Ein Epikureer erklärt einem Stoiker die Selbständigkeit des Kosmos und die
Untätigkeit der Götter
Und ihr pflegt uns zu fragen, Balbus, welches das
Leben der Götter ist. [...] Gewiss dasjenige, im Vergleich zu dem nichts
Glückseligeres [...] gedacht werden kann. Denn er treibt nichts [...] und bewegt
keinerlei Werke, [...] während der Eure völlig überarbeitet ist. Denn falls (1.)
die Welt selbst Gott ist – was kann weniger Ruhe haben als etwas, das sich
ohne die geringste Unterbrechung [...] um eine Achse dreht [...]. Oder falls (2.)
Gott jemand innerhalb der Welt ist, der regiert, der steuert [...] sowie die
Annehmlichkeiten und das Leben der Menschen beschützt, dann ist er gewiss
in beschwerliche und anstrengende Aufgaben verstrickt. [...] [Epikur] lehrte
uns nämlich [...], dass die Welt durch die Natur hervorgebracht worden ist und
dass es dazu überhaupt keiner kunstfertigen Herstellung bedurfte [...] Eben
weil ihr nicht seht, wie die Natur das ohne einen Geist zustandebringen konnte,
nehmt ihr wie die tragischen Dichter, weil ihr keine Lösung des Arguments
entwickeln könnt, Eure Zuflucht zu einem Gott.
Physik, Ethik und Logik als Tugenden bei den Stoikern
Die Stoiker nannten die Weisheit
das Wissen der göttlichen und menschlichen Dinge, die Philosophie aber die
Einübung der geeigneten Technik. Geeignet sei aber allein und im höchsten
Maße die Tugend, die eigentlichsten Tugenden aber seien drei, die Physik, die
Ethik und die Logik.
Die Stoiker fügen zur Sinneswahrnehmung den freien Akt der Zustimmung
hinzu
Zu dem, was gesehen und gleichsam von den Sinnen akzeptiert wurde,
fügte Zenon die Zustimmung hinzu, die in uns liegend und freiwillig sein soll.
Er billigte nicht allem Gesehenen Gewissheit zu, sondern nur dem, was eine
gewisse eigentümliche Kundgebung der Dinge beinhaltet, die gesehen
werden.
Die Zustimmung als Kennzeichen der Lebewesen nach den Stoikern
Weil zwischen dem
Unbelebten und dem Lebewesen vor allem der Unterschied besteht, dass das
Lebewesen etwas tut, [...] ist ihm entweder die Sinneswahrnehmung
abzusprechen oder eine Zustimmung, die in unserer Macht steht,
zuzuschreiben. [...] Denn so, wie ein Lebewesen das nicht nicht erstreben
kann, was seiner Natur angemessen erscheint [...], so kann es einer
vorgegebenen klar erkennbaren Sache nicht nicht zustimmen.
Die stoische Theorie des unkörperlichen lekton
Die einen legten ,wahr‘
und ,falsch‘ in das Bezeichnete [...] wobei die Stoiker sagten, es sei dreierlei
miteinander verbunden, das Bezeichnete, das Bezeichnende und das
Aufnehmende. Dabei ist das Bezeichnende das Lautgebilde, z.B. ,Dion‘; das
Bezeichnete ist die Sache selbst, die von ihm verdeutlicht wird [...]; das
Aufnehmende schließlich ist der äußere Gegenstand, z.B. Dion. Zwei von
diesen sind Körper, nämlich das Lautgebilde und das Aufnehmende; eines
hingegen ist unkörperlich, nämlich das Bezeichnete, d.h. Sagbare (lekton), das
eben wahr oder falsch wird.
