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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

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Gregor von Nyssa: Über die Seele und die Auferstehung (De anima et resurrectione) S. 28

Gregors/Makrinas Argument für die Unsterblichkeit der Seele mithilfe der Lehre vom Menschen als Mikrokosmos/Kleine Welt
Von den Weisen wird gesagt, der Mensch sei ein kleiner Kosmos, der in sich die Elemente umfasse, durch die das All vollständig ist. Wenn aber diese Aussage richtig ist, und so scheint es zu sein, dann dürften wir wohl keine weitere Unterstützung brauchen, um es für uns gewiss zu machen, was wir über die Seele angenommen haben.

Gregor von Nyssa: Über die Seele und die Auferstehung (De anima et resurrectione) S. 28

Gregors/Makrinas Argument für die Unsterblichkeit der Seele
[1] Wir haben aber angenommen, sie (= die Seele) bestehe für sich selbst in einer abgehobenen und eigentümlichen Natur neben der körperlichen Schwerfälligkeit.
[2] Es ist so, wie wenn wir den ganzen Kosmos durch die sinnliche Wahrnehmung erkennen und durch genau diese Aktivität der Wahrnehmung zur Einsicht in die Tatsache [= die Idee] und das Denken jenseits der Sinneswahrnehmung geführt werden: Das Auge wird uns zum Erklärer der mit vielen Vermögen versehenen Weisheit [Gottes], die durch das All eingesehen wird. [...]
[3] Genauso haben wir, wenn wir auf den Kosmos in uns blicken, keine geringen Anregungen dazu, um durch das Erscheinende auch das Verborgene aufzufinden. Verborgen ist aber das, was, da es in sich selbst geistig und ohne Gestalt ist, die sinnliche Auffassung flieht.

Manfred von Sizilien (König von Sizilien): Buch vom Apfel (Übersetzung) (Liber de pomo) Prologus c und d [72f.]

In der Einleitung zu seiner Übersetzung des Buchs vom Apfel berichtet Manfred von Sizilien (gest. 1266) von dessen Nutzen und Geschichte
[1] Wir, Manfred, Sohn [...] des Kaisers Friedrich [II., gest. 1250] und allgemeiner Stellvertreter des Königs Konrad II. in Sizilien, unterlagen den Zufällen der menschlichen Schwäche, als die Beschwerde einer schweren Krankheit uns so sehr quälte, dass man keineswegs glaubte, wir könnten weiterleben. Aber da wir die theologisch-philosophischen Überlieferungen, welche uns am Kaiserhof [...] unseres Vaters eine Schar ehrwürdiger Lehrer gelehrt hatte, [...] fest im Geist trugen, waren wir über unser Hinscheiden nicht so sehr besorgt, wie es die Meinung jener [d.h. der Umstehenden] war. [...]
[2] Unter diesen [Überlieferungen] begegnete uns ein [richtiger wäre: ein angebliches] Buch des Aristoteles, der Ersten der Philosophen, von ihm am Ende seines Lebens herausgegeben, welches Über den Apfel genannt wird. Darin beweist er, dass die Weisen […] über das Ende nicht besorgt sind, sondern mit Freude zum Preis der Vollkommenheit eilen. […]
[3] Dieses Buch war unter den Christen nicht aufzufinden, daher haben wir es auf Hebräisch gelesen, aus dem Arabischen übersetzt […]. Deshalb haben wir es, als die Gesundheit wiederhergestellt war, für die Bildung vieler aus der hebräischen Sprache in die lateinische übersetzt.

Manfred von Sizilien (König von Sizilien): Buch vom Apfel (Übersetzung) (Liber de pomo) § 2, 4, 7-10, 15f

