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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Thema: Aristoteles

24 Zitate zu diesem Thema im Zitatenschatz:

  • Zacharias Rhetor (Scholastikos): Ammonios oder Diskussion über die Herstellung der Welt (Ammonius sive De opificio mundi disputatio) Zeile 92-110

    Der Bischof Zacharias berichtet über die Diskussionen, die er als Student in Alexandria mit seinem Lehrer, dem neuplatonischen Philosophen Ammonios, Sohn des Hermias, geführt hat.
    Einst befanden ich und einige andere der Studenten des (Philosophen) Ammonios, welche sich auf die „Physikvorlesung“ konzentrierten, im Vorlesungssaal, zur Frühlingszeit, wenn der Südwind sehr angenehm und kraftvoll weht, wenn der gewaltige Fluss gefällig mit seinen Wellen Ägypten bespült und die ägyptischen Äcker befeuchtet.

    Ammonios aber erklärte und verdeutlichte uns, so wie die Ausleger von Orakelsprüchen, die Weisheit des Aristoteles, wobei er ganz nach Sophistenart hochmütig auf einem hohen Sessel saß.
    Und als ein Wort über den Himmel vorüberfloss [...], bildete er folgende Prämisse: „Scheint der Himmel eine schöne Sache zu sein oder nicht?“ „Eine schöne“, sagte ich. [...]
    „Wenn nun, sprach dieser, der Himmel schön ist, und der Vater und Schöpfer dieses Alls gut ist, wie können die Christen behaupten, dass nicht das Schöne mit dem Guten die gesamte Ewigkeit verbunden sei?
  • Albertus Magnus: Physik (Albertus Magnus) (Physica) I 1

    Albertus Magnus über sein Projekt, die aristotelische Wissenschaft den Lateinern bekannt zu machen:
    [1] Unsere Intention in der Naturwissenschaft ist es, nach unserer Fähigkeit den Brüdern aus unserem Orden Genüge zu tun, die von uns schon seit vielen Jahren fordern, dass wir für sie ein Buch über die Physik zusammenstellen, in dem sie die Naturwissenschaft vollständig besitzen und durch das sie die Bücher des Aristoteles kompetent verstehen können. [...]
    [2] Unsere Vorgehensweise in diesem Werk wird aber darin bestehen, Aristoteles’ Anordnung und Meinung zu folgen und zu ihrer Erklärung und ihrem Beweis das zu sagen, was uns notwendig scheint, aber so, dass sein Text nicht erwähnt wird. Und außerdem werden wir Exkurse anstellen, die auftretende Probleme benennen und ergänzen. [...]
    [3] Weil es aber drei wesentliche Teile der realen Philosophie gibt – ich meine derjenigen, die nicht durch unsere Tätigkeit in unseren Werken in uns verursacht wird, so wie die Moralwissenschaft – [...], nämlich Naturphilosophie oder Physik, Metaphysik und Mathematik, ist es unsere Absicht, alle drei Teile, den Lateinern verständlich zu machen.
  • Alberich von Reims: Die Philosophie (Philosophia) S. 29. 32f. [Revue des sciences philosophiques et théologiques 68, 1984]

    Der ,Averroist’ Alberich von Reims (um 1250) über die Vorzüge der Philosophie
    [1] Drei sind es, wie Empedokles sagt, in erster Linie unter der gesamten Vielfalt der Dinge, die das großartigste Geschenk der Großzügigkeit Gottes, nämlich die Philosophie, erleuchten und erheben: die Verachtung des beweglichen Überflusses, das Streben nach der göttlichen Seligkeit und die Erleuchtung des Geistes. [...]
    [2] Denn das Sein des Menschen in seiner höchsten Vollkommenheit oder Vollständigkeit besteht darin, dass er durch die theoretischen Wissenschaften vollkommen ist, wie Averroes im Prolog [zum Kommentar] zum Achten Buch von [Aristoteles‘] Physik sagt. [...]
    [3] Nun werden wir [hierhin] durch ein natürliches Streben gezogen, wie die Göttin der Wissenschaften an ihrem Anfang darlegt: "Alle Menschen" usw. [streben von Natur aus zu wissen] (Metaphysik I 1, 980a 21). Hierzu sagt der Kommentator: "Wir haben ein natürliches Verlangen, die Wahrheit zu wissen". Zu Recht, denn, wie Aristoteles im Zehnten Buch der Nikomachischen Ethik sagt, ist der Mensch nur Intellekt (X 7, 1178a 2-7).
    [4] Dieser Intellekt wird aber, nach dem Zeugnis des genannten Averroes [...] durch die Philosophie vervollständigt. [...] Ihm stimmt Seneca zu, wenn er sagt: "Ohne Bildung" zu leben, "ist Tod und ein Begräbnis des lebenden Menschen" (Seneca, Brief 82, 3).
  • Sergios von Rēšʿaynā : Kommentar an Theodoros zu Aristoteles’ Kategorien f. 52rv = p. 168 Hugonnard-Roche, La logique d'Aristote, Paris 2004 [frz.]