Grundbegriffe der stoischen Satzlogik
Ein Argument ist [...] das, was einer
Prämisse oder aus Prämissen sowie aus einer Zusatzprämisse und einer
Konsequenz besteht, z.B.: ,Wenn es Tag ist, ist es hell; nun ist es Tag; also ist
es hell‘. Hier ist nämlich ,Wenn es Tag ist, ist es hell‘ die Prämisse, ,nun ist es
Tag‘ die Zusatzprämisse und ,also ist es hell‘ die Konsequenz. Eine
Modusformel ist sozusagen das Schema des Arguments, z.B. ,wenn das Erste,
dann das Zweite; nun aber das Erste; also das Zweite‘. Ein Modusargument ist
das, was aus beidem zusammengesetzt ist, z.B. ,wenn Platon lebt, dann atmet
Platon; nun aber das Erste; also das Zweite‘. Eingeführt wurde das
Modusargument, um in den ausgedehnteren Ketten von Argumenten die
Zusatzprämisse, die dort ja lang ist, und die Konsequenz nicht mehr nennen zu
müssen und stattdessen schließen zu können ,nun das erste, also das zweite‘.
Die Lehre vom Beweis nach den Stoikern
a) Ein Argument ist eine
Zusammenstellung aus Prämissen und Konsequenz. Dabei sind die Prämissen,
wie sie sagen, die zur Begründung des Schlusssatzes einhellig angenommenen
Aussagen, und die Konsequenz oder der Schlusssatz ist die aus ihnen
begründete Aussage. [...] Daher sagen sie auch, ein wahres Argument sei
dasjenige, was aus wahren Prämissen einen wahren Schlusssatz schlüssig
folgert. Von den wahren Argumenten sind wiederum die einen beweisend, die
anderen nicht beweisend.
b) Beweisend sind diejenigen,
die aus Offensichtlichem etwas nicht Offensichtliches folgern [...]. Nicht
beweisend ist z.B. das Argument ,wenn es Tag ist, ist es hell; nun aber ist es
Tag; also ist es hell‘; denn dass es hell ist – der Schlusssatz des Arguments –
ist offensichtlich. Beweisend ist aber ein Argument wie ,wenn Schweiß durch
die Haut fließt, gibt es gedanklich erfassbare Poren; nun aber fließt Schweiß
durch die Haut; also gibt es gedanklich erfassbare Poren‘, denn es hat den nicht
offensichtlichen Schlusssatz ,also gibt es gedanklich erfassbare Poren‘. [...] Ein
Beweis muss demnach ein Argument sein, außerdem schlüssig und auch noch
wahr, und er muss einen Schlusssatz haben, der nicht offensichtlich ist und
durch die Kraft der Prämissen enthüllt wird; und das ist der Grund, weswegen
gesagt wird: Der Beweis ist ein Argument, das aus akzeptierten Prämissen
vermittels einer schlüssigen Folgerung eine nicht offensichtliche Konsequenz
enthüllt.
Eusebios zitert einen Überblick über die stoische Physik aus einem verlorenen Werk des Aristotetelikers Aristokles von Messene:
[1] Als das Urelement des Seienden sieht Zenon das Feuer an, ebenso wie Heraklit, als dessen Prinzipien die Materie und Gott, so wie Platon. Aber er sagt, dass sie beide Körper seien, sowohl das Wirkende als auch das der Wirkung Unterliegende, während Platon sagt, die erste bewirkende Ursache sei unkörperlich [...] Dann aber, zu gewissen vom Schicksal festgelegten Zeiten, verbrenne die gesamte Welt und werde dann wieder neu durchgeordnet.
[2] Das erste Feuer sei nun wie ein Same, der die Gehalte und die Ursachen des Vergangenen, des Gegenwärtigen und des Zukünftigen enthalte. Deren Verbindung und Ordnung sei ein Schicksal, ein Wissen, eine Wahrheit und ein Gesetz für das Seiende, dem weder zu entlaufen noch zu entfliehen ist. Auf diese Weise werde alles im Kosmos mehr als gut verwaltet, so wie in der am besten geordneten Stadt.
Eine stoische Begründung für die Körperlichkeit der Seele
Nichts
Unkörperliches wird zusammen mit einem Körper affiziert und kein Körper
mit etwas Unkörperlichem, sondern ein Körper mit einem Körper. Nun wird
die Seele aber zusammen mit einem kranken und verletzten Körper affiziert,
und der Körper mit der Seele; er wird ja rot, wenn sie sich schämt, und bleich,
wenn sie sich fürchtet. Also ist die Seele ein Körper.
