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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Zitatfinder

Cassius Dio, Lucius: Römische Geschichte (Historiae Romanae) 69, 8, 3

Der Kaiser Hadrian (Kaiser 117-138) lässt, wie der Historiker Cassius Dio (gest. 235) berichtet, seinen Hofphilosophen sterben
Im selben Jahr (119 n. Chr.) [...] starb der Philosoph Euphrates freiwillig, da ihm auch [Hadrian] erlaubte, wegen des Alters und der Krankheit Schierling zu trinken.

Flavius Philostratus: Leben des Apollonios von Tyana (Vita Apollonii) 7, 13f

Flavius Philostratus (ca. 170-245) inszeniert eine philosophische Diskussion über das Sterben
[1] Damis: Ich sage nun, man muss so für die Philosophie sterben wie für Heiligtümer und Mauern und Gräber, denn für die Rettung derartiger Dinge begrüßten es viele und berühmte Männer zu sterben; wenn aber die Philosophie zerstört wird, würde weder ich sterben noch irgendjemand, der sie [...] liebt. [...]
[2] Apollonios von Tyana: Ein weiser Mann soll für die Dinge sterben, die Du genannt hast, aber auch ein nicht Weiser könnte hierfür sterben: Denn das Sterben für die Freiheit wird vom Gesetz angeordnet, dasjenige für die Verwandten und Freunde und Kinder hat die Natur festgelegt – Natur und Gesetz unterwerfen aber alle Menschen, die Natur die Freiwilligen, das Gesetz die Unfreiwilligen. Für die Weisen ist es aber typischer, für das zu sterben, um das sie sich bemühten.
[3] Worum sie sich nämlich selbst, ohne dass ein Gesetz es befahl, ohne dass die Natur es anlegte, unter Kraft und Kühnheit kümmerten, für dieses soll, wenn es jemand löst, das Feuer auf den Weisen kommen, soll die Axt kommen, so dass ihn nichts davon besiegt, nichts zu irgendeiner Lüge herüberzieht, sondern er festhält, was er weiß, dass nichts besser ist, als worin er eingeweiht wurde.

Epiktet : Erörterungen (Dissertationes) IV, 7, 1-4. 6

Der Stoiker Epiktet (ca. 50-138) gibt eine Anleitung zum philosophischen Sterben und spricht dies den Christen ab
[1] Was macht den Tyrannen furchterregend? – Die Lanzenträger [...] und ihre Schwerter. [...] – Wenn nun jemand die Lanzenträger wahrnimmt sowie, dass sie Schwerter haben, jedoch genau deswegen auf ihn zugeht, weil er aus irgendeinem Grund sterben will [...], dann fürchtet er die Lanzenträger doch nicht? – Er will ja genau das, weswegen sie furchterregend sind. – Wenn nun jemand, der im Ganzen weder sterben noch leben will, sondern das, was ihm gegeben wird, auf ihn zugeht, was hindert ihn, ohne Furcht auf ihn zuzugehen? – Nichts. [...]
[2] Auch durch Wahnsinn kann jemand so hierauf eingestellt sein, oder durch Gewöhnung, so wie die Galiläer [d.h. die Christen]. Denn niemand kann durch Vernunft und Beweis lernen, dass Gott alles in der Welt geschaffen hat, sowie die ganze Welt, ungehindert und in sich vollkommen.

Justin der Märtyrer: Zweite Apologie (apologia minor) 12, 1

Justin (ca. 100-165) berichtet über seine Erfahrungen mit den christlichen Märtyrern
Denn auch ich selbst, der ich mich an Platons Lehren erfreute, hörte, dass die Christen verleumdet werden, sah aber, dass sie gegenüber dem Tod und allem, was als schrecklich gilt, furchtlos waren – da begriff ich, dass es unmöglich ist, dass sie in Schlechtigkeit und Selbstliebe existieren.

