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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

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Ainesidemos : Referat des byzantinischen Patriarchen Photios (Bibliotheca codicum ) 212, 169b

Ainesidemos, der Begründer des kaiserzeitlichen Pyrrhonismus, über die Glückseligkeit als Resultat der Skepsis
Deswegen wüssten weder die Pyrrhoneer noch die anderen die Wahrheit in den Dingen, aber die, die nach einer anderen Richtung philosophierten, wüssten alles andere nicht und [..] auch eben dieses nicht, dass nichts von dem, was sie begriffen zu haben meinen, tatsächlich begriffen wurde. Der Philosoph im Sinne des Pyrrhon ist aber im Hinblick auf das andere glückselig, und er ist darin weise, ganz genau zu wissen, dass nichts von ihm in zuverlässiger Weise begriffen wurde.

Sextos Empirikos: Pyrrhonische Hypotyposen (Pyrrhoneae Hypotyposes) I 4. 12, p. 5. 11

Die Entwicklung der Urteilsenthaltung (epochē) nach Sextos Empirikos
[1] Das skeptische Vermögen stellt das Erscheinende und das Gedachte auf jedwede Weise einander gegenüber. Von ihr ausgehend gelangen wir wegen der gleichen Kraft in den einander widersprechenden Sachverhalten und Argumenten zuerst zur Urteilsenthaltung, dann zur Ataraxie [...]
[2] Was über den Bildhauer Apelles gesagt wird, das geschah auch dem Skeptiker. Man sagt nämlich, dieser habe ein Pferd gemalt und wollte den Schaum des Pferdes im Bild nachahmen. Es sei ihm aber so misslungen, dass er aufgab und den Schwamm in den er die Farben des Pinsels ausdrückte, auf das Bild warf. Als dieser aber traf, habe er eine Nachahmung des Schaums des Pferdes gebildet.
[3] Auch die Skeptiker hofften also, die Ataraxie dadurch zu erlangen, dass sie die Ungleichheit des Erscheinenden und Gedachten beurteilten; erst als sie dies nicht tun konnten, enthielten sie sich des Urteils. Als sie sich seiner enthielten, folgte die Ataraxie dem zufällig so wie ein Schatten dem Körper.

Diogenes Laertios: Leben der Philosophen (Vitae philosophorum) 6, 6. 69. 39

Das Verhältnis des Kynikers zur Philosophie
Auf die Frage, was er durch die Philosophie gewinne, antwortete er: ,Fähig zu werden, mit mir selbst Gemeinschaft zu pflegen‘. [...] Zu jemandem, der sagte: ,Nichts wissend philosophierst Du‘ antwortete er: ,Wenn ich Weisheit auch nur vortäusche, ist das schon ein philosophieren‘. Zu dem, der ihm seinen Sohn vorstellte und sagte, wie äußerst wohlgeraten und hervorragend in den Sitten er sei, sagte er ,Was braucht er mich?‘ [...] Zu jemandem, der sagte: ,Viele loben Dich‘, meinte er: ,Was habe ich Schlechtes getan?‘ [...] Gegenüber jemandem, der sagte, es gebe keine Bewegung, stand er auf und ging umher. [...]

Diogenes Laertios: Leben der Philosophen (Vitae philosophorum) 6, 6. 39

Beispiele für kynische Chrien (= Anekdoten mit lehrhaftem Charakter)
Als Antisthenes vorgeworfen wurde, mit schlechten Menschen zusammenzusein, sagte er: ,Auch die Ärzte sind zusammen mit den Kranken, bekommen aber kein Fieber‘ [...] Als ein verderbter Eunuch auf sein Haus geschrieben hatte ,Nichts Schlechtes komme herein‘, sagte er ,Wo nun soll der Hausherr eintreten?‘

Seneca: Brief an Lucilius (Epistula ad Lucilium ) 6, 1

Seneca über die Veränderung als Grundbedingung des philosophischen Lebens
Ich bemerke, Lucilius, dass ich nicht nur verbessert, sondern verwandelt werde; und ich verspreche nicht oder hoffe, dass nichts in mir übrig ist, was verändert werden muss. [...] Genau dies ist ja ein Zeichen für einen zum Besseren hingeführten Geist, dass er seine Fehler sieht, die er bisher nicht kannte.

Seneca: Brief an Lucilius (Epistula ad Lucilium ) 6, 5f.

