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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

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Abaelard, Peter: Ja und Nein (Sic et Non) Anfang des Prologs

Peter Abaelard (1079-1142) über Probleme und Prinzipien der Texthermeneutik
Bei einer so großen Fülle von Worten erscheinen einige Aussagen, auch von Heiligen, nicht nur voneinander verschieden, sondern sogar einander entgegengesetzt. Trotzdem dürfen wir nicht leichtfertig über die richten, durch die selbst die Welt gerichtet werden soll, wie geschrieben steht: "Die Heiligen werden über die Völker richten" (Weisheit 3, 8). [...] Wir sollen daher unsere eigene Schwachheit bedenken und eher glauben, dass uns die Gnade beim Verstehen fehle, als dass sie ihnen beim Schreiben gefehlt habe. [...] Was ist also daran erstaunlich, wenn uns in Abwesenheit des Heiligen Geistes, durch den dies geschrieben und diktiert wurde [...], uns das Verständnis hiervon fehlt?

Thomas von Aquin: Die Einheit des Intellekts gegen die Averroisten (De unitate intellectus contra Averroistas) § 266f

Thomas von Aquin behauptet in der Auseinandersetzung mit den sogenannten Averroisten, diese nähmen eine doppelte Wahrheit an:
Es ist jedoch größerer Verwunderung oder sogar Entrüstung würdig, dass jemand, der sich als Christ bezeichnet, [...] sagt: „Dies ist das Argument, durch welches die Katholiken ihre Ansicht besitzen“, womit der die Lehre des Glaubens eine Ansicht nennt. [...] Noch schwerwiegender aber ist, was er später sagt: „durch die Vernunft folgere ich notwendig, dass der Intellekt der Zahl nach einer ist; das Gegenteil halte ich aber standhaft durch den Glauben fest“. Also meint er, dass sich der Glaube auf einiges richte, dessen Gegenteil notwendig erschlossen werden kann. Weil aber nur etwas notwendig Wahres notwendig erschlossen werden kann, dessen Gegenteil etwas unmögliches Falsches ist, folgt aus seinem Wort, dass sich der Glaube auf etwas unmögliches Falsches richtet, was auch Gott nicht herstellen kann – dies können die Ohren der Gläubigen nicht ertragen.

Boethius, Anicius Manlius Severinus: Zweiter Kommentar zu Porphyrios’ Eisagoge Kap. 2.; CSEL 38, 138f

Boethius über die Notwendigkeit der Logik für die Philosophie
Es sind zweierlei Dinge, auf welche die Kraft der schlussfolgernden Seele alle Mühe aufwendet, nämlich das eine, dass sie mit einer sicheren untersuchenden Vernunft die Naturen der Dinge erkennt, das zweite aber, dass sie zunächst zur Wissenschaft gelangt. [...] Nicht alles nämlich, was der sprachliche Diskurs erfunden hat, das steht auch von Natur aus fest. Daher mussten sich die täuschen, die die Natur der Dinge ohne Beachtung der Wissenschaft über die Erörterung untersuchten. Denn wenn jemand nicht zuerst zur Wissenschaft darüber gelangt, welche Schlussfolgerung einen wahren Pfad der Erörterung einhält, und erkennt, welche vertrauenswürdig und welche verdächtig sein kann, kann die unverfälschte Wahrheit der Dinge durch Schlussfolgern nicht gefunden werden.

Elias aus Alexandrien : Kommentar zu den Kategorien (In Categorias commentarium) S. 119, 29-35

Die Aufteilung der Logik nach dem Aristoteles-Kommentator Elias aus Alexandrien (nach 550)
[1] Die Logik wird auch selbst in drei aufgeteilt, in dasjenige vor dem Beweis bzw. der Methode und in den Beweis selbst und dasjenige, was den Beweis vortäuscht.
[2] Und dasjenige vor der Methode und dem Beweis sind die Kategorien, die Hermeneutik und die Analytica priora, die Methode des Beweises selbst lehren die Analytica posteriora, dasjenige, was den Beweis selbst vortäuscht, sind die Topik, die Rhetorischen Techniken, die Sophistischen Widerlegungen und die Poetik.
[3] Denn es gibt fünf Arten von Syllogismen: den beweisenden, den dialektischen, den rhetorischen, den sophistischen und den poetischen.

