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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

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Thomas von Aquin: Summa theologiae I-II (Summa theologiae) I-II 1, 7 resp. und ad 1

Thomas von Aquin über die Notwendigkeit des Strebens zum letzten Ziel
[1] Vom letzten Ziel können wir auf zweierlei Weise sprechen: Auf die eine Weise gemäß dem Gehalt des letzten Ziels, auf die andere Weise gemäß dem, worin der Gehalt des letzten Ziels gefunden wird.
[2] Im Hinblick auf den Gehalt des letzten Ziels stimmen nun alle im Streben auf das letzte Ziel hin überein, weil alle danach streben, dass ihre Vervollkommnung erfüllt wird [...].
[3] Aber im Hinblick auf das, worin dieser Gehalt gefunden wird, stimmen nicht alle Menschen im letzten Ziel überein. Denn manche Menschen erstreben Reichtum als vollendetes Gut [...]. Die, die sündigen, wenden sich von dem ab, worin wahrhaft der Gehalt des letzten Ziels gefunden wird, aber nicht von der Intention auf das Ziel hin, die sie zu Unrecht in anderen Dingen suchen.

Duns Scotus, Johannes: Ordinatio (Ordinatio) IV d. 49 q. 10 nr. 10 (473-475)

Johannes Duns Scotus über die Freiheit des Willens
[1] Der Wille ist in Bezug auf jeden beliebigen Akt frei und wird von keinem Objekt genötigt. Trotzdem kann der Wille die Glückseligkeit weder nicht wollen noch hassen noch auch das Elend wollen. [...] Aber hieraus folgt nicht, dass er die Glückseligkeit notwendig will. [...]
[2] Welchen Akt wird er also in Bezug auf die Glückseligkeit haben, wenn sie ihm vom Intellekt dargeboten wird? Ich sage, dass er meistens einen Willensakt, aber nicht notwendigerweise überhaupt irgendeinen Akt, sondern er kann sich angesichts der Darbietung von Glückseligkeit von jedem Akt zurückhalten. [...]
[3] Daher kann der Wille jedes beliebige Objekt wollen und nicht wollen und kann sich von jedem beliebigen Einzelakt zurückhalten. Und das kann ein jeder in sich selbst erfahren: Wenn ihm jemand irgendein Gut anbietet [...], kann er sich hiervon abwenden und keinen Willensakt hierzu hervorbringen.

Thomas von Aquin: Summa theologiae I-II (Summa theologiae) I-II 8, 1 resp. und ad 1

Thomas von Aquins Definition des Willens als rationales Streben
Der Wille ist ein bestimmtes rationales Streben; jedes Streben aber richtet sich auf nichts anderes als auf ein Gut. [...] Das intellektive oder rationale Streben, das ,Wille‘ genannt wird, folgt einer aufgefassten Form. [...] Also ist dafür, dass der Wille sich auf etwas richtet, nicht erforderlich, dass dies ein Gut in der Wahrheit der Dinge sei, sondern dass es unter dem Gehalt ,gut‘ aufgefasst wird. [...] Der Wille verhält sich also sowohl zum Guten als auch zum Schlechten, aber zum Guten, indem es dieses anstrebt, zum Schlechten, indem er dieses meidet.

Duns Scotus, Johannes: Autorisierte Mitschrift der Pariser Vorlesung (Reportatio Parisiensis examinata) Buch I, 39.-40. Distinktion, nr. 31 - 33

Der Franziskaner Johannes Duns Scotus (ca. 1265-1308) fragt nach der Ursache der Kontingenz in der Welt und begründet, dass auch der göttliche Wille ähnlich frei sein muss wie der menschliche
Vorausgesetzt also, dass es Kontingenz in den Dingen gibt, so ist zweitens zu prüfen, wo der erste Grund für Kontingenz liegt. Hierzu stelle ich die Behauptung auf, der erste Grund für Kontingenz liegt im göttlichen Willen bzw. in dem Willensakt, der sich auf etwas von sich selbst Verschiedenes richtet.
Ich beweise dies folgendermaßen: Wenn es für Gott beim Verursachen des von sich selbst Verschiedenem eine Notwendigkeit gäbe, [1] wäre nichts im Universum kontingent, [2] gäbe es auch keine Zweitursache im Universum; [3] fände sich drittens nichts Schlechtes in den Dingen. Alle drei Schlussfolgerungen sind absurd.

