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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

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Seneca: Die Kürze des Lebens (De brevitate vitae) 1, 1-4

Seneca plädiert für eine rechte Verwendung der Lebenszeit
Der größte Teil der Sterblichen, Paulinus, beklagt sich über die Schlechtigkeit der Natur, dass wir für eine kurze Dauer geboren werden, dass die Räume der uns gegebenen Zeit so schnell, so rasch fortlaufen, und zwar soweit, dass, mit Ausnahme von wenigen, das Leben die übrigen bei der Ausrüstung des Lebens selbst zurücklässt. [...] Wir haben keine kurze Zeit, sondern wir verlieren viel davon. Das Leben ist lang genug [...], wenn denn das ganze richtig angelegt würde. [...] Wir haben kein kurzes Leben empfangen, sondern wir machen es so, wir haben keinen Mangel daran, sondern verschwenden es. So wie reiche und königliche Geldmittel da, wo sie an einen schlechten Herrn gelangt sind, in einem Augenblick verstreut werden, während vergleichsweise geringen, wenn sie einem guten Wächter anvertraut sind, durch Gebrauch wachsen, so gefällt unser Lebensalter demjenigen sehr, der es gut verwaltet.

Seneca: Die Kürze des Lebens (De brevitate vitae) 20, 5

Seneca klagt über einen falschen Umgang mit dem Tod
Inzwischen, während sie beraubt werden und berauben, während einer die Ruhe des anderen stört, während sie füreinander elend sind, ist ihr Leben ohne Frucht, ohne Lust, ohne jeglichen Fortschritt des Geistes: Niemand hat den Tod im Blick, niemand ist ohne Pläne, die alle Hoffnungen überschreiten, ja einige verwalten sogar das, was jenseits des Lebens liegt, große, aufwändige Gräber, Widmungen öffentlicher Gebäude, Festspiele für den Scheiterhaufen, prachtvolle Leichenfeiern. Aber, beim Herkules, ihre Leichenzüge müssen bei Fackeln und Kerzen geführt werden, so als hätten sie ganz kurz gelebt [Fackeln und Kerzen kamen bei Begräbnissen von Kindern zur Anwendung].

Seneca: Brief an Lucilius (Epistula ad Lucilium ) 82, 9. 19f

Seneca über eine falsche philosophische Weise, den Tod zu behandeln
Unser Zenon gebraucht folgenden Schluss: "Kein Übel ist rühmlich. Der Tod ist aber rühmlich. Also ist der Tod kein Übel." Geschafft! Ich bin frei von Furcht. Hiernach werde ich nicht zögern, meinen Nacken [der Axt] entgegenzustrecken. [...] Ich persönlich führe so etwas nicht auf ein Gesetz der Dialektik zurück. [...] Diese ganze Art und Weise ist, denke ich, auszutreiben, durch die jemand, der gefragt wird, sich selbst zu umschreiben meint und, wenn es zum Bekenntnis kommt, eine Sache antwortet, eine andere denkt. Für die Wahrheit muss man einfacher vorgehen, gegen die Furcht tapferer. [...] Ich möchte lieber [...] überzeugen als auferlegen. Wenn jemand für Frauen und Kinder ein Heer zur Schlacht herausführen will, wie soll er dann ermahnt werden, den Tod zu erleiden?

Seneca: Brief an Lucilius (Epistula ad Lucilium ) 82, 9. 21

Seneca führt die Spartaner in den Thermopylen als Beispiel für ein rechtes Sterben an
Ich zeige dir die Spartaner, die im Engpass der Thermopylen standen: Weder erhoffen sie den Sieg noch die Rückkehr [...]. Wie ermahnst Du sie, so dass sie den Niedergang des ganzen Volkes aufnehmen, indem sie ihre Körper entgegenstellen, und eher aus dem Leben als von ihrer Position weichen? Sagst Du "was schlecht ist, ist nicht rühmlich; der Tod ist rühmlich; also ist der Tod nicht schlecht"? [...] Aber Leonidas [...] sagte: "Frühstückt so, Mitkämpfer, wie wenn ihr in der Unterwelt zu Abend esst."