    Sergios von Rēšʿaynā (gest. 536) rühmt am Anfang seiner Philosophie-Einführung Aristoteles als den Ordner aller Wissenschaften
    [1] Der Ursprung und Beginn aller Bildung war Aristoteles. [...] Denn bis zu der Zeit, zu der die Natur diesen Mann zum Existieren und Wohnen unter den Menschen gebracht hatte, waren alle Teile der Philosophie und der Bildung wie einfache Heilmittel aufgeteilt und verstreut, konfus und unwissenschaftlich bei sämtlichen Schriftstellern.
    [2] Dieser allein aber sammelte, nach Art eines weisen Arztes, sämtliche Schriften, die zerstreut waren, und setzte sie dem Handwerk und dem Intellekt gemäß zusammen und fertigte sie zu dem vollkommenen Heilmittel seiner Lehre, das die mühevollen und schweren Krankheiten des Nicht-Wissens ausreißt und entfernt aus den Seelen derer, die sich sorgfältig mit seinen Schriften befassen.
    [3] Denn ebenso wie diejenigen, die eine Statue herstellen, jedes einzelne Teil der Gestalt für sich herstellen, und so eines nach dem anderen zusammen¬setzen, wie das Handwerk erfordert, und eine vollkommene Statue machen, so kombinierte auch dieser, ordnete und passte ein, und setzte jedes einzelne Teil der Philosophie in die Ordnung, welche ihre Natur erfordert, und erstellte aus ihnen durch alle seine Schriften eine vollkommene und wunderbare Gestalt des Wissens von allem Seienden.
  • Ibn Sīnā (Avicenna): Autobiographie (vita) Autobiographie, S. 32-35

    Avicenna über sein Studium von Aristotelesʼ Metaphysik (Judentum und Islam)
    Ich las das Buch der Metaphysik, aber ich verstand nicht, was darin steht, und mir blieb das Ziel seines Verfassers dunkel, bis dass ich die Lektüre vierzigmal wiederholt hatte und es auswendig wusste, wobei ich es trotzdem nicht verstand und nicht das darin liegende Ziel. [...] Eines Tages zur Zeit des Nachmittagsgebets befand ich mich bei den Buchhändlern, als ein Makler herantrat und in seiner Hand einen Band hielt, den er zum Verkauf ausrief. Er reichte ihn mir, aber ich gab ihn angewidert zurück, weil ich meinte, dass diese Wissenschaft zu nichts nutze sei. Er aber sagte mir: „Kaufe ihn doch, sein Besitzer braucht das Geld. Er ist billig, und ich verkaufe ihn Dir für drei Dirham“. So kaufte ich ihn, und siehe da, es war das Buch von Abū Naṣr al-Fārābī Über die Ziele des Buches der Metaphysik. Ich kehrte nach Hause zurück und ging eilends an die Lektüre. Da gingen mir mit einem Male die Ziele dieses Buches auf, denn ich kannte es ja bereits auswendig. Ich freute mich darüber und gab am folgenden Tag ein reichliches Almosen für die Armen aus Dankbarkeit gegen Gott, der erhaben ist.
  • Elias aus Alexandrien : Kommentar zu den Kategorien (In Categorias commentarium) S. 119, 29-35