Das erste wird folgendermaßen bewiesen: Wenn etwas, das bewegt wird, insofern es selbst bewegt, mit Notwendigkeit bewegt wird, dann bewegt es mit Notwendigkeit. Eine Erstursache bewegt mit Notwendigkeit [...]. Folglich bewegt und verursacht jede Zweitursache mit Notwendigkeit. Das zweite folgt ergibt sich, weil eine Erstursache ihrer Natur nach früher als eine Zweitursache bewegt und verursacht. Wenn sie also in diesem früheren Moment auf notwendige und vollkommene Weise verursacht, kann sie folglich die Wirkung nicht nicht hervorbringen. Und so bleibt nichts übrig, was im zweiten Moment eine Zweitursache verursachen könnte, außer sie würde dasselbe zum zweiten Mal verursachen, was nicht vorstellbar ist.

Epikur: Brief an Pythokles (Epistola ad Pythoclem) § 86-88 = LS 18 C

Eine Beobachtung wird Epikur zufolge durch Analogieschluss plausibel
(1) Naturtheorie soll man [...] nicht mit leeren Forderungen und gehaltlosen Festsetzungen treffen, sondern so, wie die Phänomene das erfordern. Denn unser Leben bedarf nicht des Unverstandes und leerer Meinung, sondern dessen, dass wir unbesorgt leben. [...] Alles geht ohne Erschütterung vonstatten, sobald man das, was über die Dinge plausibel ausgesagt wird, in der gehörigen Weise stehen lässt. Wenn jemand jedoch das eine zugesteht und das andere verwirft, obwohl es mit den Phänomenen ebenso konsistent ist, verlässt er klarerweise ganz die Naturtheorie und verfällt dem Mythos. (2) Zeichen, die auf das hindeuten, was mit den Himmelskörpern geschieht, finden sich bei bestimmten Phänomenen unseres Erfahrungsbereichs, die, so wie sind, geschaut werden, und nicht bei den Phänomenen in den Himmelskörpern; die könnten nämlich auf mehrerlei Weise geschehen.

Epikur: Gültige Sentenzen (Ratae sententiae) 24 = LS 17B

Epikur verweist auf die sinnliche Wahrnehmung des Gegenwärtigen als zentrales Wahrheitskriterium
Solltest Du irgendeine Sinneswahrnehmung verwerfen und das aufgrund einer Erwartung Gemeinte nicht von dem unterscheiden, was durch die Sinneswahrnehmung, durch die Gefühle und jede vorstellende Fokussierung des Denkens schon gegenwärtig ist, wirst du auch die übrigen Sinneswahrnehmungen mit leerem Meinen vermengen, so dass du das Kriterium insgesamt verwirfst. Und wenn Du jede erst noch erwartete Evidenz in deinen vermutungsweise gebildeten Begriffen und das, was keine Bestätigung , als sicher behandelst, dann wirst du das Trügerische nicht ausschließen, so dass du jede Meinungsverschiedenheit und jede Entscheidung über richtig und unrichtig aufgehoben hast.

Sextos Empirikos: Gegen die Mathematiker (Adversus mathematicos) 7, 211- 216 = LS 18 A

