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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

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Platon: Der Staat (Platon) (De re publica) IV 429e-430c

Das Verhältnis der politischen Tapferkeit zu den Gesetzen
Nimm an, dass auch wir uns nach Vermögen bemüht haben, als wir die Soldaten aussuchten und durch Musik und Gymnastik erzogen, und glaube nicht, dass wir irgendetwas anderes damit beabsichtigt haben, dass sie die Gesetze so gut wie möglich gehorsam [oder: überzeugt] annehmen wie eine Farbe. [...] Das derartige Vermögen und die dauerhafte Erhaltung der richtigen und gesetzlichen Meinung über das, was erschreckend ist, und was nicht, nenne und erkläre ich für Tapferkeit [...], und zwar für politische.

Platon: Der Staat (Platon) (De re publica) IV 441d-442a; 443de

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Sokrates: ,Ein jeder von uns, in welchem jedes Element in ihm das Seinige tut, ist folglich gerecht und tut das Seinige. [...] So kommt dem Vernunftvermögen das Herrschen zu, weil es weise ist und für die gesamte Seele Vorsorge trägt, dem zornmütigen Vermögen aber, diesem gehorsam und mit ihm verbündet zu sein‘?
Glaukon: ,Freilich‘. [...]
,Die Gerechtigkeit [...] bezieht sich also nicht auf das äußere eigene Handeln, sondern auf das innere, weil dieses wahrhaft um einen selbst und das eigene geht [...], und man entsprechend handelt, wenn man irgendwie handelt, es betreffe nun den Erwerb des Vermögens oder Pflege des Leibes oder etwas Politisches oder private Verhandlungen.

Platon: Der Staat (Platon) (De re publica) V 473c-e

Das Ideal des Philosophenkönigtums
Wenn nicht [...] entweder die Philosophen Könige werden in den Staaten oder die jetzt so genannten Könige und Regenten aufrichtig und gründlich philosophieren und also beides zusammenfällt, die politische Gewalt und die Philosophie [...], eher gibt es keine Erholung von dem Übel für die Staaten [...] und ich denke auch nicht das menschliche Geschlecht, noch kann jemals zuvor diese Staatsform gedeihen [...], die wir jetzt im Wort durchgegangen sind.

Platon: Der Staat (Platon) (De re publica) V 475b; 479d-480a

Platon über die Definition des Philosophen
Sokrates: ,Also auch der Philosoph, werden wir sagen, trachtet nach Weisheit, und zwar nicht nach einer Art davon, aber nicht nach einer anderen, sondern nach aller?‘
Glaukon: ,Richtig‘“. [...]
,Die nun, die viel Schönes beschauen, das an sich Schöne aber nicht sehen – und auch vieles Gerechte, das an sich Gerechte aber nicht, und ebenso bei allem – [...] von denen wollen wir sagen, dass sie alles meinen, aber nichts von dem, was sie meinen, erkennen. [...] Was ist aber mit denen, die ein jedes an sich beschauen, wie es sich immer gleichermaßen verhält? Nicht so, dass sie erkennen und nicht meinen?‘
,Notwendigerweise‘.
Also werden wir auch sagen, dass diese das begrüßen und lieben, wovon es Erkenntnis gibt, die anderen aber das, wovon es Meinung gibt. [...] Werden wir also einen Fehler machen, wenn wir sie mehr Meinungsliebende als Weisheitsliebenden nennen?

Augustinus von Hippo: Die freie Entscheidung (De libero arbitrio ) I 48-51

Augustinus entwickelt auf der Grundlage stoischer und ciceronischer Überlegungen die Idee eines ewigen Gesetzes, durch das die Welt gut regiert wird
[1] Augustinus: Wenn es dir recht ist, wollen wir also jenes Gesetz zeitlich nennen, welches, wenn es auch gerecht sein mag, dennoch im Verlaufe der Zeit gerechterweise geändert werden kann? Evodius: Nennen wir es so. Aug.: Wie? Jenes Gesetz, das die höchste Vernunft genannt wird, dem immer zu gehorchen ist und durch welches sich die Bösen das unglückliche, die Guten aber das glückliche Leben verdienen, und durch das schließlich das zeitlich zu nennende Gesetz zu Recht erlassen und zu Recht geändert wird – kann dieses Gesetz irgendeinem Einsichtigen anders als unwandelbar und ewig erscheinen? [...]
[2] Ich glaube, du siehst zugleich auch ein, dass in dem zeitlichen Gesetz nichts gerecht und richtig ist, was sich die Menschen nicht aus dem ewigen Gesetz hergeleitet haben. Denn wenn dieses Volk zu einer Zeit gerechterweise Ämter verliehen hat, zu einer anderen wiederum nicht, dann ist diese zeitliche Veränderung, um gerecht zu sein, aus jener Ewigkeit abgeleitet, durch die es immer gerecht ist, dass ein würdevolles [Gesetz] Ämter verleiht, ein ungefestigtes aber nicht. [...]
[3] Um also kurz den Begriff des ewigen Gesetzes, der uns eingeprägt ist, in Worten auszudrücken, soweit ich das vermag: Das ewige Gesetz ist das, wodurch es gerecht ist, dass alles bestens geordnet ist.

Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) I 2, 982b 11-18

Aristoteles (um 340 v. Chr.) charakterisiert die Philosophie als Staunen
Denn wegen des Staunens begannen die Menschen jetzt und am Anfang zu philosophieren, indem sie anfangs über das nächstliegende Unbekannte staunten, dann allmählich fortschritten und auch über Größeres Fragen aufwarfen, z.B. über […] die Entstehung des Alls. Wer aber fragt und staunt, der glaubt nicht zu wissen.

Cicero: Das Wesen der Götter (De natura deorum) I 16, 43

Cicero (um 45 v. Chr.) begründet die Existenz der Götter aus der Verbreitung ihrer Annahme heraus
Denn Epikur allein sah erstens, dass es Götter gibt, weil die Natur selbst deren Begriff in den Geist aller Menschen eingeprägt hat. Denn welche Nation oder welche Gruppe von Menschen hat nicht ohne Unterweisung einen bestimmten Vorbegriff von Göttern? Der Ausdruck Epikurs dafür ist prolepsis, d.h. eine bestimmte vorab begriffene Information über eine Sache im Geist, ohne die man nichts verstehen, nichts erfragen und nichts erörtern kann.

Yūsuf al-Baṣīr : Das Buch der Unterscheidung I 2, § 1

Der jüdische Denker Yūsuf al-Baṣīr (9. Jhdt.), begründet, im Einklang auch mit vielen Muslimen, ein rationales Vorgehen auch bei Anerkennung prophetischer Verkündigung
Die Zustimmung zu dem, was die Propheten – der Friede sei mit ihnen – verkündigten, darf nicht zurückgewiesen werden. Deshalb ist die Untersuchung (naẓar) ihrer Wunderzeichen notwendig. Der Charakter, den das Wunderzeichen als ein Hinweis auf Wissen besitzt, ist sein Herabkommen von [Gott] dem Weisen, dessen Absicht es ist, durch dieses Geschehen [den Propheten] zu beglaubigen. [...] Es wäre aber absurd, wenn wir die Bekräftigung hiervon auf den Anspruch des Propheten selbst zurückführen würden, denn das Wissen über seine Richtigkeit hängt ab vom Wissen (ʿilm) über die bestätigende Weisheit [Gottes].

Al-Fārābī : Buch der Buchstaben § 108. 110; S. 131, 4-9; 132, 7f

Al-Fārābī über das Verhältnis von Philosophie und Religion
Weil durch das Verfahren der apodeiktischen Beweise etwas erst im Anschluss an die Topik (ǧadal) und die sophistischen Schlüsse gewusst wird, ist es nötig dass diese Fähigkeiten, beziehungsweise die auf Meinung beruhende und die verfälschte Philosophie, der methodisch abgesicherten Philosophie (al-falsafa al-yaqīnīya), d.h. der apodeiktisch beweisenden (al-burhānīya), zeitlich vorangehen. Nun folgt die Religion (milla), wenn sie als menschliche verstanden wird, der Philosophie nach, sowohl zeitlich als auch überhaupt, weil sie nur zur Belehrung der großen Menge über die theoretischen und praktischen Dinge dient, welche die Philosophie erforscht, und zwar derart, dass den Menschen das Verständnis hiervon entweder durch Überredung (iqnāʻ) oder durch das Hervorrufen vorgestellter Bilder (taḥyīl) oder durch beides zugleich erreicht. [...] Die Philosophie geht insgesamt der Religion auf dieselbe Weise voran, wie in der Zeit der Benutzer des Werkzeugs dem Werkzeug vorangeht.

Philon von Alexandrien: Die Herstellung der Welt Mose zufolge (De opificio mundi secundum Moysem) 1-3

Philon von Alexandrien (gest. ca. 40 n. Chr.) sieht die Ordnung der Welt in der Philosophie des Mose dargestellt
a) Manche Gesetzgeber haben das, was ihnen als gerecht galt, in ungeschminkter und einfacher Form angeordnet; andere haben ihre Ideen in ein schwülstiges Gewand gekleidet und die Volksmassen geblendet, indem sie mit mythischen Erdichtungen die Wahrheit verhüllten.
b) Moses aber hat beides vermieden, das eine, weil es unbedacht, bequem und unphilosophisch ist, das andere, weil es voll Lug und Trug ist. Er hat vielmehr seinen Gesetzen einen sehr schönen und erhabenen Anfang gegeben [...], da er die Weltherstellung schildert, um gleichsam anzudeuten, dass sowohl die Welt mit dem Gesetz als auch das Gesetz mit der Welt im Einklang steht und dass der gesetzestreue Mensch ohne weiteres ein Weltbürger ist, da er seine Handlungen nach dem Gesetz der Natur ordnet, nach dem auch die ganze Welt gelenkt wird.