Seneca: Brief an Lucilius (Epistula ad Lucilium ) 70, 4f

Seneca empfiehlt für den Weisen die Erwägung, sich selbst das Leben zu nehmen
Der Weise wird leben, solange er muss, nicht solange er kann. Er wird sehen, wo er leben wird, mit wem, wie, was er tun wird. Er bedenkt immer, wie sein Leben, nicht wie lange es ist. Wenn viel Beschwerliches, die Ruhe Störendes geschieht, entfernt er sich selbst. Und er macht dies nicht nur unter äußerstem Zwang, sondern sobald das Schicksal beginnt, ihm verdächtig zu sein, zieht er sorgfältig in Betracht, ob nicht von hier zu scheiden sei.

Seneca: Brief an Lucilius (Epistula ad Lucilium ) 70, 11

Seneca betont, dass es sich nur um einen konkreten Entschluss handeln kann
Du wirst daher nicht ganz allgemein feststellen können, ob der Tod, wenn ihn eine äußere Gewalt befiehlt, zu ergreifen oder zu erwarten ist. Denn es gibt Vieles, was in jede Richtung ziehen kann. [...] So wie ich ein Schiff wähle, wenn ich segeln will, und ein Haus, wenn ich [irgendwo] wohnen will, so auch einen Tod, wenn ich aus dem Leben scheiden will.

Seneca: Brief an Lucilius (Epistula ad Lucilium ) 70, 14f

Die Freiwilligkeit des Todes als Zeichen der Freiheit nach Seneca
Du wirst auch Bekenner der Weisheit finden, die bestreiten, dass man seinem eigenen Leben Gewalt antun darf, und es für schändlich erachten, zum Töter seiner selbst zu werden: Der Tod sei zu erwarten, den die Natur beschlossen habe. Wer das sagt, sieht nicht, dass er den Weg der Freiheit verschließt: Nichts hat das ewige Gesetz besser gemacht als uns einen Eingang ins Leben zu geben, aber viele Ausgänge. [...] Dies ist das Einzige, warum wir uns über das Leben nicht beschweren können: Es hält niemanden zurück.

Tacitus (Publius Cornelius Tacitus) : Annalen (Annales ) XV 60-61

Der römische Historiker Tacitus berichtet über Senecas Tod auf Befehl Kaiser Neros
Es folgte die Ermordung von Annaeus Seneca, dem Kaiser besonders willkommen, nicht etwa, weil er von dessen unleugbarer Beteiligung an der Verschwörung erfahren hätte, sondern er wollte mit dem Schwert wüten, wo das Gift keinen Erfolg hatte. [...] Er fragte [den Bericht erstattenden Tribunen], ob Seneca einen freiwilligen Tod vorbereite. Da bestätigte der Tribun, dass er keine Zeichen von Furcht, keinerlei Betrübnis in seinen Worten oder seiner Haltung erkennen konnte. Also wurde ihm befohlen zurückzukehren und den Tod anzuordnen.

Laktanz: Die göttlichen Einrichtungen (Institutiones divinae) IV, 3, 4. 7

Der römische Apologet Lactantius (ca. 250-320) plädiert für die Einheit von Religion und Philosophie
Weil Philosophie und Kult der Götter getrennt und weitab geschieden sind, weil andere Leute Bekenner der Weisheit sind, durch welche man keinen Zugang zu den Göttern gewinnt, andere Vorsteher des Kultes, durch die man nicht weise zu sein lernt, ist klar, dass weder die eine eine wahre Weisheit noch der andere ein wahrer Kult ist. [...] Wo also wird die Weisheit mit dem Kult verbunden? Genau dort, wo ein einziger Gott verehrt wird, wo das Leben und jede Handlung auf ein Haupt und eine Summe bezogen werden, da sind schließlich die Lehrer der Weisheit dieselben wie die Priester Gottes.

Bibel: Neues Testament: Evangelium nach Markus (Evangelium Marci) 14, 34-36

Das Markusevangelium (um 60 n. Chr.) berichtet über Christi Ängste vor seinem Tod
Und Jesus sprach zu ihnen [seinen Schülern Petrus, Johannes und Jakobus]: "Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibet hier und wachet!" Und er ging ein wenig weiter, warf sich auf die Erde und betete, dass, wenn es möglich wäre, die Stunde an ihm vorüberginge, und sprach: "Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht, was ich will, sondern was du willst." Und er kam und fand sie schlafend.