Laktanz: Die göttlichen Einrichtungen (Institutiones divinae) V, 13, 12-15

Laktanz vergleicht die christlichen Märtyrer mit den Philosophen
Unsere Kinder und Frauen aber, um von den Männern zu schweigen, besiegen ihre Folterer durch Schweigen, und nicht einmal das Feuer kann ihnen ein Stöhnen entlocken. [...] Sieh: das schwache Geschlecht und das zarte Alter lässt sich am ganzen Körper zerfleischen und verbrennen, nicht aus Zwang – denn sie können es vermeiden, wenn sie wollen, sondern aus Willen, weil sie Gott vertrauen. Das ist die wahre Tugend, zu deren Lob sich auch die Philosophen nicht durch die Sache, sondern durch Lehre Worte rühmen, indem sie ausführen: Nichts passt so gut zur Würde und Standhaftigkeit eines weisen Mannes, als durch keinerlei Schrecken von seinem Urteil und Vorsatz abgebracht werden zu können [...], auf dass er nicht durch Todesfurcht oder heftigen Schmerz bezwungen etwas Ungerechtes tut.

Augustinus von Hippo: Der Gottesstaat (De civitate dei) 13, 4

Augustinus (354-430), der wichtigste lateinische Kirchenvater, lobt die christlichen Märtyrer
Durch die Kraft und den Kampf des Glaubens [...] ließ sich auch die Furcht vor dem Tod überwinden, was bei den heiligen Märtyrern hervorragend zutage trat. [...] Früher [d.h. vor der Erlösung durch Christus] wurde dem Menschen gesagt: "du wirst sterben, wenn du sündigst"; jetzt wird dem Märtyrer gesagt: "stirb, damit du nicht sündigst". Früher wurde gesagt: "wenn ihr das Gebot übertretet, dann werdet ihr im Tode sterben"; jetzt wird gesagt: "wenn ihr den Tod verweigert, dann übertretet ihr das Gebot". [...] So ging durch die unsagbare Barmherzigkeit Gottes selbst die Strafe für die Laster in die Waffen der Tugend ein.

Plotin: Enneade I 1 [53], 10, 4-7

Bei Plotin ergibt sich ein komplexer Status des „Wir“, d.h. der Person, unter der Bedingung einer Trennung von Seele und Körper, wie sie schon Platon annahm
Denn auch von dem, was der Körper erleidet, sagen wir, dass wir es erleiden. Das „Wir“ ist also etwas Zweifaches – entweder es wird das Lebewesen mit dazugerechnet, oder es ist nur das, was bereits über diesem steht. D.h. das Tier ist der mit Leben versehene Körper; der wahre Mensch ist dagegen etwas anderes.

Origenes: Über die Prinzipien (De principiis) 3, 6, 5

Origenes, der berühmteste griechische Kirchenvater (ca. 185-254), über die Vernichtung des Todes
Darum heißt es denn auch, "der letzte Feind", welcher "der Tod" genannt wird, werde vernichtet [vgl. 1 Kor 15, 26]; es gibt also keine "Traurigkeit" mehr, wo der Tod nicht ist [vgl. Offb 21, 4], und keine Verschiedenheit, wo kein Feind ist. Dass "der letzte Feind vernichtet werde", ist so zu verstehen, dass nicht seine Substanz, die von Gott geschaffen ist, vergeht, sondern dass seine feindliche Willensrichtung, die nicht aus Gott, sondern aus ihm hervorging, untergeht. [...] Denn dem Allmächtigen "ist nichts unmöglich" [vgl. Ijob 42, 2], und nichts ist für den eigenen Schöpfer unheilbar. Denn er hat alles geschaffen, damit es sei, und was geschaffen ist, damit es sei, kann nicht nicht sein.

Origenes: Über die Prinzipien (De principiis) 3, 6, 5f

Eine spezifische und kontroverse Lehre des Origenes betrifft die langsame Wiederherstellung aller Dinge
[1] So meinen die Törichten und die Ungläubigen, unser Fleisch vergehe nach dem Tode in der Weise, dass es nichts von seiner Substanz übrig behalte; wir aber, die wir an seine Auferstehung glauben, verstehen, dass im Tod nur eine Umwandlung des Fleisches geschieht, seine Substanz aber, das steht fest, bleibt und wird durch den Willen des Schöpfers zu einer bestimmten Zeit wieder zum Leben bereitet [...].
[2] In diesen Zustand, so ist anzunehmen, wird all unsere körperliche Substanz überführt werden, zu der Zeit, wenn alles wiederhergestellt wird, so dass es eines ist, und wenn Gott "alles in allem" sein wird. Dies muss man aber nicht als ein plötzliches Geschehen verstehen, sondern als ein allmähliches, stufenweises [...], wobei der Besserungsprozess langsam einen nach dem anderen erfasst; einige eilen voraus und streben rascher zur Höhe, andere folgen in kurzem Abstande, und wieder andere weit hinten.