Die Lehre der Philosophie und die Furcht vor dem Tod nach dem Liber de pomo
[1] Es lebte zu jener Zeit ein gewisser Weiser […], und sein Name war Aristoteles. […] Und als er den Zeiten des Todes nahekam […], kamen alle Weisen zusammen. […] Aristoteles aber lachte sie aus und sagte: "Denkt nicht, dass ich mich freue, weil ich hoffe, aus allzu großer Schwäche hinauszukommen. […] Gäbe es nicht diesen Apfel, den ich in meiner Hand halte und dessen Geruch mich stärkt, […] hätte ich schon meinen letzten Atemzug getan." […]
[2] Einer der Weisen aber […] antwortete ihm […] mit den Worten: […] "Stärke unser Herz, so wie Du Dein Herz gestärkt hast, auf dass wir lernen, den Tag des Todes nicht zu fürchten […]."
[3] Aristoteles antwortete ihm […]: "In erster Linie werde ich Euch fragen, ob ihr die Wissenschaft der Philosophie bekennt und an sie glaubt? […] Freut Ihr anderen Euch darüber, ob ihr die Wissenschaft begriffen und gelernt habt und empfindet Schmerz über das, was ihr von ihr weder erlernen noch verstehen konntet?" – Sie sagten: "Ja." – […]
[4] [Antwort des Melion, welche von Aristoteles gebilligt wird:] Alle Menschen irrten zuerst […] bis zur Ankunft des Noah. […] Und nach Noah wurde Abraham geboren, der der Weiseste von allen war, und […] begriff, dass seine ganze Generation in den Irrtum lief. […] Und jemand, der diese Stufe erreicht, kann angemessenerweise den Tod erstreben. […] Aber ich habe diese hohe Stufe noch nicht erreicht, […] weil es nicht möglich ist, dass ich dieses Wissen erreichte.

Herodot von Halikarnass(os) : Historien (Herodot) IX 98

Der Historiker Herodot (ca. 484-420 v. Chr.) berichtet über Freiheit als Motivationsgrund des Kampfes der Griechen gegen die Perser (vor der Schlacht bei Mykale)
Als die Griechen von der Abfahrt der Barbaren zum Festland erfahren hatten, ärgerten sie sich, dass sie ihnen entkommen waren. [...] Als sie aber [...] sahen, dass die Schiffe innerhalb der Befestigung hochgezogen waren, aber viel Fußvolk am Strand aufgestellt [...], da ließ Leotychides, sich dem Strand so weit wie möglich annähernd, den Ioniern verkünden: "Ionier, wer von Euch mich gerade hört, achtet darauf, was ich sage. Denn die Perser werden von dem, was ich Euch sage, überhaupt nichts verstehen. Wenn es zur Schlacht kommt, muss sich jeder als erstes von allem an die Freiheit erinnern, zusammen mit dem Losungswort ,Hera‘. Und das soll auch der von Euch, der es nicht gehört hat, von einem erfahren, der es gehört hat."

Priskian aus Lydien [Pseudo-Simplikios]: In De anima/Kommentar zu Aristoteles’ De anima p. 1

Der neuplatonische Aristoteles-Ausleger Priskian aus Lydien (um 520) erklärt in seinem Kommentar zu Aristoteles’ Schrift „Über die Seele“ (<i>De anima</i>) die Bedeutung des Themas
Bemühen muss man sich in erster Linie um die Wahrheit über die Sachen selbst, und zwar neben der über die anderen insbesondere um die über die Seele, die für uns von Anfang an vertrauter als alles andere ist; danach auch über das Auffassen dessen, was denen richtig scheint, die den Gipfel des Wissens erreichen.

Platon: Phaidon (Phaedo) 84ab

Die besondere Würde der Seele wurde nicht zuletzt von Platon in einflussreicher Weise herausgestellt, namentlich in seinem Dialog <i>Phaidon</i>, in dem er die Hoffnung der Seele des Philosophen darstellt
[1] Die Seele eines philosophischen Menschen […] glaubt gewiss nicht, die Philosophie müsse sie erlösen, wenn sie sie aber erlöse, sei sie gezwungen, sich selbst wiederum den Freuden und Beschwernissen hinzugeben und das unermüdliche Werk der Penelope zu vollziehen, die einen Webstuhl in umgekehrter Weise gebraucht [und nachts das am Tage Gewobene wieder löst]. Sondern sie glaubt, sie besorge sich Ruhe davon, folge dem Denken, befinde sich immer in diesem, in Betrachtung des Wahren, Göttlichen und von Meinungen Freien sowie davon genährt, und müsse so leben, so lange sie lebt.
[2] Und wenn sie sterbe, werde sie, beim Verwandten und Derartigem angelangt, von den menschlichen Übeln erlöst. Aus der so beschaffenen Nahrung heraus, müsse sie nichts Schreckliches fürchten […], so dass sie nicht infolge der Trennung vom Körper durch die Winde auseinandergerissen werde, und zerstreut und verteilt dahingehe und nichts mehr irgendwo sei.

