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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

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Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) I 11, 1100a 10-13

Aristoteles stellt die Frage, ob wir jemandem vor dem Tod glücklich nennen dürfen
Dürfen wir also auch sonst keinen Menschen glückselig nennen, solange er lebt, müssen wir vielmehr nach Solons Auffassung auf das Ende sehen? Aber auch wenn man diesen Satz annehmen muss, ist jemand dann auch wirklich glücklich, wenn er tot ist?

Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) I 11, 1101a 14-2

Aristoteles schlägt eine Auflösung des Dilemmas vor
Warum soll man also nicht sagen, dass derjenige glücklich ist, der im Sinne einer Tugend, die ein abschließendes Ziel ist, aktiv ist und mit äußeren Gütern hinreichend ausgestattet ist, und zwar nicht nur über irgendeine Zeitspanne hinweg, sondern während eines ganzen Lebens? Oder müssen wir hinzufügen: wer so leben und der Rede entsprechend sterben wird? Denn die Zukunft ist uns ja nicht sichtbar, aber die Glückseligkeit halten wir schlechthin und in jeder Hinsicht für etwas, das ein Ziel, d.h. ein abschließendes, ist. Wenn das zutrifft, werden wir diejenigen unter den Lebenden selig nennen können, die die erwähnten Dinge haben und künftig haben werden, selig aber als Menschen.

Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 1, 413a 3-10

Aristoteles fragt sich nach der Abtrennbarkeit der Seele
Dass aber die Seele nicht abtrennbar vom Körper ist, oder zumindest gewisse Teile von ihr, wenn sie von Natur aus Teile hat, erweist sich deutlich. [...] Indes bei einigen Teilen spricht nichts dagegen [, dass sie abtrennbar sind], weil sie von keinem Körper Entelechie sind. Ferner ist unklar, ob die Seele so Entelechie für den Körper ist wie der Schiffer für das Schiff. Dass die Seele also nicht abtrennbar vom Körper ist, oder Teile von ihr, wenn sie von Natur aus geteilt ist, ist nicht zweifelhaft. […] Allerdings hindert bei einigen [Teilen] nichts daran, weil sie keine Entelechien von irgendeinem Körper sind. Ferner ist zweifelhaft, ob die Seele so Entelechie des Körpers ist wie der Schiffer für das Schiff.

Aristoteles: Über die Seele (De anima) III 5, 430a 20-25

Aristoteles erwägt die Unvergänglichkeit des Geistes
Wissen ist dasselbe wie das Ding. Das Wissen in Möglichkeit aber ist bei einem Gegenstand der Zeit nach früher, im Ganzen aber [auch] nicht der Zeit. Er denkt ja zeitweise und denkt zeitweise nicht. Aber nur abgetrennt ist er das, was er ist, und nur dies ist unsterblich und ewig. Aber wir haben keine Erinnerung [daran], weil dies frei von Erleiden ist; der erleidensfähige Geist ist hingegen vergänglich, und ohne diesen denkt man nichts.

Chrysipp von Soloi: Fragmente Long-Sedley 46E

Chrysipp (3. Jh. v. Chr.) definiert den Tod
Denn weil der Tod die Trennung der Seele vom Körper ist, die Seele des Kosmos sich aber nicht trennt, sondern fortlaufend wächst, bis sie ihre Materie aufgebraucht hat, kann man nicht sagen, dass der Kosmos stirbt.

Sextos Empirikos: Gegen die Mathematiker (Adversus mathematicos) VII, 234

Die stoische Definition der Seele
Die Stoiker sagen nämlich, man spreche auf zweierlei Weise von Seele, nämlich von dem, was die ganze Mischung zusammenhalte, und genauerhin vom Leitvermögen. Denn wenn wir sagen, der Mensch bestehe aus Seele und Körper, oder der Tod sei eine Trennung der Seele vom Körper, dann meinen wir eigentlich das Leitvermögen.

Epiktet : Encheiridion (Enchiridion) 5a

Epiktet (2. Jh. n. Chr.) charakterisiert die Haltung des Stoikers zum Tod
Nicht die Dinge verwirren die Menschen, sondern die Ansichten über die Dinge. Zum Beispiel ist der Tod nichts Erschreckendes, denn sonst wäre er auch Sokrates so erschienen. Aber die Ansicht über den Tod, dass er erschreckend ist, sie ist das Erschreckende. Wenn wir also gehindert, verwirrt oder betrübt werden, dann wollen wir nicht mehr jemand anderen beschuldigen, sondern uns selbst, das heißt unsere Ansichten.