Gregor von Nyssa: Über die Seele und die Auferstehung (De anima et resurrectione) (p. 12 Migne/p. 83 Spira)

Gregor von Nyssa (ca. 335/40-394), einer der besten Philosophen unter den griechischen Kirchenvätern, erläutert den Anlass seines Dialogs mit seiner Schwester Makrina
[1] Als der unter den Heiligen große Basileios das menschliche Leben zu Gott hin verließ und den Kirchen ein allgemeiner Ansturm der Trauer zustieß, aber die Schwester und Lehrerin noch im Leben zugegen war, da ging ich eifrig zu ihr, um mit ihr zusammen zu sein angesichts des Unglücks, das den Bruder betraf; und schmerzbeladen war mir die Seele, überreich an Leid wegen dieses großen Verlustes, und ich suchte einen Gefährten der Tränen, der dieselbe Last der Trauer trug wie ich.
[2] Als wir einander vor Augen standen, da wärmte mir die Lehrerin, als sie vor den Augen erschien, das Leiden auf, denn auch sie wurde schon von der Schwäche zum Tode hingehalten. Sie aber, die mir, auf die Weise der Meister der Reitkunst, eingegeben hatte, ein wenig von der Wucht des Leides fortgetragen zu werden, ging danach daran, dies zu begrenzen, indem sie mit dem Wort, wie mit einem Zügel, durch das eigene Nachdenken das Ungeordnete der Seele wiederherstellte, und von ihr wurde das Apostelwort vorgebracht, man brauche nicht über die Entschlafenen zu trauern, denn dieses Leiden passe nur zu denen, die keine Hoffnung haben.

Gregor von Nyssa: Über die Seele und die Auferstehung (De anima et resurrectione) (p. 28 Migne)

Gregors/Makrinas Argument für die Unsterblichkeit der Seele mithilfe der Lehre vom Menschen als Mikrokosmos/Kleine Welt
Von den Weisen wird gesagt, der Mensch sei ein kleiner Kosmos, der in sich die Elemente umfasse, durch die das All vollständig ist. Wenn aber diese Aussage richtig ist, und so scheint es zu sein, dann dürften wir wohl keine weitere Unterstützung brauchen, um es für uns gewiss zu machen, was wir über die Seele angenommen haben.

Gregor von Nyssa: Über die Seele und die Auferstehung (De anima et resurrectione) (p. 28 Migne)

Gregors/Makrinas Argument für die Unsterblichkeit der Seele
[1] Wir haben aber angenommen, sie (= die Seele) bestehe für sich selbst in einer abgehobenen und eigentümlichen Natur neben der körperlichen Schwerfälligkeit.
[2] Es ist so, wie wenn wir den ganzen Kosmos durch die sinnliche Wahrnehmung erkennen und durch genau diese Aktivität der Wahrnehmung zur Einsicht in die Tatsache [= die Idee] und das Denken jenseits der Sinneswahrnehmung geführt werden: Das Auge wird uns zum Erklärer der mit vielen Vermögen versehenen Weisheit [Gottes], die durch das All eingesehen wird. [...]
[3] Genauso haben wir, wenn wir auf den Kosmos in uns blicken, keine geringen Anregungen dazu, um durch das Erscheinende auch das Verborgene aufzufinden. Verborgen ist aber das, was, da es in sich selbst geistig und ohne Gestalt ist, die sinnliche Auffassung flieht.

Manfred von Sizilien (König von Sizilien): Buch vom Apfel (Übersetzung) (Liber de pomo) Prologus c und d (72f.)