Platon: Phaidon (Phaedo) 87c-88e

Im <i>Phaidon</i> spricht der Thebaner Kebes unter anderem mit folgendem Bild über die Seele und weist damit auf die Schwierigkeit einer adäquaten Beschäftigung mit der Seele und ihrer Unsterblichkeit hin
[1] Der Weber nämlich […], der viele Gewänder verbraucht und gewoben hat, ist als letzter gestorben, während diese viele waren, aber, glaube ich, vor dem allerletzten […] Genau dasselbe Bild, denke ich, sollte auf die Seele im Verhältnis zum Körper passen […], dass die Seele langlebig ist, der Körper hingegen schwächer und kurzlebiger.
[2] Aber wenn man sagen will, dass jede der Seelen viele Körper verbraucht […] – denn wenn sich der Körper auflöste und zugrunde ginge, während der Mensch noch lebt, würde die Seele doch stets den verbrauchten neu weben –, dann wird es gewiss notwendig sein, dass die Seele, wenn sie zugrunde geht, das letzte Webstück zu diesem Zeitpunkt besitzt und lediglich vor diesem zugrunde geht. Wenn aber die Seele zugrunde gegangen ist, dann wird gewiss der Körper bereits die Natur der Schwäche zeigen und schnell verfaulend vergehen.
[3] Folglich ist es, wenn man dieser Rede glaubt, noch nicht angemessen, zuversichtlich zu sein, dass dann, wenn wir sterben, unsere Seele irgendwie noch ist.

Aristoteles: Über die Seele (De anima) I 1, 402a 5-7

Die wissenschaftliche Bedeutung der Seelenlehre ist zunächst von Aristoteles zusammengefasst worden
[1] Da wir voraussetzen, dass das Wissen zum Schönen und Ehrenhaften gehört, das eine [Wissen] aber mehr als das andere, entweder aufgrund seiner Genauigkeit oder, weil es sich auf Besseres und Bewunderungswürdigeres bezieht, möchten wir die Untersuchung über die Seele mit gutem Grund aufgrund von beidem an den ersten Platz stellen.
[2] Die Kenntnis von ihr scheint aber für jede Wahrheit Großes beizutragen, besonders jedoch für die Natur. Denn die Seele ist gleichsam das Prinzip der Lebewesen.

Ibn Sīnā (Avicenna): Über die Seele Buch der Genesung, Vorrede (p. 1f. Rahman)

Ibn Sīnā/Avicenna (908-1037) betont die Bedeutung der Seele für die Naturwissenschaft noch stärker als Aristoteles
[1] Und weil die Pflanzen und die Tiere als Substanzen in ihrem Wesen durch Form, nämlich die Seele, und Materie, nämlich den Körper und seine Glieder, konstituiert werden, und weil das Erste, worin das Wissen über etwas besteht, das ist, was von Seiten seiner Form kommt, hielten wir es für gut, zuerst über die Seele zu sprechen.
[2] Und dass wir das Wissen über die Seele nicht Stück für Stück darlegen, so dass wir zuerst über die Pflanzenseele und die Pflanzen, so dann über die Tierseele und die Tiere, und dann über die menschliche Seele und den Menschen sprechen, das liegt nur an zwei Gründen:
- Einer davon ist, dass dieses stückweise Vorgehen, das eines nach dem anderen in den Blick nimmt, zu dem gehört, was das Erlangen von Wissen über die Seele schwierig macht; und
- der zweite, dass […] dadurch unvermeidlich die Seelenvermögen abgetrennt werden, deren Art und deren Gattungen je für sich behandelt werden.

Abraham Ibn Daud: Vorwort zur Übersetzung von Avicennas De anima p. 3f

Der lateinische Übersetzer von Ibn Sīnās (Avicennas) „Über die Seele“, der Jude Abraham Ibn Daud (ca. 1110-1170), betont die geistige Bedeutung der Seele
[1] Obgleich alle aus Seele und Körper bestehen, sind nicht alle so sicher über die Seele wie über den Körper. Denn während dieser der Sinneswahrnehmung unterliegt, erreicht jene nur der Intellekt allein. Daher glauben die Menschen entweder, dass die Seele nichts sei, oder wenn sie vielleicht aufgrund der Bewegung des Körpers vermuten, dass sie ist, halten die meisten im Glauben fest, was oder wie beschaffen sie ist, aber nur wenige überzeugen davon mit Vernunft.
[2] Es ist aber unwürdig, dass der Mensch über den Teil von sich selbst, durch den er wissend ist, nichts weiß, das, wodurch er vernünftig ist, nicht mit der Vernunft selbst erfasst. Denn wie wird er sich selbst oder Gott lieben können, wenn er überzeugt ist, das, was in ihm am besten ist, nicht zu kennen?
[3] Denn der Mensch ist ja an seinem Körper niedriger als praktisch jedes Geschöpf, aber allein die Seele überragt die übrigen, in welcher er das Ebenbild seines Gottes deutlicher führt als alle übrigen.