Abaelard, Peter: Logica ,Ingredientibus‘ zur Eisagoge S. 2

Peter Abaelard (1079-1142) über den Aufbau der Logik
Beim Schreiben einer Logik ist die folgende Anordnung notwendig: Weil Argumentationen aus Aussagesätzen bestehen und Aussagesätze aus Aussagen, muss der, der auf vollkommene Weise eine Logik schreibt, zuerst über einfache Aussagen, dann über Aussagesätze schreiben und zuletzt bei den Argumentationen das Ziel der Logik vollenden.

Wilhelm von Ockham: Summe der Logik (Summa logicae) Vorwort

Wilhelm von Ockham über den Aufbau der Logik
Zur Verfolgung der Geschlossenheit der logischen Untersuchung ist von den Termini als vom Frühesten der Anfang zu nehmen, dann wird die Untersuchung von den Aussagesätzen, schließlich die von den Syllogismen und anderen Gattungen der Argumentation folgen.

Abaelard, Peter: Leidensgeschichte (Historia calamitatum) S. 65f

Peter Abaelard über die Kernpunkte des Universalienstreits
Als ich damals zu Wilhelm von Champeaux zurückgekehrt war [...], zwang ich ihn im Rahmen anderer Streitgespräche mit vollkommen überzeugenden Argumenten, seine alte Auffassung über die Universalien zu ändern, ja sogar zu widerlegen. Diese These zur Allgemeinheit der Universalien besagte, dass eine im Wesen identische Sache ganz und zugleich allen ihr zugehörigen Einzeldingen innewohne, zwischen denen es keinen Unterschied im Wesen, sondern nur eine Variation in der Menge der Akzidenzien gebe. Er hat diese seine These dahingehend korrigiert, dass er nicht mehr von einer ,im Wesen‘ identischen Sache, sondern von einer ,indifferent‘ identischen Sache sprach. Und weil bei den Dialektikern das Universalienproblem [...] immer herausragend ist [...], ist deswegen, weil er diese These korrigierte, seine Vorlesung auf eine solche Missachtung gestoßen, dass er Schwierigkeiten hatte, zu den übrigen Gebieten der Logik zugelassen zu werden.

Porphyrios von Tyros : Eisagoge S. 1, 10-15

Porphyrios von Tyros enthält sich des Urteils über die Universalien
Jetzt aber werde ich in Bezug auf die Gattungen und Arten darauf verzichten zu sagen, ob sie vorhanden sind, sei es dass sie nur in bloßen geistigen Auffassungen gegeben sind, sei es dass sie auch vorhandene Körper sind oder unkörperlich, ferner ob sie abtrennbar oder in den sinnlich wahrnehmbaren Dingen oder in Bezug auf sie vorhanden sind. Dieses Thema ist sehr tiefgehend und bedarf einer anderen, größeren Untersuchung.

Wilhelm von Ockham: Summe der Logik (Summa logicae) Opera philosophica I p. 7f

Wilhelm von Ockham über das Verhältnis sprachlicher und nichtsprachlicher Zeichen:
Ich sage aber nicht deswegen, gesprochene Worte seien Zeichen [...], weil die gesprochenen Worte die Konzepte der Seele in erster Linie und eigentlich repräsentieren würden, sondern weil die gesprochenen Worte eingesetzt werden, um genau dasselbe zu bezeichnen, was durch die Konzepte des Geistes bezeichnet wird. Das geschieht so, dass ein Konzept etwas von Natur aus in erster Linie bezeichnet und in zweiter Linie das gesprochene Wort eben dasselbe bezeichnet.

Walter Burley : Die Reinheit der Kunst der Logik (De puritate artis logicae) I 3

Walter Burley vertritt gegen Ockham die allgemeine Bedeutung bestimmter Substantive
Das Substantiv ,Mensch‘ bezeichnet etwas in erster Linie, und es bezeichnet in erster Linie weder Sokrates noch Platon. Denn jemand, der dieses gesprochene Wort hören würde und wüsste, was durch dieses gesprochene Wort bezeichnet werden soll, der würde bestimmt und unterschieden Sokrates erkennen – was falsch ist. Also bezeichnet dieses Substantiv ,Mensch‘ nicht in erster Linie etwas Einzelnes; also bezeichnet es etwas Allgemeines; und dieses Allgemeine ist eine Art.