Epikur erläutert Grundlagen der Anerkennung von Meinungen
Von den Meinungen sind nun nach Epikur die einen wahr und die anderen falsch. Wahr sind die, die durch die Evidenz bestätigt werden, und die, die durch sie ein Nicht-Gegenzeugnis erhalten. Falsch sind dagegen die Meinungen, die durch die Evidenz ein Gegenzeugnis, und die, die durch sie eine Nicht-Bestätigung erhalten. Eine Bestätigung ist ein Auffassen dessen, dass das, was man meint, so ist, wie man meinte, dass es sei, durch Evidenz. Zum Beispiel: Wenn Platon aus der Ferne herankommt, schätze ich zunächst und meine, dass es Platon ist; wenn er nähergekommen ist, gibt es ein stärkeres Zeugnis, dass es Platon ist; und wenn die Entfernung überbrückt ist, wird es auch durch die Evidenz selbst bestätigt. [...] Genauso steht auch die Nicht-Bestätigung der Bestätigung entgegen. Dabei handelt es sich um eine Konfrontation durch die Evidenz der Tatsache, dass das Gemeinte in Wirklichkeit nicht so ist, wie man meinte, dass es sei. Zum Beispiel: Wenn von weitem jemand herankommt, und wir schätzen aus der Entfernung, dass es Platon ist, aber wenn die Entfernung überbrückt ist, erkennen wir durch Evidenz, dass es nicht Platon ist. [...] Somit sind Bestätigung und Nicht-Gegenzeugnis das Kriterium dafür, dass etwas wahr ist, die Nicht-Bestätigung und das Gegenzeugnis hingegen das Kriterium dafür, dass etwas falsch ist.

Diogenes Laertios: Leben der Philosophen (Vitae philosophorum) 10, 33 = LS 17E

Ein Vorbegriff (prolēpsis) macht für Epikur erst die Erkenntnis möglich
Der Vorbegriff ist, so sagen die Epikureer, sozusagen ein Auffassen oder eine richtige Meinung oder ein Begriff oder ein allgemeines innewohnendes Denken – d.h. eine Erinnerung – dessen, was uns häufig von außen erschienen ist, wie z.B. ,so etwas ist ein Mensch‘. Denn sobald das Wort ,Mensch‘ geäußert wird, wird sofort mittels eines Vorbegriffs auch sein Umriss gedacht, sofern Sinneswahrnehmungen vorangehen. Was also jeder Bezeichnung ursprünglich zugrunde liegt, ist evident. Und wir würden das Gesuchte gar nicht suchen, wenn wir davon kein Vorwissen hätten, wie z.B. bei ,Ist das in der Ferne Stehende ein Pferd oder ein Rind?‘ Denn irgendwann vorher muss man mittels eines Vorbegriffs die Form eines Pferds oder die eines Rinds kennengelernt haben.

Epikur: Brief an Herodotos (Epistula ad Herodotum) 75f. = LS 19A

Der natürliche Ursprung von Sprache nach Epikur
Ferner müssen wir annehmen, dass sogar die Natur von den Tatsachen selbst in vielfacher und vielerlei Hinsicht belehrt und gezwungen worden ist und dass ihre Lektionen dann später vom Verstand genauer ausgearbeitet und mit neuen Entdeckungen erweitert worden sind, bei den einen schneller, bei den anderen langsamer. [...] Daher sind auch die Bezeichnungen ursprünglich nicht durch Einsetzung entstanden. Sondern in jedem Erfolg erfuhren die Naturen der Menschen eigene Empfindungen und nahmen eigene Vorstellungen auf und sandten daher auf jeweils eigene Weise den von den einzelnen Empfindungen und Vorstellungen verursachten Luftstrom aus, so wie die Völker sich eben von Ort zu Ort unterscheiden.

Epikur: Brief an Herodotos (Epistula ad Herodotum) 39-41 = LS 5A. 8A

Epikur über die Atome und das Leere als Grundlage der Wirklichkeit
(1) Aber gewiss besteht die Gesamtheit der Dinge aus . Denn dass es Körper gibt, bezeugt überall die Sinneswahrnehmung selbst, in deren Folge es [...] nötig ist, dass Unklare durch vernünftige Erwägung zu beurteilen. [...] (2) Wenn es aber nicht gäbe, was wir ,Leeres‘, ,Raum‘ und ,nicht berührbare Natur‘ nennen, dann hätten die Körper nichts, wo sie sein oder durch was hindurch sie sich in der Weise bewegen könnten, wie es zu sein scheint. [...] (3) Von den Körpern sind einige Zusammensetzungen und andere das, woraus solche Zusammensetzungen bestehen. Diese sind unteilbar (atoma) und unveränderlich, wenn ausgeschlossen sein soll, dass alles zu nicht-Seiendem vergehen wird, sie vielmehr stark genug sind, die Auflösungen in den Zusammensetzungen zu überdauern. [...] Die Prinzipien müssen also notwendig unteilbare Körper sein.