In der Einleitung zu seiner Übersetzung des Buchs vom Apfel berichtet Manfred von Sizilien (gest. 1266) von dessen Nutzen und Geschichte
[1] Wir, Manfred, Sohn [...] des Kaisers Friedrich [II., gest. 1250] und allgemeiner Stellvertreter des Königs Konrad II. in Sizilien, unterlagen den Zufällen der menschlichen Schwäche, als die Beschwerde einer schweren Krankheit uns so sehr quälte, dass man keineswegs glaubte, wir könnten weiterleben. Aber da wir die theologisch-philosophischen Überlieferungen, welche uns am Kaiserhof [...] unseres Vaters eine Schar ehrwürdiger Lehrer gelehrt hatte, [...] fest im Geist trugen, waren wir über unser Hinscheiden nicht so sehr besorgt, wie es die Meinung jener [d.h. der Umstehenden] war. [...]
[2] Unter diesen [Überlieferungen] begegnete uns ein [richtiger wäre: ein angebliches] Buch des Aristoteles, der Ersten der Philosophen, von ihm am Ende seines Lebens herausgegeben, welches Über den Apfel genannt wird. Darin beweist er, dass die Weisen […] über das Ende nicht besorgt sind, sondern mit Freude zum Preis der Vollkommenheit eilen. […]
[3] Dieses Buch war unter den Christen nicht aufzufinden, daher haben wir es auf Hebräisch gelesen, aus dem Arabischen übersetzt […]. Deshalb haben wir es, als die Gesundheit wiederhergestellt war, für die Bildung vieler aus der hebräischen Sprache in die lateinische übersetzt.

Manfred von Sizilien (König von Sizilien): Buch vom Apfel (Übersetzung) (Liber de pomo) § 2, 4, 7-10, 15f

Die Lehre der Philosophie und die Furcht vor dem Tod nach dem Liber de pomo
[1] Es lebte zu jener Zeit ein gewisser Weiser […], und sein Name war Aristoteles. […] Und als er den Zeiten des Todes nahekam […], kamen alle Weisen zusammen. […] Aristoteles aber lachte sie aus und sagte: "Denkt nicht, dass ich mich freue, weil ich hoffe, aus allzu großer Schwäche hinauszukommen. […] Gäbe es nicht diesen Apfel, den ich in meiner Hand halte und dessen Geruch mich stärkt, […] hätte ich schon meinen letzten Atemzug getan." […]
[2] Einer der Weisen aber […] antwortete ihm […] mit den Worten: […] "Stärke unser Herz, so wie Du Dein Herz gestärkt hast, auf dass wir lernen, den Tag des Todes nicht zu fürchten […]."
[3] Aristoteles antwortete ihm […]: "In erster Linie werde ich Euch fragen, ob ihr die Wissenschaft der Philosophie bekennt und an sie glaubt? […] Freut Ihr anderen Euch darüber, ob ihr die Wissenschaft begriffen und gelernt habt und empfindet Schmerz über das, was ihr von ihr weder erlernen noch verstehen konntet?" – Sie sagten: "Ja." – […]
[4] [Antwort des Melion, welche von Aristoteles gebilligt wird:] Alle Menschen irrten zuerst […] bis zur Ankunft des Noah. […] Und nach Noah wurde Abraham geboren, der der Weiseste von allen war, und […] begriff, dass seine ganze Generation in den Irrtum lief. […] Und jemand, der diese Stufe erreicht, kann angemessenerweise den Tod erstreben. […] Aber ich habe diese hohe Stufe noch nicht erreicht, […] weil es nicht möglich ist, dass ich dieses Wissen erreichte.

Herodot von Halikarnass(os) : Historien (Herodot) IX 98

Der Historiker Herodot (ca. 484-420 v. Chr.) berichtet über Freiheit als Motivationsgrund des Kampfes der Griechen gegen die Perser (vor der Schlacht bei Mykale)
Als die Griechen von der Abfahrt der Barbaren zum Festland erfahren hatten, ärgerten sie sich, dass sie ihnen entkommen waren. [...] Als sie aber [...] sahen, dass die Schiffe innerhalb der Befestigung hochgezogen waren, aber viel Fußvolk am Strand aufgestellt [...], da ließ Leotychides, sich dem Strand so weit wie möglich annähernd, den Ioniern verkünden: "Ionier, wer von Euch mich gerade hört, achtet darauf, was ich sage. Denn die Perser werden von dem, was ich Euch sage, überhaupt nichts verstehen. Wenn es zur Schlacht kommt, muss sich jeder als erstes von allem an die Freiheit erinnern, zusammen mit dem Losungswort ,Hera‘. Und das soll auch der von Euch, der es nicht gehört hat, von einem erfahren, der es gehört hat."

