Natur der gefestigten, vollkommen und wirklichen Existenz im Akt, von der wir ihm zugestehen, dass sie nach der ihrer Verfestigung und Vollendung so ist, ohne dass sie in irgendeiner Hinsicht dem ähnlich wäre, was auf sie im Zustand des Entstehens zutrifft.

Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten (Dux neutrorum sive perplexorum) I 71 § 65. 68-70

Maimonides über die Notwendigkeit und Durchführung eines philosophischen Gottesbeweises
[1] Der richtige Ansatz ist nach meiner Ansicht – und dies ist die Methode des apodeiktischen Beweises, über den es keine Unsicherheit gibt –, dass die Existenz Gottes, seine Einheit und seine Freiheit von Körperlichkeit mit den Methoden der Philosophen nachgewiesen wird, [...] ohne die Entscheidung der Frage zu betrachten, ob die Welt ewig oder neu gemacht ist. [...]
[2] Ich sage nun: Die Welt ist entweder ewig oder neu entstanden. Wenn sie neu entstanden ist, so hat sie ohne Zweifel einen Schöpfer (muḥdiṯ); und dies ist das erste Gedachte, dass das Neue sich nicht selbst neu entstehen lässt, sondern dass sein Neu-Macher verschieden ist von ihm. Und der Neu-Macher der Welt ist Gott. Und wenn die Welt ewig ist, dann folgt notwendig aus der einen oder anderen Argumentation, dass es dann ein Existierendes gibt, das von allen Körpern der Welt verschieden ist: Es ist kein Körper und keine Kraft in einem Körper, es ist eines, immerwährend und ewig, es hat keine Ursache und eine Veränderung an ihm ist unmöglich. Und dies ist Gott.

Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten (Dux neutrorum sive perplexorum) III 51, p. 714, 11-715, 5. 11f.; 716, 3-5

Maimonides erklärt am Ende seines Werkes mit einem Gleichnis, in welchen Stufen man Gott nahe oder von ihm entfernt sein kann und betont den Vorzug des Beweiswissens
[1] Der Sultan ist in seinem Schloss, und zum untertänigen Volk im Ganzen gehören Menschen innerhalb der Stadt und außerhalb der Stadt; und zu denen, die in der Stadt sind, gehören solche, die sich vom Sultan abgewandt und ihre Aufmerksamkeit auf einen anderen Weg gerichtet haben; sowie solche, die das Haus des Sultans anstreben und sich ihm zuwenden; [...] aber bis jetzt haben sie die Mauer des Hauses noch nicht erblickt; und zu denen, die es anstreben, gehören solche, die zum Haus gelangt sind, aber sie gehen rings um es herum, um die Tür zu suchen; [...] und auch dadurch, dass jemand ins Innere des Hauses gelangt, sieht er den König nicht oder spricht mit ihm, sondern nachdem er ins Innere des Hauses gelangt ist, ist für ihn weiteres Bemühen erforderlich, das er leisten muss, und dann ist er unmittelbar beim Sultan zugegen, [...] hört entweder die Worte des Sultans oder spricht mit ihm [...].
Die Erklärung des Gleichnisses: [2] Was die betrifft, die außerhalb der Stadt sind, so sind sie all die menschlichen Personen, die nicht einer Richtung anhängen; [...] und was die betrifft, die in der Stadt sind, sich aber vom Haus des Sultans abgewandt haben, so sind sie Leute mit Meinungen und theoretischen Ansichten, denen jedoch unrichtige Meinungen zu eigen sind; [...] und was die betrifft, die das Haus des Sultans und den Eingang hierzu anstreben, das Haus des Sultans aber nicht erblickt haben, so sind sie die Masse der Leute des [jüdischen] Gesetzes; [...] und was den betrifft, dem ein Beweis für alles zu eigen ist, was dem Beweis zugänglich ist, und der Gewissheit über die alle göttlichen Dinge erworben hat, über die der Erwerb von Gewissheit möglich ist, und wer der Gewissheit über das nahe ist, worüber nichts anderes als Annäherung an die Gewissheit möglich ist, der ist zusammen mit dem Sultan ins Innere des Hauses gelangt.