Abraham Ibn Daud: Vorwort zur Übersetzung von Avicennas De anima p. 3f

Ibn Daud berichtet über das Zustandekommen und den Sinn seiner Avicenna-Übersetzung im Rahmen der aristotelischen Philosophie
Deswegen habe ich Sorge getragen, Herr, Euren Befehl, das Buch des Philosophen Avicenna über die Seele zu übersetzen, zu Ende zu führen, damit […] für die Lateiner gewiss wird, was bisher unbekannt war. […] Ihr habt also das Buch, wobei wir vorsprachen und die einzelnen Wörter in der Volkssprache vortrugen, und der Erzdiakon Dominicus [Gundisalvi bzw. Gundissalinus] das Einzelne ins Lateinische übersetzte, das aus dem Arabischen übertragen war. Ihr sollt wissen, dass hierin all das, was Aristoteles in seinem Buch „Über die Seele“ sagte […], vom Autor versammelt wurde.

Albertus Magnus: Über die Seele (De anima) I, 1, 1 (p. 1, 13-34 Kübel)

Im Gefolge des Aristoteles und Ibn Sīnā nimmt sich auch Albertus Magnus vor, wissenschaftlich über die Seele zu schreiben
[1] Jetzt aber wenden wir den Griffel der Behandlung der Naturen der beseelten Wesen zu, wobei wir der Ordnung, die wir zu Beginn unserer Naturwissenschaft für uns festgelegt haben, durch alles folgen. Weil aber das formale Prinzip von allem Beseelten die Seele ist, kann man folglich das Beseelte nur durch die Erkenntnis seiner Seelen erkennen, ebenso wie auch ein jedes der anderen Dinge nur durch seine Form erkannt wird, weil die Form das Prinzip des Seins und der Erkenntnis ist. […]
[2] Es gibt aber Werke der Seele und Eigenschaften so wie das sinnliche Wahrnehmen, Schlafen und Wachen, Sich-Ernähren und Atmen, Tod und Leben, über welche man […] sämtlich nach der Wissenschaft von der Seele Wissen erlangen muss, weil wir durch sie beim Wissen über die beseelten Körper viel Anleitung erfahren.
[3] Obwohl also die Seele und ihre Werke und Eigenschaften kein beweglicher Körper sind, welcher den Gegenstand der Naturphilosophie bildet, ist doch die Seele das Seinsprinzip für einen bestimmten derartigen Körper. Und daher muss man in der Naturwissenschaft Untersuchungen über sie anstellen.

Aristoteles: Über die Seele (De anima) I 1, 402a 5-7

Aristoteles über die Schwierigkeit der Lehre von der Seele
Wir suchen, ihre Natur und ihre Substanz zu betrachten und zu erkennen, sodann, was rings um diese hinzugekommen ist. Davon scheint manches eigentümliche Eigenschaften der Seele zu sein, anderes aber durch sie auch den Lebewesen zuzukommen. In jeglicher Hinsicht gehört es zum Schwierigsten, über sie eine bestimmte Überzeugung zu gewinnen.

Aristoteles: Über die Seele (De anima) I 1, 402a 12-19

Aristoteles betont die Schwierigkeit, die daraus resultiert, die richtige Methode für die Behandlung der Seele zu finden
Wenn nun die Untersuchung auch vielen anderen Dingen gemeinsam ist, ich meine die über die Substanz, das heißt das ,Was ist es?‘, könnte es rasch jemandem so scheinen, als gäbe es eine bestimmte Methode für alles, worüber wir die Substanz erkennen können, so wie den Beweis für das auf akzidentelle Weise Spezifische. […] Wenn es aber nicht eine bestimmte und gemeinsame Methode gibt […], wird die Behandlung noch schwieriger. Denn man wird für ein jedes begreifen müssen, was die Vorgehensweise, wenn dies aber klar ist, ob es ein Beweis ist, eine Dihairese oder noch eine andere Methode [...].