Bibel: Neues Testament: Evangelium nach Markus (Evangelium Marci) 15, 34-38

Das Markusevangelium schildert den Tod Jesu Christi
Und zu der neunten Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: "Eli, Eli, lema sabachtani", das heißt übersetzt: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Und einige, die dabeistanden, sprachen, als sie das hörten: "Siehe, er ruft den Elija." Da lief einer, füllte einen Schwamm mit Essig, steckte ihn auf ein Rohr, gab ihm zu trinken und sprach: "Lasst uns doch sehen, ob Elija kommt und ihn herabnimmt." Aber Jesus schrie mit lauter Stimme auf und verschied.

Bibel: Neues Testament: Evangelium nach Johannes (euangelion kata Iōannēn) 20, 24-29

Das Johannesevangelium (vermutlich ca. 90/100 n. Chr.) erzählt vom ,ungläubigen Thomas‘
Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Da sagten die anderen Schüler zu ihm: "Wir haben den Herrn gesehen." Er aber sprach zu ihnen: "Wenn ich nicht an seinen Händen die Male der Nägel sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich das nicht." Und nach acht Tagen waren seine Schüler abermals drinnen versammelt, und Thomas war bei ihnen. Da kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und stellt sich in die Mitte und sagte: "Friede sei mit euch." Danach spricht er zu Thomas: "Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig. Thomas antwortete und sprach zu ihm: "Mein Herr und mein Gott." Da spricht Jesus zu ihm: "Weil du mich gesehen hast, Thomas, glaubst du. Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben."

Paulus von Tarsus (Apostel): 1. Korintherbrief 15, 35-43. 50-53

Der Apostel Paulus beantwortet Fragen zur Auferstehung der Toten
Es könnte aber jemand fragen: Wie werden die Toten aufgeweckt? Mit was für einem Körper kommen sie? Du Narr: Was du säst, wird nicht lebendig gemacht, wenn es nicht stirbt. Und wenn du etwas säst, dann säst du nicht den Körper, der werden soll, sondern ein bloßes Korn, sei es von Weizen oder etwas anderem. Gott aber gibt ihm einen Körper, wie er gewollt hat, einem jeden Samen einen eigenen Leib. Nicht alles Fleisch ist das gleiche Fleisch, sondern ein Fleisch haben die Menschen, ein anderes das Vieh, ein anderes die Vögel, ein anderes die Fische. Und es gibt himmlische Körper und irdische Körper; aber ein anderes Ansehen haben die himmlischen Körper, ein anderes die irdischen Körper. Ein anderes Ansehen hat die Sonne, ein anderes Ansehen hat der Mond, ein anderes Ansehen haben die Sterne. Denn ein Stern unterscheidet sich vom andern im Ansehen. So ist auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät in Vergänglichkeit, es wird auferweckt in Unvergänglichkeit. [...] Es wird gesät ein seelischer Leib, es wird auferweckt ein geistiger Leib.

Paulus von Tarsus (Apostel): 1. Korintherbrief 15, 51-53

Der Apostel Paulus deutet in apokalyptischer Weise das Endgericht an
Seht ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; plötzlich, in einem Augenblick, mit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden als unvergängliche auferweckt werden, und wir werden verwandelt werden. Denn dies Vergängliche muss sich die Unvergänglichkeit anziehen, und dies Sterbliche muss die Unsterblichkeit anziehen.

Bibel: Neues Testament: Offenbarung des Johannes (Apokalypse) (Apocalypsis Johannis Apostoli) 21, 1. 3-4

Die Offenbarung des Johannes (Apokalypse) kündigt die neue Welt an
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. [...] Und ich hörte eine laute Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, das Zelt Gottes unter den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, [...] und Gott selbst wird mit ihnen sein, [...] und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; das Erste ist ja vergangen.

Cassius Dio, Lucius: Römische Geschichte (Historiae Romanae) 69, 8, 3

Der Kaiser Hadrian (Kaiser 117-138) lässt, wie der Historiker Cassius Dio (gest. 235) berichtet, seinen Hofphilosophen sterben
Im selben Jahr (119 n. Chr.) [...] starb der Philosoph Euphrates freiwillig, da ihm auch [Hadrian] erlaubte, wegen des Alters und der Krankheit Schierling zu trinken.