    Die Aufteilung der Logik nach dem Aristoteles-Kommentator Elias aus Alexandrien (nach 550)
    [1] Die Logik wird auch selbst in drei aufgeteilt, in dasjenige vor dem Beweis bzw. der Methode und in den Beweis selbst und dasjenige, was den Beweis vortäuscht.
    [2] Und dasjenige vor der Methode und dem Beweis sind die Kategorien, die Hermeneutik und die Analytica priora, die Methode des Beweises selbst lehren die Analytica posteriora, dasjenige, was den Beweis selbst vortäuscht, sind die Topik, die Rhetorischen Techniken, die Sophistischen Widerlegungen und die Poetik.
    [3] Denn es gibt fünf Arten von Syllogismen: den beweisenden, den dialektischen, den rhetorischen, den sophistischen und den poetischen.
  • Siger von Brabant: Fragen zum dritten Buch von Aristoteles’ De anima (Quaestiones in tertium De anima) nr. 2 p. 80

    Der ,Averroist‘ Siger von Brabant (ca. 1240-1284) bevorzugt Aristoteles’ Position zur Ewigkeit der Welt
    Obwohl Aristoteles’ Position [...] nicht notwendig ist, ist sie doch wahrscheinlicher als die Position des Augustinus, weil wir die Neuheit oder Ewigkeit von etwas Geschaffenen durch den Willen des Ersten nicht untersuchen können, da wir die Form seines Willens nicht denken können. Daher ist es nötig, dass wir die Neuheit oder Ewigkeit dieses Geschaffenen von seiner eigenen Natur her untersuchen [...]. Aber all das, was unmittelbar vom Ersten geschaffen wurde ..., hat nicht die eigene Natur, dass es ein neu geschaffenes Sein besitzt. Denn alles, was eine Kraft hat, durch die es in der ganzen Zukunft sein kann, hatte auch eine Kraft, durch die es in der ganzen Vergangenheit sein konnte.
  • Boethius, Anicius Manlius Severinus: Der Trost der Philosophie (Consolatio philosophiae ) V, Prosa 6, 6f. 10

    Boethius erklärt den Begriff der Ewigkeit im Gegensatz zur unendlichen Dauer
    Was also dem Modus der Zeit unterliegt, selbst wenn es, wie Aristoteles von der Welt glaubte, weder begonnen hat noch enden wird, [...] ist noch nicht so, dass es zu Recht als ewig verstanden werden kann. Denn es umfasst nicht das Ganze zugleich [...], sondern hat das Zukünftige noch nicht, das Vergangene nicht mehr. [...] Denn es ist eine Sache, durch ein unendliches Leben geführt zu werden [...], eine andere, die gesamte Gegenwart des unendlichen Lebens gleichermaßen zu umfassen, was klarerweise dem göttlichen Geist eigentümlich ist.
  • Johannes Philoponos : Kommentar zu Aristoteles’ Meteorologie (in Aristotelis Meteorologicorum librum primum comm) p. 17, 11-16

    Johannes Philoponos (ca. 500-575) wendet ein Unendlichkeits-Paradox gegen Aristoteles ein
    Wenn die Vergangenheit unendlich ist, dann wächst das Unendliche notwendigerweise, wenn das Spätere hinzukommt, und es hört nicht mehr auf zu wachsen, wenn die Zeit ins Unendliche fortschreitet. Wenn es also schon unmöglich ist, dass das Unendliche geworden ist, wie Aristoteles gezeigt hat, dann ist es noch viel unmöglicher, dass etwas Größeres und Unendlicheres entsteht.
  • Paul der Perser : Abhandlung über die Logik des Philosophen Aristoteles (Tractatus de opere logico Aristotelis philosophi) 1, 3f.; 9f.; 2, 9-23-3, 3