Aristoteles: Über die Seele (De anima) I 1, 402a 12-19

Aristoteles über mögliche Elemente einer wissenschaftlichen Rede über die Seele
[1] Zuerst ist es vielleicht notwendig zu analysieren, in welcher der Gattungen und was die Seele ist, ich meine, ob sie ein Dieses-da, das heißt eine Substanz, oder ein Wie-Beschaffen oder ein Wie-Viel ist, oder auch welche andere der unterschiedenen Kategorien; weiterhin aber, ob sie zu dem in Möglichkeit Seienden gehört oder eher eine gewisse Entelechie ist.
[2] Man muss auch schauen, ob sie geteilt oder ohne Teile ist […]. Denn gegenwärtig scheinen die, die über die Seele sprechen und Untersuchungen anstellen, nur die menschliche Seele in den Blick zu nehmen. Man muss aber vorsichtig sein, damit nicht verborgen bleibt, ob ihr Gehalt einer ist, wie der von ,Lebewesen‘, oder für jeden Einzelfall ein anderer, wie den von ,Pferd‘, von ,Hund‘, von ,Mensch‘, von ,Gott‘, während das allgemeine Lebewesen entweder nichts ist oder etwas Sekundäres;
[3] ferner aber […], ob man zuerst die ganze Seele oder ihre Teile untersuchen muss.

Priskian aus Lydien [Pseudo-Simplikios]: In De anima/Kommentar zu Aristoteles’ De anima (p. 1 Hayduck)

Der Neuplatoniker Priskian (um 515 n. Chr.) über seine Aufgabe als Kommentator von Aristoteles’ Schrift <i>De anima</i>
[1] Deswegen denke ich auch, dass man sich mit Bedacht ganz besonders an Aristoteles’ Untersuchung über die Seele halten muss. Gewiss wurden viele und wunderbare Beobachtungen über die Seele auch von Platon angestellt […].
[2] Seit aber Aristoteles seine Untersuchung über die Seele vollendete, herrscht, wie dem besten Beurteiler der Wahrheit, Jamblich [Platoniker des 4. Jhdts. n. Chr.], scheint, unter denen, die seine Aussagen erklären, große Uneinigkeit, und zwar nicht nur über die Auslegung des aristotelischen Textes, sondern auch ganz besonders über die Sachen selbst.
[3] Deswegen schien es auch mir gut, die Übereinstimmung des Philosophen mit sich selbst und mit der Wahrheit zu ergründen und zu beschreiben, wobei ich Polemiken gegen andere vermeide, aber in den Zweifelsfällen das Richtige aus Aristoteles’ klaren Lehren und Aussagen nachweise und mich überall, soweit möglich, an die Wahrheit über die Sachen gemäß Jamblichs Darlegung in seinen eigenen Schriften über die Seele halte.

Epikur: Brief an Herodot (Epistula ad Herodotum) § 63 und 67

Für die Körperlichkeit der Seele argumentiert Epikur (ca. 340-270 v. Chr.)
[1] Man muss mit Blick auf die Sinneswahrnehmungen und Eigenschaften sehen – denn so wird man die zuverlässigste Überzeugung erhalten –, dass die Seele ein leichter Körper ist, der über die ganze Zusammensetzung verteilt ist, der am ehesten dem Pneuma nahekommt, das eine bestimmte Beimischung von Wärme hat. […] Dies alles aber zeigen die Vermögen der Seele, das heißt die Eigenschaften, die Reaktionsfähigkeiten und die Gedanken sowie das, ohne welches wir sterben. Und gewiss muss, dass die Seele die Sinneswahrnehmung beherrscht, die stärkste Ursache liefern. […]
[2] Man muss zuvor bedenken, dass wir ,unkörperlich‘ in Bezug auf die engste Beziehung des Wortes über das sagen, das wohl an sich denkbar ist. An sich ist es aber nicht möglich, Unkörperliches zu denken, abgesehen vom Leeren. Das Leere kann aber weder wirken noch leiden. […] Diejenigen, die sagen, die Seele sei unkörperlich, sagen also gar nichts.

Johannes Philoponos : Kommentar zu Aristoteles’ „Über die Seele“ (In Aristotelis de Anima libros commentaria) p. 12, 24-31

Philoponos liefert selbst als Neuplatoniker Argumente für die Unkörperlichkeit der Seele von Seiten ihrer Rolle für den Körper
Dass nun keine Seele ein Körper sein kann, ist aus folgender Perspektive deutlich. Jeder Körper ist gemäß seiner Natur auflösbar […]. Deswegen braucht er etwas, das ihn zusammenhält. Ist nun dieses Zusammenhaltende, weil es entweder eine Seele ist oder eine andere Kraft, ein Körper oder unkörperlich? Wenn es ein Körper ist, wird es auch selbst wieder etwas Zusammenhaltendes brauchen. Wiederum fragen wir auch über dieses, ob es ein Körper oder unkörperlich ist, und dieses bis ins Unendliche. [Aber das ist absurd.] Also ist es notwendig, dass die zusammenhaltende Kraft der Körper unkörperlich ist. Beim Beseelten ist aber die Seele das die Körper Zusammenhaltende.