Cicero: Das Wesen der Götter (De natura deorum) I 50-53 = LS 13H

Ein Epikureer erklärt einem Stoiker die Selbständigkeit des Kosmos und die Untätigkeit der Götter
Und ihr pflegt uns zu fragen, Balbus, welches das Leben der Götter ist. [...] Gewiss dasjenige, im Vergleich zu dem nichts Glückseligeres [...] gedacht werden kann. Denn er treibt nichts [...] und bewegt keinerlei Werke, [...] während der Eure völlig überarbeitet ist. Denn falls (1.) die Welt selbst Gott ist – was kann weniger Ruhe haben als etwas, das sich ohne die geringste Unterbrechung [...] um eine Achse dreht [...]. Oder falls (2.) Gott jemand innerhalb der Welt ist, der regiert, der steuert [...] sowie die Annehmlichkeiten und das Leben der Menschen beschützt, dann ist er gewiss in beschwerliche und anstrengende Aufgaben verstrickt. [...] [Epikur] lehrte uns nämlich [...], dass die Welt durch die Natur hervorgebracht worden ist und dass es dazu überhaupt keiner kunstfertigen Herstellung bedurfte [...] Eben weil ihr nicht seht, wie die Natur das ohne einen Geist zustandebringen konnte, nehmt ihr wie die tragischen Dichter, weil ihr keine Lösung des Arguments entwickeln könnt, Eure Zuflucht zu einem Gott.

Cicero: Das höchste Gut und das höchste Übel (De finibus bonorum et malorum) 5, 15. 17f.

Cicero referiert die Einteilung der Ziele der Philosophie nach dem Skeptiker Karneades
Unser Lucius handelt also klug, wenn er in erster Linie vom höchsten Gut hören will; denn wenn dieses festgelegt ist, ist in der Philosophie alles festgelegt. [...] Wenn das höchste Gut unbekannt ist, dann muss notwendigerweise der Gehalt des Lebens unbekannt sein. [...] Was es aber ist, dass so bewegt und von Natur aus so seit der ersten Entstehung erstrebt wird, steht nicht fest, und hierüber herrscht unter den Philosophen [...] größte Uneinigkeit. [...] Einige meinen, das primäre Streben und das primäre Vermeiden von Schmerz richte sich auf die Lust. Andere als sie erstreben das, was sie Primäres der Natur nach nennen, wozu sie Unversehrtheit rechnen [...]. Diesem ähnlich ist das Primäre in den Seelen, wie die Funken und Samen der Tugenden.

Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) X 5, 1175b 24-29. 1176a 3-19

Aristoteles’ Gründe dafür, die Freude nicht für den Inhalt der Eudaimonie zu halten
Jeder Aktivität ist eine eigentümliche Freude zugeordnet; die der tugendhaften [Aktivität] zugeordnete [Freude] ist tugendhaft, die der verwerflichen [zugeordnete] schlecht. Denn auch die Begierde nach Edlem ist lobenswert, die nach Schändlichem tadelnswert. [...] Es scheint aber jedem Lebewesen eine eigentümliche Freude zugeordnet zu sein, so wie auch eine Tätigkeit. [...] Denn für die Esel ist die Nahrung freudvoller als Gold. [...] Bei den Menschen freilich gibt es keine geringen Unterschiede. Denn dasselbe erfreut den einen und bereitet dem anderen Leid und ist für die einen leidvoll und verhasst, für die anderen aber freudvoll und willkommen. [...] Es ist für den Fieberkranken nicht dasselbe wie für den Gesunden. [...] Wenn dies richtig ist [...] und das Maß von allem die Tugend und der gute [Mensch] als solcher sind, so wird auch Freude sein, was ihm so scheint, und freudvoll, voran er Vergnügen hat.