    Paul der Perser (6. Jhdt.) widmet Kosrau III. eine Einführung in die aristotelische Logik
    [1] „Glückseliger Kosrau, König der Könige, Bester unter den Menschen, Dich grüßt Dein Diener Paul. Die Philosophie (filosofūṯā), das wahre Wissen von allem, ist in Euch, und aus ihr, aus der Philosophie, die in Euch ist, sende ich Euch ein Geschenk. [...] Diese ist besser als alle anderen Geschenke. [...]
    [2] Es zeigt sich aber, dass die Menschen sich gegenseitig bekämpfen und ein jeder dem anderen widerspricht. Denn die einen unter ihnen sagen, es gebe nur einen Gott, andere aber, er sei nicht einzig. [...]. sagen, die Menschen seien frei in ihrem Wollen, die anderen widersprechen dem. Noch vieles dieser Art bringen sie vor und geben ihm Platz in ihren Überlieferungen, aus denen hervorgeht, dass sie einander widersprechen. [...]
    [3] Und hierüber [...] ist es für uns nicht leicht, ja sogar nicht möglich, dass wir eines bevorzugen und das andere verlassen, das eine wählen und das andere zurückweisen. [...] Deswegen wird der Gegenstand dieser Dogmen im Hinblick auf den Glauben und im Hinblick auf das Wissen (īḏaʿtā) untersucht. [...] Der eine ist nun an den Zweifel (pulāǥā) gebunden, das andere ist ohne Zweifel. Jeder Zweifel schafft Spaltung, Abwesenheit des Zweifels aber Einheit. Demnach ist das Wissen als der Glaube und eher zu wählen als dieser.
  • Ibn an-Nadīm : Fihrist S. 251, 25-28

    Ibn an-Nadīm informiert in seinem Werk al-Fihrist über die auf Arabisch erhältlichen Versionen von Aristotelesʼ Metaphysik
    Das Buch der Buchstaben (kitāb al-ẖurūf). Es informiert über das Göttliche Fragen (al-Ilahīyāt). Die Anordnung dieses Buches folgt der Anordnung der Buchstaben der Griechen, deren erster das kleine Alpha (al-alif aṣ-ṣuġrā = ἀλφά ἔλαττον [Aristoteles, Metaphysik, Buch II nach griechischer Überlieferung]) ist, den Isḥāq übersetzte. Alles, was es davon gibt, geht bis zum Buchstaben my. Diesen Buchstaben übersetzte Abū Zakarīyāʾ Yaḥyā ibn ʿAdī. Ferner liegt der Buchstabe Ny auf Griechisch vor, mit dem Kommentar des Alexander [von Aphrodisias]. Diese Buchstaben übersetzte ferner Ustāṯ für al-Kindī; und von ihm gibt es eine Nachricht hierüber. Ferner übersetzte Abū Bišr Mattā das Buch Lam mit dem Kommentar des Alexander […] ins Arabische. Ḥunain ibn Isḥāq übersetzte dieses Buch ins Syrische. Ferner kommentierte Themistios das Buch Lam, und Abū Bišr Mattā übersetzte es mit dem Kommentar des Themistios. Vorher hatte es Šamlī übersetzt. Isḥāq ibn Ḥunain übersetzte mehrere Bücher.
  • Al-Fārābī : Katalog der Wissenschaften II S. 46-50 bzw. 86-89

    Die Teile der Logik nach al-Fārābī ergeben sich, wie schon im antiken Curriculum, aus bestimmten Büchern des Aristoteles
    a) Es ergeben sich also mit Notwendigkeit acht Teile der Logik, von denen jeder sich in einem Buch befindet. Im ersten werden die Regeln der einfachen Vernunftgehalte und der sie bezeichnenden Aussagen behandelt. Und diese stehen in dem Buch, das Arabisch Kategorien und Griechisch Qategorias heißt. Im zweiten werden die Regeln der einfachen Aussagen behandelt [...]. Und diese stehen in dem Buch, das Arabisch Erklärung und Griechisch Peri Hermeneias heißt. Im dritten werden die Ausdrücke behandelt, durch die die den fünf Techniken gemeinsamen Syllogismen entstehen, und diese stehen in dem Buch, das entweder Arabisch Syllogismus oder Griechisch Erste Analytik heißt. Im vierten werden die Regeln behandelt, mit denen die beweisenden Aussagen geprüft werden, sowie die Regeln der Angelegenheiten, durch welche die Philosophie zusammengesetzt wird; und alles, was hierdurch entsteht, dessen Akte sind besser und ausgezeichneter und vollkommener; und dies heißt auf Arabisch Buch des Beweises (kitāb al-burhān) und auf Griechisch Zweite Analytik.
    b) Im fünften werden die Regeln behandelt, durch welche die dialektischen Aussagen geprüft werden, und wie die dialektische Frage und die dialektische Antwort funktioniert; und überhaupt die Regeln, durch welche die Technik der Dialektik zusammengesetzt wird, und durch diese werden ihre Akte besser, vollkommener und nützlicher. Und dies heißt auf Arabisch Buch der dialektischen Plätze und auf Griechisch Topika. Im sechsten werden [...] die Regeln der Dinge angeführt, deren Merkmal ist, von der Wahrheit wegzuführen. [...] Dieses Buch heißt auf Griechisch Sophistika, und der Sinn davon ist „täuschend“. Im siebten stehen die Regeln, durch welche die rhetorischen Aussagen geprüft und entwickelt werden. [...] Dieses Buch heißt auf Griechisch Rītorikā, d.h. Rhetorik. Im achten stehen die Regeln, durch welche die Verse entwickelt werden. [...] Und dieses Buch heißt Griechisch Poetik.
  • Al-Fārābī : Buch der Buchstaben N.N