Der kausale Zusammenhang der Welt nach den Stoikern
Die Stoiker sagen [...], dass nichts in der Welt ohne Ursache ist oder geschieht, weil nichts
in ihr losgelöst oder unabhängig von all dem ist, was vorher geschieht. Die
Welt würde nämlich zerrissen und zerteilt und nicht länger eine Einheit bleiben
[...], wenn nicht alles, was ist oder geschieht, bestimmte Ursachen hätte, die
vorher entstanden sind und aus denen es mit Notwendigkeit folgt. [...] Wenn es
nun eine Mehrzahl von Ursachenarten gibt, dann, so sagen sie, ist es bei ihnen
allen gleichermaßen wahr, dass es unmöglich ist, dass etwas, falls alle
Umstände auf seiten der Ursache und des Verursachten gleich sind, zuweilen
so nicht eintritt, zuweilen aber wohl.
Der Philosophiehistoriker Diogenes Laertios erklärt den Zusammenhang von stoischer Ethik und Theologie
Die Stoiker sagen, dass der primäre Impuls für jedes Lebewesen die Selbsterhaltung ist, weil
dieses der Natur von Anfang an zu eigen ist, wie Chrysipp sagt [...], wobei er
das primär Eigentümliche für jedes Lebewesen dessen eigene Verfasstheit und
das Bewusstsein von ihr nennt. [...] Und weil den rationalen Wesen die
Vernunft gemäß einer vollendeteren Anleitung gegeben ist, ist für diese das
Leben nach der Vernunft zu Recht der Natur entsprechend. Denn die Vernunft
kommt für sie als Hersteller des Impulses hinzu. [...] Deswegen gab [...] Zenon
[...] als Ziel das Leben in Übereinstimmung mit der Vernunft an, d.h. das
Leben gemäß der Tugend. Denn zu dieser leitet uns die Natur. [...] Das Leben
in der Nachfolge der Natur [...] bezieht sich [nach Chrysipp] sowohl auf die
eigene als auch auf die aller Dinge, wobei wir nichts tun, was das allgemeine
Gesetz üblicherweise verbietet, d.h. die rechte Vernunft, die durch alles
hindurchgeht, die dasselbe ist wie Zeus, der der Beherrscher des gesamten
Haushalts des Seienden ist.
Die Stoiker über verschiedene Arten von Gütern
(1) Die Stoiker sagen,
dass die seienden Dinge teils gut, teils schlecht, teils keines von beidem sind.
Gut sind die Tugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Besonnenheit und
dergleichen. Schlecht sind die Gegenteile davon, Unbesonnenheit,
Ungerechtigkeit usw. Keines von beidem ist alles, was weder nutzt noch
schadet, z.B. Leben, Gesundheit, Lust, Schönheit, Kraft, Reichtum, Ansehen,
adlige Abstammung, sowie die Gegenteile hiervon: Tod, Krankheit, Schmerz,
Hässlichkeit, Schwäche [usw.] [...]. Diese Dinge sind nämlich nicht gut,
sondern indifferent, Unterart ,bevorzugbar‘.
(2) Denn wie es für das, was warm ist, eigentümlich ist zu wärmen, nicht zu kühlen, so ist es auch für das, was gut ist, eigentümlich, zu nutzen, nicht zu schaden. Nun nutzt der Reichtum nicht
mehr, als er schadet, ebenso die Gesundheit. Also ist weder der Reichtum noch
die Gesundheit ein Gut.. Weiterhin sagen sie: Was man gut und schlecht
verwenden kann, das ist nicht etwas Gutes; Reichtum und Gesundheit kann
man gut und schlecht verwenden.
Die stoische Definition der Tugend als Habitus des Intellekts (Antike Philosophie I)
a) Auch Zenon [...] von Kition definiert die Klugheit als Gerechtigkeit beim Verteilen,
als Maßhalten beim Wählen, als Tapferkeit beim Ertragen. Zur Verteidigung
behaupten die Stoiker, hierbei werde das Wissen von Zenon Klugheit genannt.