Seneca über die Bedeutung des gemeinsamen Lebens für den Philosophen
Eine lebendige Stimme und das gemeinsame Leben nützen Dir mehr als eine Rede; Du musst zu einer gegenwärtigen Sache kommen, erstens weil die Menschen eher den Augen als den Ohren glauben, zweitens weil der Weg durch Vorschriften lang ist, durch Beispiele kurz und effektiv. Kleanthes hätte Zenon nicht nachgeahmt, wenn er ihn nur gehört hätte: Er nahm an seinem Leben teil, schaute seine Geheimnisse, beobachtete ihn, ob er nach seiner Regel lebte.

Seneca: Brief an Lucilius (Epistula ad Lucilium ) 20, 8f.

Seneca über das als-ob als Grundprinzip der philosophischen Entwicklung
,Wir sollen einen guten Menschen lieben und uns ihn immer vor Augen halten, damit auf diese Leise so leben, als ob er zuschauen würde‘. Das, mein lieber Lucilius, hat Epikur vorgeschrieben; er gab uns einen Wächter und Erzieher, und zwar zu Recht: Ein großer Teil der Vergehen wird aufgehoben, wenn ein Zeuge denen zur Seite steht, die auf dem Weg zum Vergehen sind.

Gregor Thaumaturgos : Dankrede an Origenes (Oratio prosphonetica ad Origenem ) VI 73-76

Gregor Thaumaturgos über seinen Empfang bei bei seinem Lehrer Origenes
Er hat uns vom ersten Tag an aufgenommen; es war in Wahrheit mein erster, mein wertvollster Tag von allen, wenn ich so sagen darf; [...] als wir fortzulaufen versuchten, dachte er sich Kunstgriffe aller Art aus, um uns an sich zubinden, verwickelte uns in Unterhaltungen [...] und bot alle seine Kräfte auf. Er pries die Philosophie und die Liebhaber der Philosophie mit großen Lobreden und vielen passenden Worten, indem er sagte, nur diejenigen würden in Wahrheit ein Leben nach den Regeln der Vernunft führen, die sich bemühten, auf rechte Weise zu leben. Sie müssten zuerst sich selbst erkennen, wer sie sind, und dann dasjenige wahrhaft Gute, das der Mensch erstreben, und das wirklich Schlechte, das er meiden soll. Er tadelte die Unwissenheit und alle Unwissenden.

Gregor Thaumaturgos : Dankrede an Origenes (Oratio prosphonetica ad Origenem ) VI 81. 83

Zu Beginn der Ausbildung schließt Origenes Freundschaft mit seinen Schülern, wie Gregor Thaumaturgos berichtet
Er schleuderte auch noch den Stachel der Freundschaft auf uns, gegen den man nicht leicht ankämpfen kann, weil er scharf und sehr zielsicher ist, [den Stachel] seiner Gewandtheit und guten Gesinnung, die uns schon allein durch seine Worte als sehr freundlich zu erkennen gab, wenn er uns ansprach und sich mit uns unterhielt. [...] Wie ein Funke, der mitten auf unsere Seele übersprang, wurde [die Liebe] zu dem heiligen, lieblichsten Wort selbst entzündet und angefacht, das wegen seiner unsagbaren Schönheit alle Menschen am mächtigsten anzieht, und zugleich die Liebe zu diesem Mann, seinem Freund und Fürsprecher.

Gregor Thaumaturgos : Dankrede an Origenes (Oratio prosphonetica ad Origenem ) VII 102-VIII 109

Gregor schildert die Dialektik beziehungsweise Logik als ersten Teil der philosophischen Ausbildung bei Origenes
Bei allem [...] stimmten wir den ersten besten Meinungen zu, von welcher Art sie auch sein mochten, auch wenn sie möglicherweise falsch waren, und widersprachen oft, auch wenn vielleicht etwas Wahres geäußert wurde. Auch darüber belehrte er uns durch [...] vielfältig nuancierte Worte. Vielfältig ist nämlich dieser Teil der Philosophie, der daran gewöhnt, nicht blindlings und auch nicht aufs Geratewohl Zeugnisse zu verwerfen oder sie umgekehrt abzunicken, sondern nicht nur das, was deutlich sichtbar ist [...] und hervorsticht, genau zu untersuchen, das manchmal trügerisch und sophistisch erdacht ist, sondern auch das Innere sollten wir gründlich erforschen und jedes Einzelne ,rundherum abklopfen, ob‘ an dem Klang ,nicht vielleicht vielleicht etwas Schlechtes‘ sei (Platon, Philebos 55c). Erst wenn wir uns davon selbst überzeugt hätten, lehrte er uns, sollten wir auf solche Weise auch dem Äußeren zustimmen und über jedes Einzelne unsere Meinung sagen. So wurde der urteilsfähige Teil unserer Seele auf die Weise der Logik ausgebildet [...]; dies [die Logik] sei das Notwendigste für alle [...] Menschen, die irgendeine Lebensweise wählen. [...] Und natürlich kann nur die Dialektik diese Gattung richtigstellen.