Cicero: Gespräche in Tuskulum (Tusculanae disputationes ) 3, 41f. = LS 21L

Epikurs Begründung und Erklärung des Vorrangs der Freude (wörtlich zitiert von Cicero)
Ich für meinen Teil kann nichts als das Gute begreifen, wenn ich die Genüsse abziehe, die man durch den Geschmack wahrnimmt, die abziehe, die durch das Liebesleben vermittelt werden, die abziehe, die durch das Hören von Gesängen entstehen, und auch die abziehe, die sich beim Wahrnehmen von Gestalten als angenehme Bewegungen durch die Augen bilden, oder auch alle Genüsse, welche sonst noch von irgendeiner Sinneswahrnehmung im ganzen Menschen hervorgebracht werden. Man kann aber sicherlich nicht sagen, dass nur die Freude des Geistes ein Gut sei. Denn einen freudigen Geist erkenne ich an der Erwartung all der Dinge, die ich eben erwähnt habe – dass sie ihrer Natur nach so sind, dass er, wenn er sie sich aneignet, vom Schmerz frei ist. [...] Männer, die man weise nannte, habe ich oft gefragt, was sie an Gütern denn noch übrig ließen, wenn sie all jenes abzögen, außer sie wollten bloß leere Worte verbreiten. Ich habe nichts von ihnen erfahren können. Wenn sie weiter von Tugenden und Weisheiten schwatzen wollen, werden sie von nichts anderem reden als dem Weg, auf dem eben die Genüsse hervorgebracht werden, von denen ich oben sprach.

Cicero: Das höchste Gut und das höchste Übel (De finibus bonorum et malorum) I 30 = LS 21A

Die Verbindung der Freude mit der menschlichen Natur nach Epikur
Jedes Lebewesen strebt, sobald es geboren ist, nach Genuss, freut sich daran als an dem höchsten Gut und verschmäht Schmerz als das größte Übel und weist ihn von sich, soweit es kann; dies tut es, wenn es noch nicht verdorben ist, dadurch, dass seine Natur selbst unverfälscht und integer urteilt. Deshalb bestreitet [Epikur], dass ein Argument oder eine Erörterung darüber benötige, weshalb der Genuss anzustreben und der Schmerz zu meiden sei. Er ist der Meinung, dass man diese Dinge ebenso merkt wie, dass Feuer heiß, der Schnee weiß und der Honig süß ist. [...] Weil nämlich nichts mehr übrig ist, wenn man vom Menschen die Sinne abzieht, muss notwendig von der Natur selbst beurteilt werden, was ihr gemäß oder was wider die Natur ist. Was nimmt sie nun wahr oder urteilt sie, was anzustreben oder zu meiden ist, außer Genuss und Schmerz.

Epikur: Brief an Menoikeus (Epistula ad Menoecum) 127-132 = LS 21B

Epikurs Theorie der Unterscheidung verschiedener Freuden
(1) Von den Begierden sind die einen natürlich, die anderen leer. Und von den natürlichen sind die einen notwendig, die anderen nur natürlich. Von den notwendigen wiederum sind die einen notwendig zum Glück, andere notwendig zur störungsfreien Funktion des Körpers und die dritten notwendig zum Leben selbst. (2) Denn eine unbeirrte Betrachtung hiervon weiß jedes Wählen und Meiden auf die Gesundheit des Körpers und die Freiheit der Seele von Verwirrung zurückzubeziehen. [...] Um dessentwillen nämlich tun wir alles, damit wir weder Schmerzen erleiden noch Verwirrung empfinden. (3) Eben deswegen [...] erkennen wir die Freude als das erste und verwandte Gut [...], und wir kehren zu ihr zurück, indem wir jedes Gut anhand der Empfindung als Richtmaß beurteilen.
(4) Aber wir übergehen gelegentlich viele Freuden, wenn aus ihnen mehr Unangenehmes für uns folgt; auch halten wir viele Schmerzen für besser als Freuden, wenn daraus für uns eine größere Freude folgt. [...] (5) Wenn wir also sagen, die Freude sei das Ziel, meinen wir damit nicht die Lüste der Hemmungslosen und jene, die im Genuss bestehen [...], sondern: weder Schmerz im Körper noch Erschütterung in der Seele zu empfinden. Denn nicht Trinken und Gelage [...] bringen das freudvolle Leben hervor, (6) sondern die nüchterne Überlegung, welche sowohl die Ursachen jeden Wählens und Meinens aufspürt als auch die Meinungen ausmerzt, aufgrund derer die Seelen besonders große Verwirrung befällt. Der Anfang für all dies und das größte Gute ist die Klugheit [...], aus der alle übrigen Tugenden hervorgehen.