Thomas von Aquin: Kommentar zum Liber de causis (Super librum de causis expositio) Prooemium (p. 3, 5-9 Saffrey)

Thomas von Aquin erkennt ca. 1272 die Abhängigkeiten der ihm auf Lateinisch vorliegenden Quellen
Im Arabischen findet sich aber das Buch, das bei den Lateinern "Über die Ursachen" heißt. Es steht fest, dass es aus dem Arabischen übersetzt wurde und auf Griechisch überhaupt nicht vorhanden ist. Daher scheint es von einem der arabischen Philosophen aus dem genannten Buch des Proklos exzerpiert zu sein.

Thomas von Aquin: Kommentar zum Liber de causis (Super librum de causis expositio) III (p. 22, 4-7. 13-16; 24, 4-9 Saffrey)

Thomas von Aquin interpretiert die vom Neuplatoniker Proklos stammende Triade Sein-Leben-Intellekt (νοῦς) auf monotheistische Weise
[1] Einige Leute, die die hier getroffene Aussage "die erste Ursache schuf das Sein der Seele vermittelt durch den Intellekt" (Buch von den Ursachen, Lehrsatz 3) missverstanden, meinten, laut dem Autor dieses Buches seien die Intellekte die Schöpfer der Substanz der Seelen. Aber [...] die Platoniker nahmen an, dass dasjenige, welches das Sein selbst ist, für alles die Ursache der Existenz darstellt, das aber, welches das Leben selbst ist, für alle die Ursache Lebens, das aber, was der Intellekt selbst ist, für alle die Ursache des Denkens. [...]
[2] Man muss also sagen, dass die Seele von der ersten Ursache, von der sie das Sosein hat, auch die Denkfähigkeit hat. Und das stimmt überein mit der Aussage des Dionysios (Die göttlichen Namen IV 2) [...], dass das Gute selbst, das Sein selbst, das Leben selbst und die Weisheit selbst nichts Verschiedenes sind, sondern ein und dasselbe wie Gott, von dem in die Dinge übergeht, dass sie sowohl sind als auch leben als auch denken.

Siger von Brabant: Fragen zum dritten Buch von Aristoteles’ De anima (Quaestiones in tertium De anima) (p. 242f.)

Ein anonymer Averroist zu Thomas von Aquins Behauptung, jeder einzelne Mensch denke
Indem etwas Unakzeptables benannt und dieses dort nicht bewiesen wird, indem es anderswo vorausgesetzt, bekannt und zugestanden wird, ist es leicht, viel Unakzeptables zu folgern. Diese aber nehmen an, dass der Mensch eigentümlich denkt, beweisen dies aber nicht. Von dieser Voraussetzung her argumentieren sie. Aber wenn dieses Vorausgesetzte nicht wahr ist, argumentieren sie nicht. Dass der Mensch daher in eigentümlicher Rede denkt, gestehe ich nicht zu. Wenn dies jedoch zugestanden ist, dann weiß ich nicht zu antworten. Aber dies bestreite ich, und zu Recht, daher werde ich leicht antworten.

Spinoza, Baruch de: Theologisch-politischer Traktat (Tractatus theologico-politicus) XIV (p. 443 = Erstdruck p. 165f.)

Spinoza formuliert die Grundlagen seiner Position zum Verhältnis von Philosophie und Religion
[1] Übrig ist noch, dass ich schließlich zeige, dass zwischen Glauben bzw. Theologie und Philosophie keine Verbindung und keine Nähe besteht, was ja niemand übersehen kann, der die Zielrichtung und das Fundament dieser beiden Vermögen kennt, welche sich gewiss himmelweit unterscheiden: Die Zielrichtung der Philosophie ist nämlich nichts als die Wahrheit; die des Glaubens aber [...] nichts als Gehorsam und Frömmigkeit.
[2] Ferner sind die Grundlagen der Philosophie die allgemeinen Begriffe, und diese müssen aus der Natur alleine gesucht werden; die des Glaubens sind aber die Erzählungen und die Sprache, und müssen allein aus der Schrift und der Offenbarung gesucht werden. [...]
[3] Der Glaube gesteht also jedem Einzelnen die höchste Freiheit zum Philosophieren zu, so dass er ohne Verfehlung über alle beliebigen Dinge meinen kann, was immer will; und sie verurteilt die als Häretiker und Schismatiker, welche Ansichten lehren, um zur Hartnäckigkeit, zum Hass, zu Streit und zu Zorn zu raten; und im Gegenteil hält sie nur die für Gläubige, die zu Gerechtigkeit und Liebe [...] raten.