    Al-Fārābī über die Ziele von Aristotelesʼ Metaphysik
    Viele Leute haben die vorgefasste Meinung, dass der eigentliche Sinn und Inhalt dieser Schrift der sei, dass in ihr die Lehre von dem Schöpfer, dem Intellekt, der Seele und dem darauf Bezüglichen behandelt würde; ferner, dass die Wissenschaft von der Metaphysik (ʿilm mā baʿd at-tabīʿa) und die von der Einheit Gottes (ʿilm at-tawḥīd) ein und dasselbe sei. [...] Wir behaupten nun, dass ein Teil der Wissenschaften partikulär, ein anderer Teil derselben aber universal sei. [...] Die universale Wissenschaft betrachtet nun das, was allem Existierenden gemeinsam ist, wie die Existenz (wuǧūd) und die Einheit (waḥda), und zwar in ihren Arten und Eigenschaften.
  • Averroes : Großer Kommentar zu Aristoteles‘ De anima III Abschnitt 5

    Averroes über die notwendige Universalität des Intellekts
    Da nun dies die Definition des materialen Intellekts ist, ist offensichtlich, dass er sich Aristoteles zufolge darin von der ersten Materie unterscheidet, dass er potentiell alle Intentionen der universellen materiellen Formen ist, während die erste Materie potentiell alle konkreten wahrnehmbaren Formen ist, die sie nicht erkennt und nicht erfasst. Der Grund, aus dem diese Natur unterscheidet und erkennt, die erste Materie dagegen weder erkennt noch unterscheidet, ist der, dass die erste Materie unterschiedliche Formen aufnimmt, nämlich individuelle und konkrete, jene dagegen universale aufnimmt. Und daher wird klar, dass diese Natur nichts Konkretes ist, weder ein Körper noch ein Vermögen in einem Körper, denn wenn es so wäre, würde sie die Formen aufnehmen, insofern sie geteilt und konkret sind. Und wenn das der Fall wäre, dann wären die Formen, die in ihr existieren, [nur] potentielle Denkobjekte.
  • Averroes : Großer Kommentar zu Aristoteles‘ De anima III Abschnitt 5, S. 411f.

    Averroes über den Vorteil der Theorie der Universalität des Intellekts
    Wenn das gedachte Objekt bei mir und bei dir in jeder Hinsicht eines wäre, ergäbe sich folgende Konsequenz: Wenn ich irgendein Denkobjekt wüsste, dann wüsstest du es auch – und viele andere Unmöglichkeiten. Wenn wir aber annähmen, es [= das Gedachte] sei vieles, dann wäre die Konsequenz, dass das gedachte Objekt bei mir und bei dir der Art nach eine, dem Individuum nach aber zwei wäre. So hätte das gedachte Objekt ein [weiteres] gedachtes Objekt, und so ginge es fort bis ins Unendliche. Es wäre dann unmöglich, dass ein Schüler vom Lehrer lernt, es sei denn, das Wissen, das im Lehrer ist, sei ein Vermögen, welches das Wissen, das im Schüler ist, erzeugt und erschafft – auf die Weise wie das konkrete Feuer ein anderes ihm der Art nach ähnliches Feuer erzeugt – was unmöglich ist. [...] Wenn wir daher annehmen, das gedachte Objekt, das bei mir und bei dir ist, sei vieles in dem Subjekt, dem gemäß es wahr ist, nämlich als vorgestellte Formen, und eines in dem Subjekt, durch das es Intellekt ist (und das ist der materielle), werden diese Fragen vollkommen gelöst.
  • Al-Fārābī : Die Harmonie zwischen Platon und Aristoteles philosophische Abhandlungen, Leiden 1892, S. 2