Lukrez (Titus Lucretius Carus): Über die Natur der Dinge (De rerum natura) III, 425-439

Lukrez
Erstens: Da ich bewiesen habe, dass die Seele ein feines Gebilde aus winzigen Körperchen ist und aus viel kleineren primären Partikeln als die feuchte Flüssigkeit des Wassers oder Nebel oder Rauch – sie überragt diese nämlich weit an Beweglichkeit und lässt sich durch den Stoß einer viel feineren Ursache in Bewegung versetzen, da sie ja schon durch die Bilder von Rauch und Nebel in Bewegung gerät, wenn wir etwa in Schlaf versunken sehen, wie Altäre ihre Hitze zum Himmel empor ausatmen und Rauch aufsteigen lassen; denn das erscheint uns zweifellos als Bilder – nun also, wenn Krüge zerspringen und du die Flüssigkeit nach allen Seiten wegfließen und die Feuchtigkeit sich verbreiten siehst und wenn Nebel und Rauch sich in die Luft verflüchtigen, dann glaube, dass auch die Seele zerfließt und viel rascher untergeht und sich schneller in die Urkörper auflöst, sobald sie von den Gliedern des Menschen einmal getrennt ist und sich von ihnen entfernt.

Lukrez (Titus Lucretius Carus): Über die Natur der Dinge (De rerum natura) III 445-462

Der römische Dichter Lukrez formuliert die epikureische Lehre vom Tod
Zweitens beobachten wir, wie der Verstand zusammen mit dem Körper geboren wird, zusammen mit ihm wächst und zusammen mit ihm altert.
[...]
Wenn von dort ein Alter mit robuster Kraft erreicht ist, ist auch ihr Urteilsvermögen größer und hat die Kraft des Geistes zugenommen. [...] Später, wenn der Körper bereits von den starken Kräften des Alters gebrochen ist und bei ermüdeten Kräften die Glieder zusammensinken, dann lahmt die Einsicht, faselt die Zunge, der Verstand; alles lässt uns im Stich und fehlt uns zur selben Zeit. Also ist es auch angemessen, dass die gesamte Natur der Seele sich wie Rauch in die Höhen der Luft auflöst. [...] Es kommt hinzu: Wir sehen, dass ebenso, wie der Körper selbst schreckliche Krankheiten und starke Schmerzen in sich aufnimmt, so auch der Geist schlimme Sorgen, Trauer und Furcht erlebt; dass er auch am Untergang teilhat, ist angemessen.

Lukrez (Titus Lucretius Carus): Über die Natur der Dinge (De rerum natura) I 110-117. 131

Lukrez
Jetzt ist nirgends ein Grund zu trotzen, nirgends Vermögen,
da man ewige Strafen im Tod ja zu fürchten gezwungen.
Weiß man doch nicht, wie beschaffen es ist, das Wesen der Seele,
ob sie geboren ist oder im Gegenteil schlüpft in Gebornes
und ob zugleich mit uns sie stirbt, im Tode zerfallen,
oder des Orkus Dunkel aufsucht und mächtige Höhlen
oder auf göttliche Art in andere Tiere sich einstiehlt,
wie unser Ennius sang [...]
muss man sehen, woraus des Lebens besteht und der Seele Wesen.

Titus Livius: Römische Geschichte (Von der Gründung der Stadt an – 142 Bücher) (Ab urbe condita libri CXLII) I 58

Der römische Historiker Livius schildert die Reaktion der Lucretia auf ihre Vergewaltigung als ein Vorbild römischer Tugend
Als (der Vergewaltiger) sah, dass sie hart blieb und sich nicht einmal durch die Gefahr des Todes beugen ließ, fügte er zur Furcht die Schande hinzu: Neben ihren Leichnam werde er einen nackten ermordeten Sklaven legen, damit man sage, sie sei in schändlichem Ehebruch getötet worden. Als die Begierde mit diesem Schrecken die standhafte Keuschheit besiegt hatte [...], sagte sie ihrem Gatten auf die Frage "Geht es Dir gut?": "Überhaupt nicht. Was ist gut an einer Frau, wenn sie die Keuschheit verloren hat? [...] Aber ansonsten ist nur der Körper verletzt, der Geist unschuldig. Das wird der Tod bezeugen. Aber versprecht mir mit Eurer Rechten, dass der Ehebrecher nicht straffrei ausgehen wird. [...] Ihr werdet sehen, was er verdient hat; ich befreie mich nicht von der Strafe, auch wenn ich frei von Schuld bin. Keine unkeusche Frau soll fürderhin nach dem Beispiel der Lucretia leben." Sie richtete das Messer, das sie unter dem Gewand verborgen hatte, auf das Herz und fiel, um zu sterben, vornübergebeugt in die Verwundung.