[...] Diese alle aber nehmen gemeinsam an und glauben, dass die Tugend eine
bestimmte Disposition des Hegemonikon der Seele sei und eine Fähigkeit, die
durch die Vernunft entstanden ist, ja die vielmehr Vernunft ist, die
übereinstimmend, fest und unveränderlich besteht.
b) Denn das zu Emotionen neigende und nicht Rationale sei durch keinen Unterschied
und keine Natur vom rationalen unterschieden, sondern es handle es sich um
denselben Seelenteil, den sie ja Verstand beziehungsweise Hegemonikon
nennen. Er wandle und verändere sich ganz in den Emotionen und den
Veränderungen im Habitus oder in der Disposition und werde Schlechtigkeit
oder Tugend. Er habe nichts nicht Rationales in sich, sondern werde [nur] nicht
rational genannt, solange er durch das stark und herrschend gewordene
Hinzutreten eines Impulses entgegen der wählenden Vernunft zu etwas
Sinnlosem hingetragen werde.
Die allgemeine These der Stoiker über Handlungsfreiheit
Auch die Stoiker
bekräftigten, dass alles dem Fatum untersteht und bedienten sich des folgenden
Beispiels: Wenn ein Hund an ein Fuhrwerk angebunden ist, dann wird er, falls
er folgen will, gezogen und folgt und tut so das Selbstgewählte zusammen mit
der Notwendigkeit [...]. Falls er hingegen nicht folgen will, wird er dazu doch
schlechthin gezwungen. Genauso ist es auch mit den Menschen. Denn selbst
wenn sie nicht folgen wollen, werden sie schlechthin gezwungen, in das
hineinzugehen, was ihnen bestimmt ist.
Der Idealstaat und der stoische Kosmopolitismus (Antike Philosophie I) <br /> Zenon von Kitions kosmopolitisches Ideal (Gesetz und Gewissen)
Der viel bewunderte Staat des [...] Zenon läuft auf dieses eine Hauptanliegen hinaus, dass wir nicht
nach Städten noch nach Völkern leben, die alle durch eigene Rechtsformen
unterschieden sind, sondern dass wir alle Menschen für Volksgenossen und
Mitbürger halten, dass es ein Leben und eine Ordnung gibt, so wie eine
zusammen weidende Herde durch ein gemeinsames Gesetz zusammen genährt
wird. Dies schrieb Zenon, als er einen Traum oder ein Bild für die
philosophische Gesetzgebung und Verfassung skizzierte, Alexander aber fügte
der Idee die Tat hinzu.
Der Jude Philon von Alexandrien (1. Jhdt. n. Chr.) führt eine Theorie über das Gesetz des Kosmos und die Gesetze der Staaten an, die wahrscheinlich von den Stoikern übernommen ist
Der Kosmos ist die Polis im Großen und verfügt über eine einzige Staatsform und
ein einziges Gesetz. Der logos der Natur gebietet, was getan werden muss, und
verbietet, was nicht getan werden darf. Die Poleis aber an ihren Orten sind
nicht zählbar und verfügen über Staatsformen, die sich voneinander
unterscheiden und über Gesetze, die nicht dieselben sind. Denn bei
verschiedenen [Völkern] werden verschiedene Gesetze zusätzlich aufgefunden
und dazugesetzt.
Die stoische Argumentation für die Herrschaft eines Gottes
Balbus: Was kann nämlich so offen und einsichtig sein, sobald wir zum Himmel
aufgeblickt und das Himmlische betrachtet haben, als dass es irgendein Wesen
von herausragendem Verstand gibt, wodurch dies geleitet wird? [...] Wenn wir
das nicht in unserem jeweiligen Geist erkannt und begriffen hätten, dann bliebe
keine so stabile Meinung bestehen und würde nicht durch die Dauer der Zeit
bestätigt. [...] Wir sehen ja, dass andere erdichtete und leere Meinungen auf die
Dauer verschwinden; denn wer glaubt, es hätte einen Hippokentaur oder eine
Chimäre gegeben? [...] Die erfundenen Meinungen zerstört der Tag, die Urteile
der Natur bestätigt er.
Der Zeus-Hymnos des Stoikers Kleanthes (um 250 v. Chr.)