    Der arabische Philosoph Abū Naṣr al-Fārābī (ca. 870-950, Autorschaft umstritten) sieht Platon und Aristoteles als Begründer der Philosophie
    Jene beiden Weisen haben nun die Philosophie begründet, ihre Anfangsgründe und Prinzipien errichtet, und auch die Ausläufer und Verzweigungen derselben vollständig dargestellt. Auf ihnen beiden beruht das Vertrauen im Großen und Kleinen, und man nimmt zu ihnen bei Wichtigem und Unwichtigem seine Zuflucht. Nur was in einem Wissenszweige von ihnen ausging, das ist eine Grundlage, auf die man sich deshalb stützen kann, weil sie von jedem Flecken und Schmutz frei ist.
  • Brecht, Bertolt: Leben des Galilei 4. Szene

    Bertolt Brecht stellt die Anerkennung des neuzeitlichen Weltbildes als Problem der Aristoteles-Rezeption dar
    Der Philosoph: Das Weltbild des göttlichen Aristoteles mit seinen mystisch musizierenden Sphären und kristallenen Gewölben und den Kreisläufen seiner Himmelskörper und dem Schiefenwinkel der Sonnenbahn und den Geheimnissen der Satellitentafeln und dem Sternenreichtum des Katalogs der südlichen Halbkugel und der erleuchteten Konstruktion des celestialen Globus ist ein Gebäude von solcher Ordnung und Schönheit, dass wir wohl zögern sollten, diese Harmonie zu stören. […]
    Galilei: Ich stelle mein Fernrohr zur Verfügung, dass man sich überzeugen kann, und man zitiert Aristoteles. Der Mann hatte kein Fernrohr! […]
    Der Philosoph: Wenn hier Aristoteles in den Kot gezogen werden soll, eine Autorität, welche nicht nur die gesamte Wissenschaft der Antike, sondern auch die Hohen Kirchenväter selbst anerkannten, so scheint jedenfalls mir eine Fortsetzung der Diskussion überflüssig. Unsachliche Diskussionen lehne ich ab. Basta.
  • Elias aus Alexandrien : Kommentar zu den Kategorien (In Categorias commentarium) Elias aus Alexandrien : Kommentar zu den Kategorien / In Categorias commentatrium S. 122, 25-123

    Der Aristoteles-Kommentator (6./7. Jhdt.) betont die Verpflichtung des Auslegers auf die Wahrheit
    Der Ausleger soll zugleich Ausleger und Wissender sein. […] Er darf sich nicht entsprechend den Texten, die er auslegt, verändern, so wie Schauspieler auf der Bühne verschiedene Rollen annehmen, weil sie verschiedene Charaktere darzustellen haben, d.h. wenn er Aristoteles’ Werke auslegt, darf er kein Aristoteliker werden und sagen, dass es nie einen so großen Philosophen gegeben habe, und wenn er Platonisches auslegt, darf er nicht Platoniker werden und sagen, dass es nie einen Philosophen vom Range Platons gegeben habe […], sondern überall soll er sagen: ,Ein Freund ist mir der Mann, ein Freund auch die Wahrheit, von beiden gegebenen Freunden ist mir die Wahrheit lieber.
  • Al-Fārābī : Die Harmonie zwischen Platon und Aristoteles S. 4-6