Plutarch von Chaironeia: Leben des Cato Uticensis (Cato minor) 70-72, gekürzt

Der Historiker und Philosoph Plutarch von Chaironeia berichtet über den Tod des jüngeren Cato, nachdem der Sieg seines Gegners Caesar unausweischlich schien
Nachdem Cato das Essen aufgelöst hatte [...] und ins Haus gegangen war [...], nahm er von den Dialogen Platons denjenigen über die Seele in die Hand [= den Phaidon]. Als er den größten Teil des Buches durchgelesen hatte, blickte er nach oben. Sobald er dort sein Schwert nicht hängen sah (während er noch aß, hatte es nämlich sein Sohn heimlich fortgenommen) [...], fragte er, wer dieses Werkzeug weggenommen hatte [...], solange bis sein weinender Sohn mit den Freunden hereinkam und, nach vorne gefallen, klagte und bettelte. [...] Aber unter Tränen gingen sie fort, und das Schwert wurde hereingebracht. [...] Als Cato sah, dass seine Spitze fest und seine Schneide scharf war, sagte er "nun gehöre ich mir selbst", legte das Schwert beiseite, las das Buch weiter und las es, wie man sagt, zweimal ganz durch. Nachdem er dann tief geschlafen hatte [...], stieß er sich das Schwert unter die Brust [...]. Aber in einem unglücklichen Sterben fiel er aus dem Bett heraus und machte Lärm. [...] Als Cato sich wieder erholte und zu sich kam, stieß er den Arzt zur Seite, riss sich mit den Händen die Gedärme heraus, öffnete die Wunde weiter und starb. [...] Als Caesar von seinem Tod erfuhr, soll er gesagt haben: "Oh Cato, ich missgönne Dir deinen Tod. Denn auch du hättest mir Deine Rettung missgönnt."

Cicero: Gespräche in Tuskulum (Tusculanae disputationes ) I 9

Cicero fasst das Denken derer zusammen, die den Tod fürchten, um sie dann zu widerlegen
Ich glaube, dass der Tod ein Übel ist. – Für die, die tot sind, oder für die, die sterben müssen? – Für beide. – Also ist er etwas Elendes, weil er ein Übel ist. – Gewiss. – Also sind sowohl die elend, denen es schon zustieß zu sterben, als auch die, denen es noch zustoßen wird. – Das glaube ich. – Also ist niemand nicht elend. – Ganz und gar niemand.

Cicero: Gespräche in Tuskulum (Tusculanae disputationes ) I 15f

Das Ziel von Ciceros Argument
Da du mich gezwungen hast zuzugestehen, dass die, die tot sind, nicht elend sind, überzeuge mich davon, wenn du kannst, nicht einmal mehr den, der sterben muss, für elend zu halten. – Dies ist gewiss keine große Sache, aber ich setze zu Größerem an. – Wie soll das keine große Sache sein? Und was ist zudem dieses Größere? – Deswegen weil, da es ja nach dem Tod kein Übel gibt, nicht einmal der Tod selbst ein Übel ist. [...] So ist es auch gewiss kein Übel, sterben zu müssen; das heißt nämlich, zu etwas gelangen zu müssen, von dem wir zugestehen, dass es kein Übel ist. – [...] Aber was ist das, wovon du sagst, dass du zu Größerem ansetzt? – Zu lehren, wenn ich kann, dass der Tod nicht nur kein Übel ist, sondern sogar ein Gut ist.

Cicero: Gespräche in Tuskulum (Tusculanae disputationes ) I 24

Der Schluss von Ciceros Diskussion darüber, ob der Tod ein Übel ist
Nach all diesen Meinungen kann nichts nach dem Tod irgendjemanden berühren. Denn zugleich mit dem Leben geht die Empfindung verloren; für jemanden, der nichts empfindet, ist aber nichts von irgendeiner Richtung von Bedeutung. Die Meinungen der übrigen bringen Hoffnung, wenn es dich eventuell erfreut, dass Seelen, nachdem sie die Körper verlassen haben, in den Himmel gleichsam als ihre Heimat gelangen können.