Gregor Thaumaturgos : Dankrede an Origenes (Oratio prosphonetica ad Origenem ) VIII 110-114

Gregor über Origenes’ Unterricht in der Naturphilosophie/Physik
[1] Durch andere Wissenschaften, die naturwissenschaftlichen, erläuterte er jedes einzelne Seiende und zerlegte ihn sehr genau in seine einfachsten Elemente; dann flocht er noch die Natur des Alls, eines jeden seiner einzelnen Teile und den vielgestaltigen Wechsel und die Veränderung der Dinge in der Welt in seine Rede ein, [...] die er teils gelernt, teils selbst herausgefunden hatte über die heilige Ordnung des Alls und die untadelige Natur; so weckte er in unseren Seelen anstelle eines vernunftlosen ein vernünftiges Staunen. Dieses Wissen lehrt die bei allen sehr beliebte Physiologie.
[2] Was soll ich über die heiligen Wissenschaften sagen, die [...] Geometrie und die [...] Astronomie? Jede einzelne prägte er unseren Seelen durch Lehre ein, [...] die eine als Grundlage schlechthin für alles [...], nämlich die Geometrie [...]; er führte uns aber auch durch die Astronomie hinauf bis zu den höchsten Dingen, wie durch eine Leiter, die bis zum Himmel ragt.

Gregor Thaumaturgos : Dankrede an Origenes (Oratio prosphonetica ad Origenem ) IX 115-117

Gregor über die Ethik als Höhepunkt der Philosophie
Das aber, das von allem das Wichtigste ist und um dessentwillen sich die gesamte Gruppe der Philosophen anstrengt, die [...] aus einer langen Beschäftigung mit allen anderen Lehrgebieten und mit der Philosophie edle Früchte erntet, sind die göttlichen Tugenden, die das Ethos betreffen, aus denen die Antriebe der Seele in einen unerschütterlichen und gefestigten Zustand versetzt werden. Er wollte uns sowohl frei von Leid als auch unempfindlich gegen alles Übel, ausgeglichen, gefestigt sowie wahrhaft gottähnlich und selig machen. Hierum bemühte er sich mit eigenen Worten über unseren Charakter und unser Verhalten, die beruhigend und weise, aber auch sehr zwingend waren. Und nicht nur durch Worte, sondern in gewisser Weise bereits auch durch Taten lenkte er unsere Antriebe, und zwar durch die Betrachtung und Prüfung der Antriebe und Leidenschaften der Seele.

Gregor Thaumaturgos : Dankrede an Origenes (Oratio prosphonetica ad Origenem ) XIII 150f.

Die Theologie als Abschluss der philosophischen Ausbildung
Wie könnte ich wohl neben all seinem sonstigen Fleiß und Arbeitseifer seine Lehre und Gewissenhaftigkeit in Bezug auf die Theologie in meiner Rede weiter schildern und in die Grundhaltung dieses Mannes eindringen, mit welcher Einsicht und Vorbereitung er wollte, dass wir alle Inhalte über das Göttliche gründlich studierten, weil er darum besorgt war, dass wir keine Gefahr in Bezug auf das Allernotwendigste liefen, die Erkenntnis der Ursache von allem. Denn er forderte, dass wir Philosophie treiben, indem wir mit ganzer Kraft alle vorhandenen Schriften der alten Philosophen und Dichter lasen [...] außer denen der Atheisten.

Justin: Dialog mit dem Tryphon (Dialogus cum Tryphone ) 2, 3-5

Justin, Philosoph und Märtyrer, über seine Erfahrungen mit philosophischen Lehrern
Ich übergab mit am Anfang einem Stoiker. Nachdem ich einige Zeit mit ihm verbracht hatte, trennte ich mich von ihm, weil ich nichts weiter über Gott erfuhr (er wusste darüber selbst nichts, und dieser Lehrinhalt schien ihm nicht notwendig), und ging zu einem anderen, einem sogenannten Peripatetiker, wie er glaubte, einem schlauen. Nachdem er mit mir an den ersten Tagen zufrieden war, forderte er, den Lohn festzulegen, damit der Unterricht für uns nicht nutzlos würde. Deswegen verließ ich ihn, da ich ihn überhaupt nicht für einen Philosophen hielt. Da meine Seele aber vor Begierde brannte, das Spezifische und Herausragende der Philosophie zu hören, ging ich zu einem sehr angesehenen Pythagoreer. [...] ,Wie steht’s?‘ sagte er, ,Hattest Du Kontakt mit Musik, Astronomie und Geometrie? [...]‘ Nachdem er diese Fächer sehr gelobt hatte und sie notwendig nannte, schickte er mich weg, weil ich zugab, mich darin nicht auszukennen. Ich war also nachvollziehbarerweise traurig und gab die Hoffnung auf.