Ruhmvollster der Unsterblichen, mit vielen Titeln Benannter, ewig alles Beherrschender,
Zeus, Erster Beweger der Natur, der Du mit dem Gesetz alles steuerst,
sei gegrüßt. Dich nämlich anzusprechen geziemt sich für alle Sterblichen. [...]
So nämlich fügtest Du in eins alle Dinge zusammen, die guten mit den schlechten,
so dass für sie alle eine rationale Struktur entsteht, die ewig ist.
Gemieden und außer acht gelassen wird sie von denen, die schlecht sind unter den Sterblichen,
den Unglücklichen, die immer den Besitz von Gütern begehren,
aber Gottes allgemeines Gesetz weder einsehen noch hören;
würden sie es befolgen, so hätten sie ein gutes Leben gemeinsam mit der Einsicht.
Cicero bewundert das System der stoischen Philosophie
Cato [der in diesem Dialog die stoische Position vertritt]: Aber ich merke schon, dass ich länger gesprochen habe, als das gegenwärtige Thema verlangte. Aber die bewundernswerte Zusammenstellung (compositio = systēma?) der Lehre und die unglaubliche Ordnung der Dinge zog mich fort – bewunderst Du sie nicht, bei den unsterblichen Göttern? Was nämlich kann entweder in der Natur, im Vergleich zu der nichts geeigneter ist, nichts besser ausgearbeitet, oder in den menschgemachten Werken gefunden werden, das so zusammengesetzt und zusammengefügt und aneinander angepasst ist? Welches Spätere passt nicht zum Vorhergehenden? Was folgt, was nicht einem Früheren entspricht? Wo ist nicht das eine so mit dem anderen verbunden, dass dann, wenn Du einen Buchstaben veränderst, alles ins Rutschen kommt? Und doch gibt es nichts, was verändert werden kann!
Die Stoiker definieren die Philosophie als System
Zenon aber sagt: „Eine Fertigkeit ist eine Zusammenstellung (systēma) von Aufgefasstem, die zusammen auf ein brauchbares Ziel der Lebensführungen hin ausgeübt werden.
Cicero über die stoische Theorie der Freiheit
Unter den alten Philosophen gab es zwei Auffassungen; die einen meinten, alles geschehe durch das Fatum, und zwar in der Weise, dass dieses Fatum die Gewalt einer Notwendigkeit mit sich bringe. [...] Die anderen meinten, es gebe freiwillige Bewegungen des Geistes, die ohne jedes Fatum erfolgten. Wie mir scheint, wollte daraufhin Chrysipp sozusagen als Ehrenschiedsrichter einen Mittelweg finden. [...] Aber bei der Darstellung seiner eigenen Auffassung gleitet er in Schwierigkeiten, so dass er, ohne es zu wollen, die Notwendigkeit des Fatums behauptet. [...] ,Wie alsoʻ, sagt er, ,derjenige, der die Walze angestoßen hat, ihr zwar den Beginn der Bewegung, aber nicht die Fähigkeit zur Drehung vermittelte, so wird ein gesehener Gegenstand dem Geist zwar die entsprechende Vorstellung einprägen und ihr seine Gestalt gleichsam einzeichnen; aber die Zustimmung dazu wird in unserer Macht liegen: Nachdem sie, wie das an der Walze erläutert worden ist, den Anstoß von außen empfangen hat, wird sie sich von da mit eigener Kraft und aus ihrer eigenen Natur heraus bewegen.