    Abū Naṣr al-Fārābī (?) betont die Relevanz der Übereinstimmung von Platon und Aristoteles
    Weil nun aber der mit Vernunft Begabte ein Ding nach dem anderen […] sich vorstellt, wegen des Ähnelns der Kennzeichen, durch das man auf den Zustand des Dings hingeführt wird, so ist es nötig, dass viele verschiedene Denker übereinstimmen. So oft dies aber der Fall ist, gibt es keinen stärkeren Beweis und keine größere Gewissheit als diese. […] Nun finden wir, dass die unterschiedlichen Ansichten in der Voranstellung dieser beiden Philosophen übereinstimmen. […] Da sich dies nun so verhält, bleibt nur übrig, dass in der Erkenntnis derer, die von jenen beiden meinen, es herrsche zwischen beiden in den Grundlehren ein Widerspruch, ein Fehler liege.
  • Natorp, Paul: Platons Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus S. 388f

    Der Neukantianer Paul Natorp (1854-1924) betont den Unterschied von Platon und Aristoteles
    a) Man schließe also in den Begriff der genetischen Ansicht von der Erkenntnis das Merkmal ein, daß der Gegenstand für unsre Erkenntnis stets im Werden [...] ist, in dem Begriff der abstraktiven Ansicht das diesem entgegengesetzte Merkmal, daß das gegebene Sein durch Abstraktion an sich erschöpfbar gedacht wird. [...]
    b) Daß nun PLATOS Ansicht die genetische ist, hat in seiner Deutung der Erkenntnis [...] als Bestimmung eines Unbestimmten [...] einen Ausdruck von kaum zu überbietender Deutlichkeit gefunden. Aber ebenso entschieden [...] behauptet ARISTOTELES durchweg die abstraktive Ansicht. Nur von ihr aus [...] beurteilt er PLATO. [...] Daher kann er gar nicht anders, als sich an ihm ärgern, und durch [...] die verschlungenen Gänge seiner Fundamentalphilosophie hindurch ihn verfolgen in einem harten, mitunter höhnenden Ton, bis nahe an die Grenzen des einfachen Schimpfens. [...]
    c) Das ist weniger zu verwundern als das Andre: daß man [...] fortfahren konnte, ARISTOTELES als den berufenen Nachfolger PLATOS [...] darzustellen. Dagegen, glaube ich, würden beide Philosophen gleich entschiedene Verwahrung eingelegt haben.
  • Wilhelm von Ockham: Dialog (Dialogus) III 1, 2, c. 6

    Wilhelm von Ockham (ca. 1285-1347) erläutert Aristoteles‘ Konzept der Monarchie
    [1] ,Eine königliche Alleinherrschaft‘ ist nach Aristoteles, Nikomachische Ethik VIII, die beste [Verfassung] gemäß der Art und Weise von ihm [dem Herrscher] selbst [...] [d.h.], wenn jemand in einem Königreich nicht gemäß einem Gesetz, sondern gemäß seinem Willen regiert und herrscht [...], der wegen des Gemeinwohls aller herrscht und von keinen menschlichen, rein positiven Gesetzen oder Gewohnheiten gebunden ist, sondern über derartigen Gesetzen steht, wenn er auch an die natürlichen Gesetze gebunden ist. [...] Er unterscheidet sich aber von einer despotischen Herrschaft, weil die despotische Herrschaft primär auf das eigene Wohl des Herrschenden gerichtet ist.
    [2] Aber jemand, der in einer vorher beschriebenen königlichen Herschaft herrscht, kann die Untertanen und ihre Güter nicht gebrauchen, wie es ihm nur beliebt. [...] Und daher sind sie keine Knechte von ihm, sondern erfreuen sich der natürlichen Freiheit, denn zur natürlichen Freiheit gehört es, dass man keine Freien für den Nutzen des Benutzers gebrauchen kann. Aber es widerspricht der natürlichen Freiheit nicht, dass jemand die Freien vernunftgestützt für das Gemeinwohl gebraucht, denn jeder ist verpflichtet, das Gemeinwohl dem privaten vorzuziehen.
  • Al-Fārābī : Die Ziele des Buches der Metaphysik 35, 8-10. 21; 36, 8f.