Cicero: Gespräche in Tuskulum (Tusculanae disputationes ) I 88

Cicero erklärt, warum Tote nichts brauchen
Dies ist genau zu prüfen, was es heißt ,zu brauchen‘, damit keinerlei Irrtum in dem Wort zurückbleibt. ,Brauchen‘ heißt also dies: das nicht besitzen, was du haben willst. [...] Auf andere Weise wird nämlich auch ,brauchen‘ gesagt, wenn du etwas nicht hast und merkst, dass du es nicht hast. [...]. (So) wird ,brauchen‘ im Tod nicht gesagt, und dies wäre daher nicht traurig. ,Etwas Gutes zu brauchen‘ wird von dem gesagt, was ein Übel ist. Aber nicht einmal ein Lebender braucht etwas Gutes, wenn er es nicht benötigt. Aber bei einem Lebenden kann man doch meinen, dass du Königsherrschaft brauchst [...], aber bei einem Toten kann man das nicht einmal meinen. Denn zu brauchen ist eine Sache von jemandem, der empfindet; aber Empfindung gibt es beim Toten nicht. Also gibt es beim Toten auch kein Brauchen.

Cicero: Cato der Ältere über das Alter (Cato maior de senectute) 66f

Cicero über die Haltung eines alten Menschen gegenüber dem Tod
Wie erbärmlich ist ein Greis, der in einem so langen Leben nicht erkannt hat, dass der Tod zu verachten ist! [...] Wer ist so dumm, selbst wenn er jung ist, dass es für ihn ausgemacht ist, dass er bis zum Abend leben wird? Dieses Alter hat doch vielmehr deutlich mehr Todesfälle als unseres: junge Leute werden leichter krank, ihre Krankheiten verlaufen schwerer, sie werden mit mehr Mühe geheilt; daher erreichen nur wenige das Greisenalter. [...] - Aber ein junger Mensch hofft doch, er werde lange leben, was ein Greis nicht ebenso hoffen kann. – Er hofft ohne Verstand. Denn was ist dümmer als, Ungewisses für gewiss zu halten, Falsches für Wahres? – Aber auch der Greis hat durchaus nicht, was er hofft. – Aber seine Lage ist insofern besser als die des jungen, als er das, was jener erhofft, bereits erlangt hat: der eine will lange leben, der andere hat lange gelebt.

Cicero: Der Staat (Cicero) (De re publica) VI 13f

Cicero über die Hoffnung des Staatsmanns nach dem Tod (Sprecher ist der im Traum erschienen ältere Scipio Africanus, Adressat sein Sohn, der jüngere Scipio Africanus)
Aber, Africanus, damit du umso eifriger darauf achtest, den Staat zu beschützen, halte dir folgendes vor Augen: Allen, die ihr Vaterland schützten, es unterstützten und vergrößerten, ist im Himmel ein Ort bestimmt, wo die Seligen die unendliche Ewigkeit genießen; nichts nämlich von dem, was auf Erden geschieht, ist dem obersten Gott angenehmer als die dem Recht gemäß erfolgten Versammlungen und Zusammenschlüsse von Menschen, die Staaten (civitates) genannt werden; deren Lenker und Erhalter, die von hier aufgebrochen sind, kehren hierhin zurück. [...] Es leben diejenigen, die aus den Fesseln der Körper wie aus einem Kerker herausgeflogen sind; hingegen ist euer sogenanntes Leben Tod.

Cicero: Der Staat (Cicero) (De re publica) VI 20. 25

Cicero über die Bedeutungslosigkeit irdischen Ruhms
Denn welche Berühmtheit in der Rede der Menschen oder welchen Erwerb von Ruhm kannst du erreichen? Du siehst: Auf der Erde wohnt man an spärlichen und engen Orten, und in diese gleichsam Flecken, an denen gewohnt wird, sind gewaltige Einsamkeiten eingestreut. [...] Wenn du daher an der Rückkehr an diesen Ort zweifelst, in der es für große und hervorragende Männer alles gibt, wieviel ist letztlich dieser Ruhm bei den Menschen wert, der sich kaum auf die knappe Zeitspanne eines einzigen Jahres erstrecken kann? Wenn du daher nach oben blicken sowie diesen Sitz und die ewige Wohnstatt betrachten solltest, dann hast du dich weder den Reden der Masse hingegeben noch die Hoffnung in deinen Angelegenheiten auf menschliche Löhne gesetzt.