Cicero: Das höchste Gut und das höchste Übel (De finibus bonorum et malorum) I 37

Eine epikureische Definition der Freude bzw. Lust
Jetzt werde ich erklären, was und wie beschaffen die Freude in sich ist. [...] Die Freude, der wir nachgehen, ist nämlich nicht bloß die, die durch irgendeine Annehmlichkeit unsere Natur bewegt und deren sinnliche Wahrnehmung von einem gewissen Wohlbefinden begleitet ist. Als die größte Freude sehen wir vielmehr diejenige an, die wahrgenommen wird, wenn einmal aller Schmerz verschwunden ist. Da wir nämlich, wenn wir von Schmerz befreit werden, uns eben über die Befreiung und das Lossein von von aller Beschwernis freuen und da alles, worüber wir uns freuen, Freude ist – ebenso wie alles das Schmerz ist, was uns wehtut – deswegen wird zu Recht jede Befreiung von Schmerz als Freude bezeichnet.

Epikur: Brief an Menoikeus (Epistula ad Menoecum) 124f.

Epikur über die Gründe dafür, den Tod nicht zu fürchten
Gewöhne dich ferner daran zu glauben, der Tod sei nichts, was uns betrifft. Denn alles Gute und Schlechte liegt in der Sinneswahrnehmung. Der Tod aber ist eine Beraubung der Sinneswahrnehmung. [...] Das Schrecklichste alles Schlechten, der Tod, betrifft uns also überhaupt nicht, denn wenn wir sind, ist der Tod nicht da, wenn der Tod da ist, sind wir nicht.

Epikur: Gültige Sentenzen (Ratae sententiae) 31-34 = LS 22A

Epikurs Vertragstheorie der Gerechtigkeit
Das von Natur aus Gerechte ist eine Übereinkunft über das Zuträgliche darüber, einander nicht zu schädigen und nicht geschädigt zu werden. Nichts ist gerecht und nichts ungerecht in Bezug auf die Lebewesen, welche nicht in der Lage waren, Verträge darüber einzugehen, einander nicht zu schädigen und nicht geschädigt zu werden. Gerechtigkeit war niemals an sich etwas, sondern sie ist ein bestimmter Vertrag darüber, nicht zu schädigen und nicht geschädigt zu werden, der stets im Verkehr der Menschen untereinander an beliebigen Orten zustandekommt.

Epikur: Gültige Sentenzen (Ratae sententiae) 37 = LS 22B

Epikur über die Bedingungen gültiger Gesetze
Von dem, was als gerecht angesehen wird, muss dasjenige den Platz des Gerechten einnehmen, wovon sich bestätigt, dass es den Erfordernissen der Gemeinschaft miteinander zuträglich ist, ob es nun für alle dasselbe ist oder nicht. Wenn aber jemand ein Gesetz erlässt und dieses nicht im Sinne des für die Gemeinschaft miteinander zuträglichen wirkt, hat dieses nicht länger die Natur des Gerechten. Und falls das, was im Sinne des Gerechten zuträglich ist, sich ändert, aber doch einige Zeit zu dem Vorbegriff passt, so war es in dieser Zeit um nichts weniger gerecht.