Flavius Philostratus: Leben des Apollonios von Tyana (Vita Apollonii) 7, 13f

Flavius Philostratus (ca. 170-245) inszeniert eine philosophische Diskussion über das Sterben
[1] Damis: Ich sage nun, man muss so für die Philosophie sterben wie für Heiligtümer und Mauern und Gräber, denn für die Rettung derartiger Dinge begrüßten es viele und berühmte Männer zu sterben; wenn aber die Philosophie zerstört wird, würde weder ich sterben noch irgendjemand, der sie [...] liebt. [...]
[2] Apollonios von Tyana: Ein weiser Mann soll für die Dinge sterben, die Du genannt hast, aber auch ein nicht Weiser könnte hierfür sterben: Denn das Sterben für die Freiheit wird vom Gesetz angeordnet, dasjenige für die Verwandten und Freunde und Kinder hat die Natur festgelegt – Natur und Gesetz unterwerfen aber alle Menschen, die Natur die Freiwilligen, das Gesetz die Unfreiwilligen. Für die Weisen ist es aber typischer, für das zu sterben, um das sie sich bemühten.
[3] Worum sie sich nämlich selbst, ohne dass ein Gesetz es befahl, ohne dass die Natur es anlegte, unter Kraft und Kühnheit kümmerten, für dieses soll, wenn es jemand löst, das Feuer auf den Weisen kommen, soll die Axt kommen, so dass ihn nichts davon besiegt, nichts zu irgendeiner Lüge herüberzieht, sondern er festhält, was er weiß, dass nichts besser ist, als worin er eingeweiht wurde.

Epiktet : Erörterungen (Dissertationes) IV, 7, 1-4. 6

Der Stoiker Epiktet (ca. 50-138) gibt eine Anleitung zum philosophischen Sterben und spricht dies den Christen ab
[1] Was macht den Tyrannen furchterregend? – Die Lanzenträger [...] und ihre Schwerter. [...] – Wenn nun jemand die Lanzenträger wahrnimmt sowie, dass sie Schwerter haben, jedoch genau deswegen auf ihn zugeht, weil er aus irgendeinem Grund sterben will [...], dann fürchtet er die Lanzenträger doch nicht? – Er will ja genau das, weswegen sie furchterregend sind. – Wenn nun jemand, der im Ganzen weder sterben noch leben will, sondern das, was ihm gegeben wird, auf ihn zugeht, was hindert ihn, ohne Furcht auf ihn zuzugehen? – Nichts. [...]
[2] Auch durch Wahnsinn kann jemand so hierauf eingestellt sein, oder durch Gewöhnung, so wie die Galiläer [d.h. die Christen]. Denn niemand kann durch Vernunft und Beweis lernen, dass Gott alles in der Welt geschaffen hat, sowie die ganze Welt, ungehindert und in sich vollkommen.

Justin der Märtyrer: Zweite Apologie (apologia minor) 12, 1

Justin (ca. 100-165) berichtet über seine Erfahrungen mit den christlichen Märtyrern
Denn auch ich selbst, der ich mich an Platons Lehren erfreute, hörte, dass die Christen verleumdet werden, sah aber, dass sie gegenüber dem Tod und allem, was als schrecklich gilt, furchtlos waren – da begriff ich, dass es unmöglich ist, dass sie in Schlechtigkeit und Selbstliebe existieren.

Laktanz: Die göttlichen Einrichtungen (Institutiones divinae) V, 13, 12-15

Laktanz vergleicht die christlichen Märtyrer mit den Philosophen
Unsere Kinder und Frauen aber, um von den Männern zu schweigen, besiegen ihre Folterer durch Schweigen, und nicht einmal das Feuer kann ihnen ein Stöhnen entlocken. [...] Sieh: das schwache Geschlecht und das zarte Alter lässt sich am ganzen Körper zerfleischen und verbrennen, nicht aus Zwang – denn sie können es vermeiden, wenn sie wollen, sondern aus Willen, weil sie Gott vertrauen. Das ist die wahre Tugend, zu deren Lob sich auch die Philosophen nicht durch die Sache, sondern durch Lehre Worte rühmen, indem sie ausführen: Nichts passt so gut zur Würde und Standhaftigkeit eines weisen Mannes, als durch keinerlei Schrecken von seinem Urteil und Vorsatz abgebracht werden zu können [...], auf dass er nicht durch Todesfurcht oder heftigen Schmerz bezwungen etwas Ungerechtes tut.