Wilhelm von Ockham: Kommentar zu Aristoteles’ Hermeneutik Prolog, nr. 26

Wilhelm von Ockham präsentiert seine Fictum-Theorie über Allgemeinbegriffe:
Eine Erkenntnis, die etwas Einzelnes erfasst, bildet etwas ähnliches Einzelnes nach. Dieses so nachgebildete Einzelne existiert nirgendwo real, nicht mehr als eine Burg, die ein Künstler nachbildet, real existiert, bevor er sie herstellt. Und aus diesem Grund kann es in einem Aussagesatz für ein Ding supponieren.

Wilhelm von Ockham: Summe der Logik (Summa logicae) I 15, Opera philosophica I p. 53

Wilhelm von Ockham präsentiert seine Qualitas-mentis-Theorie der Universalien
Jedes Universale [...] ist nichts anderes als ein Erkenntnisakt. Die Erkenntnis, durch die ich einen Menschen erkenne, ist ein natürliches Zeichen für Menschen, ebenso natürlich, wie das Seufzen ein Zeichen für Schwäche, Trauer oder Schmerz ist. Und es ist ein solches Zeichen, das in mentalen Aussagesätzen für Menschen stehen kann.

Abaelard, Peter: Theologia ,Scholarium‘ (Theologia ,Scholarium‘) II, 84f.

Peter Abaelard über die Frage, warum man eigentlich nicht über Gott sprechen kann<br />
Dass jede Rede von Menschen weitestgehend an die Naturen der Geschöpfe angepasst ist, wird auch besonders anhand desjenigen Teils eines Satzes deutlich, ohne den nicht gesagt werden kann, dass eine Vollständigkeit des Satzes besteht, aus dem nämlich, der ,Verb‘ genannt wird. Denn dieser Ausdruck dient zur Bezeichnung der Zeit, die von der Welt aus begonnen hat. Wenn wir daher die Bedeutung dieses Teils beachten, wird durch ihn notwendig der Sinn einer jeden Wortverbindung in den Bereich der Zeit hineingezwungen [...]. Wenn wir daher sagen, dass Gott früher ist als die Welt oder vor den Zeiten existiert hat, welcher Sinn vom Vorhergehen Gottes und dem Nachfolgen von diesen kann wahrhaft in diesen Worten sein [...]? Es ist daher nötig, wenn wir irgendwelche Ausdrücke auf die einzigartige Natur Gottes übertragen, dass diese eine gewisse einzigartige Bedeutung oder auch Wortverbindung an sich ziehen und durch das, was alles übersteigt, auch notwendig die eigene Einsetzung übersteigen.

Nikolaus von Kues: Über die gelehrte Unwissenheit (De docta ignorantia) I 10 nr. 87. 89

Nikolaus von Kues über die Methodik negativer Theologie
Die heilige Unwissenheit hat uns gelehrt, dass Gott unaussagbar ist, und zwar weil er unendlich größer ist als alles, was sich benennen lässt [...]. Daraus erhellt, dass in theologischen Angelegenheiten Verneinungen wahr und Bejahungen unzureichend sind. Trotzdem sind die negativen Aussagen umso wahrer, je mehr sie Unvollkommenheiten vom Allervollkommensten entfernen, so wie es wahrer ist, dass Gott kein Stein ist, als dass er kein Leben oder kein Denken ist [...]. Bei den bejahenden Aussagen gilt das Umgekehrte. Denn die Aussage, die von Gott Denken und Leben bejaht, ist wahrer als die, die ihn Erde, Stein oder Körper nennt.

Anselm von Canterbury: Warum Gott Mensch geworden ist (Cur Deus homo?) I 4

Anselm von Canterbury über die Aufgabe, notwendige Argumente für den Glauben zu finden
Wenn es nichts Festes gibt, scheint dies den Ungläubigen nicht als Erklärung zu dafür genügen, warum wir glauben müssen, Gott habe das, was wir sagen, erleiden wollen. [...] Also ist die vernünftige Festigkeit der Wahrheit zu zeigen, d.h. die Notwendigkeit, die beweist, dass Gott sich zu dem, was wir predigen, erniedrigen musste oder konnte.