Der innere Zusammenhang von Determination und Verantwortlichkeit nach den Stoikern
a) Es ist aber nicht so, dass das Schicksal von dieser Art ist, es aber keine Schicksalsbestimmung gibt, und auch nicht so, dass es zwar eine Schicksalsbestimmung, aber keinen Anteil daran gibt, und auch nicht so, dass es zwar einen Anteil daran gibt, aber kein Maß in der Zuteilung, und auch nicht so, dass es zwar ein Maß in der Zuteilung, aber kein Gesetz gibt, und auch nicht so, dass es zwar ein Gesetz, aber keine richtige Vernunft gibt, die anordnet, was zu tun, und verbietet, was zu lassen ist. Nun sind aber die falschen Handlungen verboten, die richtigen aber geboten. Es ist also nicht so, dass das Schicksal von dieser Art ist, es aber keine falschen und richtigen Handlungen gibt. b) Wenn es aber falsche und richtige Handlungen gibt, dann gibt es Tugend und Laster; und wenn es diese gibt, dann gibt es in sich Gutes und Schändliches. Das in sich Gute aber ist lobenswert, das Schändliche aber tadelnswert. Also ist es nicht so, dass zwar das Schicksal von dieser Art ist, es aber nichts Lobens- und Tadelnswertes gibt. Nun verdient aber das Lobenswerte Ehrung und das Tadelnswerte Strafe. Also ist es nicht so, dass zwar das Schicksal von dieser Art ist, es aber keine Ehrung und Strafe gibt.
Seneca über den gesellschaftlichen Nutzen des Rückzugs aus der Öffentlichkeit
Verberge Dich in Muße, aber verberge auch die Muße selbst; du kannst wissen, dass Du, wenn Du dies tun wirst, wenn schon nicht einer Vorschrift, so doch dem Vorbild der Stoiker folgst. Aber Du tust es auch aus einer Vorschrift: Das wirst Du bei Dir und bei dem Du willst billigen. Weder schicken wir jemanden zu jedem Staat, noch tun wir dies immer, noch endlos; außerdem ist der Weise, wenn wir ihm einen Staat geben, der seiner würdig ist, nämlich die Welt, auch dann, wenn er sich zurückgezogen hat, nicht außerhalb eines Staates, sondern vielleicht geht er, wenn er eine Ecke verlassen hat, in Größeres und Weiteres über.
Die stoische Lebenshaltung nach Seneca (Antike Philosophie II) <br />
Lucius Annaeus Seneca über das stoische Lebensideal (Gesetz und Gewissen)
Führe, o Vater, und Herrscher des hohen Himmels
Wohin immer Du magst; beim Gehorchen gibt es kein Zögern,
eifrig bin ich bereit; will ich nicht, so folge ich stöhnend
und als Schlechter erleid’ich, was zu tun dem Guten erlaubt war.
Den Willigen führen die Schicksale, den Unwilligen ziehen sie.
Cicero (um 45 v. Chr.) begründet die Annahme von Göttern aus einer Betrachtung der Ordnung der Welt
Balbus: Unser [d.h. der Stoiker] Kleanthes sagte, dass in den Seelen der Menschen aus vier Gründen Begriffe von den Göttern gebildet haben. Als ersten Begriff erwähnte er den […], der aus der Vorahnung künftiger Ereignisse entstanden war. Der zweite sei der, den wir aus der Größe der Vorteile gewonnen haben, die uns durch das gemäßigte Klima, durch die Fruchtbarkeit der Erde und durch eine große Menge anderer Annehmlichkeiten geboten werden. An dritter Stelle steht der Schrecken, in den die Menschen durch Blitze, Stürme, […] Erdbeben versetzt werden […]. Die vierte Ursache sei […] die Vorzüglichkeit, Nützlichkeit, Schönheit und Ordnung von allem. All dies nur zu sehen, beweise schon hinlänglich, dass es kein Produkt des Zufalls ist. […] ,Wenn es nämlichʻ, so sagt Chrysipp, ,in der Natur etwas gibt, was […] die menschliche […] Vernunft […] nicht zu bewirken vermag, dann ist das, was es bewirkt, mit Sicherheit besser als der Mensch. Nun können die Dinge am Himmel und all die Dinge, deren Ordnung ewig ist, nicht vom Menschen hervorgebracht werden. Das, wodurch sie zustandegebracht werden, ist also besser als der Mensch. Wie aber könnte man das passender als mit dem Wort Gott bezeichnen?‘.