Lukian von Samosata: Hermotimos (Hermotimos) 2

Lukian von Samosata schildert die Ziele des stoischen Philosophieschülers Hermotimos
Lykinos: Wenn ich mich nicht irre, müssen es jetzt doch schon bald 20 Jahre sein, dass ich dich mit nichts anderem mehr beschäftigt sehe als mit deinen Lehrern, deinen Büchern und deinen Vorlesungsmitschriften? [...]
Hermotimos: Die Tugend wohnt weit weg [...], und der Pfad, der zu ihr führt, ist lang, steil und steinig – und nicht wenig schweißtreibend für die Wanderer! [...]
L.: Und – noch nicht genug geschwitzt, noch nicht genug gewandert?
H.: Nein, nein, und nochmals nein. Nichts würde mich ja vom völligen Glück trennen, wäre ich erst auf dem Gipfel.

Lukian von Samosata: Hermotimos (Hermotimos) 2. 6f.

Hermotimos’ Weg und seine Schwierigkeiten
Ich will leben und wenigstens einen Tag die Glückseligkeit genießen, wenn ich ein Weiser geworden bin.
L.: Und das genügt dir, ein Tag? Für soviel Mühe?
H.: Egal wieviel! Es wird mir genügen.
L.: Und was ist nun mit den Verhältnissen oben auf dem Gipfel? Dass Glück herrscht und die Dinge so sind, dass man dafür alles ertragen muss, woher weißt du das? Denn du bist ja selbst noch nicht hinaufgestiegen?
H.: Da vertraue ich meinem Lehrer. [...]
L.: Bei den Göttern! Was hat er Dir darüber erzählt? Wie ist es dort? Und was herrscht dort für ein Glück? [...]
H.: Weisheit und Tapferkeit und das an sich Gute und Gerechte sowie das sichere Wissen von allem, wie es sich verhält. [...] Wer sich vollendet und die Tugend erlangt, der ist nicht mehr Sklave des Zorns, der Angst der Triebe, der kennt auch keinen Kummer mehr, ja jegliche Emotionen sind ihm fremd.

Lukian von Samosata: Hermotimos (Hermotimos) 11 f.

Mögliche Gründe für das Ausfallen des Philosophieunterichts nach Lukian
L.: An der Tür hing ein Täfelchen, darauf stand in großen Buchstaben ,Heute wird nicht philosophiert‘. Es hieß, [dein Lehrer] habe den Abend bei dem wohlbekannten Euphrates gefeiert, der zum Geburtstag seiner Tochter einlud. Während des Symposions habe er viel philosophiert, sich mit dem Peripatetiker Euthydemos angelegt und sei mit ihm über einen der üblichen Punkte, wo sie den Stoikern widersprechen, in die Haare geraten. [...]
H.: Wer hat denn gewonnen, Lykinos, mein Lehrer oder Euthydemos? [...]
L.: Am Anfang, sagt man, stand es noch unentschieden, aber am Ende war der Sieg Eurer, und der alte Mann war turmhoch überlegen. Euthydemos, heißt es, ist dabei allerdings nicht ohne Blutvergießen nach Hause gekommen, sondern mit einem gewaltigen Loch im Kopf. Denn er war frech und spitzfindig und wollte sich nicht überzeugen lassen, er gab sich wohl auch nur wenige Blößen, und da packte Dein Lehrer, der Gute, seinen Pokal, einen wahren Nestorbecher, und drosch ihm, er lag ja neben ihm, damit auf den Kopf – und so siege er.
H.: Jawoll! Genau so muss man mit Leuten umgehen, die den Besseren nicht weichen wollen.

Lukian von Samosata: Hermotimos (Hermotimos) 46f.

Lukian über die Aporie der philosophisch Wahrheitssuchenden
L.: Kannst Du mir jemand nennen, der jeden Weg in der Philosophie versucht hat, der die Lehre des Pythagoras, des Platon, des Aristoteles, des Chrysipp des Epikur und der übrigen kennt und deshalb schließlich aus all den vielen Wegen einen Weg gewählt hat, weil er ihn für den richtigen erachtete und, da er ihn ausprobiert hat, weiß, dass er allein zum Glück führt? Wenn wir so einen finden, dann hat unsere Not ein Ende.
H.: Nicht einfach, Lykinos, so einen Mann zu finden.