    Al-Fārābī (870-950) über die Ziele von Aristotelesʼ Metaphysik
    Viele Leute haben die vorgefasste Meinung, dass der eigentliche Sinn und Inhalt dieser Schrift der sei, dass in ihr die Lehre von dem Schöpfer, dem Intellekt, der Seele und dem darauf Bezüglichen behandelt würde; ferner, dass die Wissenschaft von der Metaphysik (‘ilmmā ba‘d at-tabī‘a) und die von der Einheit Gottes (‘ilm at-tawḥīd) ein und dasselbe sei. [...] Wir behaupten nun, dass ein Teil der Wissenschaften partikulär, ein anderer Teil derselben aber universal sei. [...] Die universale Wissenschaft betrachtet nun das, was allem Existierenden gemeinsam ist, wie die Existenz (wuǧūd) und die Einheit (waḥda) sowie seine Arten und Eigenschaften.
  • Averroes : Kommentar zu Aristoteles’ Physik (In Aristotelis Physicam commentarium) N.N.

    Der arabische Aristoteliker Ibn Rušd/Averroes fasst in seinem Kommentar zur aristotelischen Physik, der ins Lateinische übersetzt wurde, noch einmal das aristotelische Curriculum zusammen
    Der Nutzen dieses Buchs ist ein Teil des Nutzens der theoretischen Wissenschaft: und in der Wissenschaft, welche die willentlichen Handlungen betrachtet, wurde erklärt, dass das Sein des Menschen gemäß seiner letzten Vervollkommnung und seine vollkommene Substanz ist, dass er durch die theoretische Wissenschaft vervollkommnet wird; und diese Haltung ist für ihn die letzte Glückseligkeit und das ewige Leben. [...] Und Alexander erklärte im Prooem zu diesem Buch, wie die Wissenschaft von diesen Tugenden auf die theoretische Wissenschaft folgt. [...] Das Verhältnis dieses Buches zu allen theoretischen Wissenschaften, nämlich der Vergleich der Wissenschaft von der Natur, entspricht dem Verhältnis eines Teils zum Ganzen: denn die Wissenschaften sind auf zweierlei Weise: eine wird wegen der Übung aufgezählt, wie die Mathematik, die andere wegen der Vervollkommnung, deretwegen diese ist, und dies ist die Wissenschaft von der Natur und die göttliche [Wissenschaft].
  • Severos von Antiochien : Epistulae mutuae 3/3, a.D. 515/520

    Eine Diskussion des miaphysitischen Patriarchen Severos von Antiochien (ca. 456-538) mit dem Grammatiker Sergios über das Ansehen und die Lehren des Aristoteles
    [1] [Sergios an Severos]: „Und ich bitte, o Vater, dass Du die Exaktheit der Philosophen erträgst, auch wenn sie nicht von unserem Hofe stammen, verdeutlichen sie uns oft die Erklärung. Von diesen Philosophen sagte Aristoteles, der „νοῦς“ genannt wird, als er ein Beispiel für die οὐσία gab, an einer Stelle die folgenden Worte“. [...]
    [2] [Severos an Sergios]: „Du [...] führst stellst, gleichsam von unzugänglichen Orten, den Aristoteles ins Feld. [...] Wisse, ja wisse ganz klar, dass Gregor der Theologie [i.e. von Nazianz], der die Meinungen der Philosophen genau erforscht hat [...] und nicht wie wir Einiges vom Hörensagen sagt, eine Verdammung über die Meinung des Aristoteles ausspricht, dass Aristoteles die Seele des Menschen als sterblich einführt, auch wenn die, die Aristotelisches betreiben [...] sich erdreisten, seine üble Meinung zu verbergen. [...]
    [3] Weil Du nun geschrieben hast: ,Die Exaktheiten der Philosophen verdeutlichen uns, auch wenn sie nicht von unserem Hofe stammen, die Erklärungen der Worte‘, erkenne selbst, dass Du dies außerhalb des Gesetzes der Kirche geschrieben hast. Denn keiner der Lehrer der Theologie sagte: ,Die äußere Philosophie machen wir in den Lehren zur Leitgestalt für die Zeichen und der Worte‘, sondern ganz im Gegenteil, sagen sie: Wie eine Magd nehmen wir sie auf."