Der Unterschied zwischen dem Menschen und den übrigen Lebewesen nach den Stoikern
Weil zwischen dem Unbelebten und dem Lebewesen vor allem der Unterschied besteht, dass das Lebewesen etwas tut, ist ihm entweder die Sinneswahrnehmung abzusprechen oder eine Zustimmung, die in unserer Macht steht, zuzuschreiben.[...] Denn so, wie ein Lebewesen das nicht nicht erstreben kann, was seiner Natur angemessen erscheint [...], so kann es einer vorgegebenen klar erkennbaren Sache nicht nicht zustimmen
Der stoische Philosoph Lucius Annaeus Seneca (ca. 1-65 n. Chr.) gibt die stoische Ansicht über die Philosophie als Weg zur Freiheit wieder
,Du kannst den Notwendigkeiten nicht entfliehen, du kannst sie besiegen, es entsteht ein Weg‘. Und diesen Weg gibt Dir die Philosophie. Zu dieser begib dich, wenn du heil, wenn du sicher, wenn du glücklich sein willst, ja wenn du, was das Größte ist, frei sein willst. Das kann nicht anders geschehen. Eine niedrige Sache ist die Dummheit, verworfen, schmutzig, sklavisch, vielen und äußerst wilden Emotionen unterworfen. Diese so schwer lastenden Herren, manchmal einander befehlend, manchmal gleichwertig, entfernt die Weisheit von Dir, die allein die Freiheit ist. [...] Wenn du dir alles unterwerfen willst, unterwirf dich der Vernunft; viele wirst du regieren, wenn die Vernunft dich regiert.
Seneca (ca. 1-65 n. Chr.) erklärt die Lebenshaltung des Stoikers
Zu nichts werde ich gezwungen, nichts erleide ich unwillig, nicht diene ich Gott, sondern ich stimme ihm zu, und zwar umso mehr, als ich weiß, dass alles nach einem zuverlässigen und auf ewig erlassenen Gesetz seinen Gang geht. [...] Ursache folgt aus Ursache; Privates und Öffentliches zieht die lange Reihe der Dinge mit. Daher gilt es, alles tapfer zu ertragen, weil uns ja alles nicht, wie wir glauben, zustößt, sondern zukommt. Längst wurde festgelegt, weshalb du froh, weshalb du traurig bist. [...] Wieso sind wir also entrüstet? Wieso klagen wir? Hierzu wurden wir gezeugt. [...]. Was gehört sich für einen guten Mann? Sich dem Schicksal darzubieten. Es ist ein großer Trost, dass wir mit dem Universum dahingerissen werden. Was immer es ist, was uns so zu leben, so zu sterben befahl – mit der gleichen Notwendigkeit bindet es auch die Götter.
Nach Meinung des Peripatetikers Alexander von Aphrodisias (um 200 n. Chr.) sind neben dem Schicksal auch die Wahl und die Natur Ursachen, die das Weltgeschehen mit bestimmen
[1] Und worüber die Vorzugswahl bestimmt (das ist das, was gemäß Tugend und Schlechtigkeit getan wird), auch dies scheint von uns abhängig zu sein. Wenn dies aber von uns abhängig ist, über dessen Getan-Werden und Nicht-Getan-Werden wir anscheinend bestimmen [...], bleibt zu sagen übrig, dass das Schicksal in dem von Natur aus Geschehenden ist, so als ob das Schicksal und die Natur dasselbe wären. [...]
[2] Deswegen nennen sie [= die Stoiker] auch die ersten der für das Geschehen der Natur gemäß verantwortlichen Ursachen [...] Ursachen des Schicksals. Denn das Prinzip für jedes Geschehen ist ein irgendwie geartetes Verhalten des Göttlichen zum Hiesigen gemäß der Bewegung. [...]
[3] Aber das gemäß der Natur Geschehende geschieht nicht aus Notwendigkeit, sondern das Entstehen des so Geschehenden wird manchmal [...] verhindert. [...] Deswegen wird jemand auch zu Recht sagen, die eigene Natur eines jeden sei der Ursprung und die Ursache für die Ordnung des gemäß der Natur in ihm Geschehenden. [...] Wir sehen nämlich, dass der Körper, weil seine Natur so oder so ist, sich in Krankheiten und Bedrängnissen der natürlichen Zusammensetzung folgend verhält, aber nicht aus Notwendigkeit.