Priskian aus Lydien [Pseudo-Simplikios]: In De anima/Kommentar zu Aristoteles’ De anima (p. 1)

Der neuplatonische Aristoteles-Ausleger Priskian aus Lydien (um 520) erklärt in seinem Kommentar zu Aristoteles’ Schrift Über die Seele (De anima) die Bedeutung des Themas
Bemühen muss man sich in erster Linie um die Wahrheit über die Sachen selbst, und zwar neben der über die anderen insbesondere um die über die Seele, die für uns von Anfang an vertrauter als alles andere ist; danach auch über das Auffassen dessen, was denen richtig scheint, die den Gipfel des Wissens erreichen.

Platon: Phaidon (Phaedo) 84ab

Die besondere Würde der Seele wurde nicht zuletzt von Platon in einflussreicher Weise herausgestellt, namentlich in seinem Dialog Phaidon, in dem er die Hoffnung der Seele des Philosophen darstellt
[1] Die Seele eines philosophischen Menschen […] glaubt gewiss nicht, die Philosophie müsse sie erlösen, wenn sie sie aber erlöse, sei sie gezwungen, sich selbst wiederum den Freuden und Beschwernissen hinzugeben und das unermüdliche Werk der Penelope zu vollziehen, die einen Webstuhl in umgekehrter Weise gebraucht [und nachts das am Tage Gewobene wieder löst]. Sondern sie glaubt, sie besorge sich Ruhe davon, folge dem Denken, befinde sich immer in diesem, in Betrachtung des Wahren, Göttlichen und von Meinungen Freien sowie davon genährt, und müsse so leben, so lange sie lebt.
[2] Und wenn sie sterbe, werde sie, beim Verwandten und Derartigem angelangt, von den menschlichen Übeln erlöst. Aus der so beschaffenen Nahrung heraus, müsse sie nichts Schreckliches fürchten […], so dass sie nicht infolge der Trennung vom Körper durch die Winde auseinandergerissen werde, und zerstreut und verteilt dahingehe und nichts mehr irgendwo sei.

Platon: Phaidon (Phaedo) 87c-88e

Im Phaidon spricht der Thebaner Kebes unter anderem mit folgendem Bild über die Seele und weist damit auf die Schwierigkeit einer adäquaten Beschäftigung mit der Seele und ihrer Unsterblichkeit hin
[1] Der Weber nämlich […], der viele Gewänder verbraucht und gewoben hat, ist als letzter gestorben, während diese viele waren, aber, glaube ich, vor dem allerletzten […] Genau dasselbe Bild, denke ich, sollte auf die Seele im Verhältnis zum Körper passen […], dass die Seele langlebig ist, der Körper hingegen schwächer und kurzlebiger.
[2] Aber wenn man sagen will, dass jede der Seelen viele Körper verbraucht […] – denn wenn sich der Körper auflöste und zugrunde ginge, während der Mensch noch lebt, würde die Seele doch stets den verbrauchten neu weben –, dann wird es gewiss notwendig sein, dass die Seele, wenn sie zugrunde geht, das letzte Webstück zu diesem Zeitpunkt besitzt und lediglich vor diesem zugrunde geht. Wenn aber die Seele zugrunde gegangen ist, dann wird gewiss der Körper bereits die Natur der Schwäche zeigen und schnell verfaulend vergehen.
[3] Folglich ist es, wenn man dieser Rede glaubt, noch nicht angemessen, zuversichtlich zu sein, dass dann, wenn wir sterben, unsere Seele irgendwie noch ist.

Aristoteles: Über die Seele (De anima) I 1, 402a 5-7

Die wissenschaftliche Bedeutung der Seelenlehre ist zunächst von Aristoteles zusammengefasst worden
[1] Da wir voraussetzen, dass das Wissen zum Schönen und Ehrenhaften gehört, das eine [Wissen] aber mehr als das andere, entweder aufgrund seiner Genauigkeit oder, weil es sich auf Besseres und Bewunderungswürdigeres bezieht, möchten wir die Untersuchung über die Seele mit gutem Grund aufgrund von beidem an den ersten Platz stellen.
[2] Die Kenntnis von ihr scheint aber für jede Wahrheit Großes beizutragen, besonders jedoch für die Natur. Denn die Seele ist gleichsam das Prinzip der Lebewesen.