Abaelard, Peter: Theologia ,Scholarium‘ (Theologia ,Scholarium‘) III 15

Peter Abaelard wendet sich mit wahrscheinlichen Argumenten an seine Zuhörer
Damit sind, denke ich, genug Gründe angeführt, um die ausgezeichnete Einzigkeit der Gottheit darzulegen. Ich meine, ihnen wird auch leicht jeder Gute zustimmen, der ohne Neid auf jemand die größte Freude an der Empfehlung aller Dinge hat. Wir stützen uns aber eher auf moralisch einleuchtende als auf notwendige Gründe, weil bei den Guten immer das vorzüglich festgehalten wird, das mehr aus moralischem Einleuchten empfohlen wird, und der Vernunftgrund immer stärker ist, der eher zur moralischen Einsicht als zur Notwendigkeit neigt, zumal das, was moralisch einleuchtend ist, durch sich selbst gefällt und uns sofort mit einer bestimmten, ihm eigenen Kraft zu sich hinzieht.

Anselm von Canterbury: Proslogion (Proslogion) II

Anselm von Canterburys ontologischer Gottesbeweis
Der Tor sprach in seinem Herzen: Es gibt Gott nicht‘ (Psalm 13, 1). [...] Auch der Tor ist davon überzeugt, dass es im Denken etwas gibt, im Vergleich zu dem nichts Größeres erdacht werden kann. Denn, wenn er dies hört, denkt er es, und was er denkt, ist im Denken. Nun kann das, im Vergleich zu dem nichts Größeres erdacht werden kann, nicht nur im Denken existieren. Denn wenn es nur im Denken ist, dann kann erdacht werden, es sei zusätzlich in der Wirklichkeit, was größer ist. Wenn also das, im Vergleich zudem nichts Größeres erdacht werden kann, nur im Denken existiert, so ist das, im Vergleich zu dem nichts Größeres erdacht werden kann‘, etwas, im Vergleich wozu sehr wohl etwas Größeres erdacht werden kann. Aber das kann gewiss nicht sein. Also existiert ohne Zweifel etwas, im Vergleich zu dem nichts Größeres gedacht werden kann, sowohl im Denken als auch in der Wirklichkeit.

Abaelard, Peter: Theologia ,Scholarium‘ (Theologia ,Scholarium‘) III 8

Peter Abaelards wahrscheinliches Argument für Gottes Existenz
Es steht fest, dass das, das von sich selbst her ist, von Natur aus würdiger ist als das, was von einem anderen her ist. Und es besteht keine Diskussion darüber, dass alles, was zu Vernunft und Verständnis fähig ist, über alle anderen hervorragt. [...] Es steht aber fest, dass der Mensch, obwohl er vernünftig ist, keineswegs zur eigenen Leitung fähig ist, da er nicht vermag, sich selbst im Meer dieses Lebens so zu leiten, wie er will. Noch viel weniger ist es also angemessen, dass das eigener Leitung anvertraut ist, was mit Sicherheit keine Vernunft hat, mit der es sich leiten könnte. Das aber ist die Welt [...]. Und ich denke, dass durch diese oder ähnliche Vernunftgründe deutlich ist, dass alles, was in der Welt ist, einen Schöpfer oder Leiter hat. Den nennen wir Gott.

Thomas von Aquin: Summa theologiae I (Summa theologiae) I 2, 3

Thomas von Aquin (1225-1274) über die fünf Wege, Gott zu beweisen (der zweite Weg)<br /> Thomas von Aquins zweiter Weg (um 1265) beweist Gott aus der Endlichkeit der Wirkursachen (Gott und die Welt)
[1] Dass es Gott gibt, kann auf fünf Wegen bewiesen werden. [...]
[2] Der zweite Weg ergibt sich aus dem Konzept der Wirkursache. Denn wir finden, dass es in den sinnlich wahrnehmbaren Dingen eine Ordnung von Wirkursachen gibt. Aber wird nicht gefunden und ist auch nicht möglich, dass etwas die Wirkursache seiner selbst ist. Denn das wäre es früher als es selbst, und das ist unmöglich. [...] Wenn es nichts Erstes bei den Wirkursachen gibt, wird es auch nichts letztes und nichts Mittleres geben. Aber wenn in den Wirkursachen ins Unendliche gegangen wird, wird es keine erste Wirkursache geben. Und so wird es keine letzte Wirkung geben, mittlere Wirkursachen. Was offensichtlich falsch ist. [...].