Philon von Alexandrien: Die Herstellung der Welt Mose zufolge (De opificio mundi secundum Moysem) 7-9

Der Jude Philon von Alexandrien über den Schöpfer als erste Ursache
a) Es haben nämlich manche, weil sie die Welt mehr als den Welthersteller bewunderten, jene für ungeworden und ewig erklärt, Gott aber dichteten sie in unwürdiger Weise große Untätigkeit an. [...]
b) Moses aber, der bis zum höchsten Gipfelpunkt der Philosophie vorgedrungen und durch Orakel über die meisten und wichtigsten Ursachen der Natur belehrt worden ist, erkannte sehr wohl, dass unter dem Seienden eines die wirkende Ursache, das andere aber passiv sein muss, und dass jenes Wirkende der ganz reine und lautere Geist des Ganzen ist, der besser ist als Tugend, besser als Wissen, besser als das Gute an sich und das Schöne an sich, dass das Leidende dagegen aus sich heraus unbeseelt und unbeweglich ist, sich aber, nachdem es vom Geist bewegt, gestaltet und beseelt wurde, in das vollendetste Werk verwandelte, in diese Welt.
c) Die Leute, die diese ,ungeworden‘ nannten, übersahen, dass sie das Nützlichste und Notwendigste für die Seligkeit aufhoben, die Vorsehung.

Philon von Alexandrien: Die Herstellung der Welt Mose zufolge (De opificio mundi secundum Moysem) 16, 20f

Laut Philon von Alexandrien richtet sich Gott bei der Schöpfung nach einem ewigen Urbild
[1] Da Gott nämlich, weil er Gott ist, von vornherein erkannte, dass ein schönes Abbild niemals ohne ein schönes Vorbild entstehen kann und dass keines von den sinnlich wahrnehmbaren Dingen tadellos sein würde, das nicht einem Urbild und einer geistigen Idee nachgebildet wäre, bildete er, als er diese sichtbare Welt schaffen wollte, vorher die geistige, um dann mit Benutzung eines unkörperlichen und gottähnlichen Vorbildes die körperliche herzustellen [...], die ebenso viele sinnlich wahrnehmbare Arten enthalten sollte, wie in jener gedacht vorhanden waren. [...] Gleichwie nun die in einem Baumeister zuvor entworfene Stadt nicht außerhalb einen Platz hatte, sondern nur der Seele des Handwerkers eingeprägt war, ebenso hat auch die aus den Ideen bestehende Welt keinen andern Ort als den göttlichen Logos, der alles geordnet hat.
[2] Eine Kraft [von ihm] ist auch die weltschöpferische, die als Quelle das wahrhaft Gute hat. Denn wenn jemand die Ursache erforschen will, warum eigentlich dieses All geschaffen wurde, so scheint mir das Ziel nicht zu verfehlen, wer sagt – wie es auch schon einer der Alten getan hat –, dass der Vater und Schöpfer gut ist. Deshalb hat er seine vollkommene Natur nicht dem Sein vorenthalten, das aus sich selbst nichts Schönes ist, aber alles werden kann.

Agathias : Historien (Agathias) (Historiae) II 30, 3f.; 31, 1f.

Der Historiker Agathias (6. Jahrhundert) berichtet, wie die letzten Athener Philosophen nach Persien zogen (offensichtlich nach Schließung ihrer Schule im Jahre 529)
a) Damaskios der Syrer, Simplikios der Kilikier, Eulamios der Phrager, Priskian der Lyder, Hermeias und Diogenes aus Phoenizien und Isidor aus Gaza, alle von ihnen die höchste Blüte [...] der in unserer Zeit Philosophierenden – weil ihnen die bei den Römern [= Byzantinern] überwiegend herrschende Meinung [= das Christentum] nicht gefiel und sie glaubten, dass das persische Staatswesen viel besser sei, hierin durch das von den vielen Besungene überzeugt, dass die Herrschaft bei jenen höchst gerecht und so sei, wie die Aussage Platons es möchte, indem Philosophie und Königsherrschaft zusammen kämen [...] – brachen sofort auf und zogen in fremde und unvermischte Gebiete, um dort fürderhin zu leben. [...]
b) Weil sie aber, als sie mit dem König [Kosrau] sprachen, in ihrer Hoffnung enttäuscht wurden, weil sie einen Mann vorfanden, sich wie ein Philosophierender gebärdete, aber nichts von dem Erhabeneren wusste, weil er nicht einmal ihrer Meinung war, sondern wieder anderes glaubte, zogen sie, weil sie die Verruchtheit der Vermischungen nicht ertrugen so schnell wie möglich zurück. Gleichwohl liebte sie dieser und forderte sie zum Bleiben auf, sie aber glaubten, es sei besser für sie, nachdem sie nur das römische Gebiet betreten hätten, wenn es sich ergeben sollte, sogar zu sterben, als bei den Persern bleibend die höchsten Geschenke zu erhalten.

Priskianos Lydos : Lösungen für Chosroes (Solutiones ad Chosroem ) 41, 1-9; 42, 25-43, 8; 52, 25-53, 2; 63, 24-27

Die Fragen des Königs Kosrau an den Philosophen Priskian von Lydien
a) Lösungen des Philosophen Priskian von demjenigen, worüber Kosrau, der König der Perser, fragte. Weil viele und unterschiedliche Sätze infrage stehen [...], ist es notwendig, auf ähnliche Weise einzeln abtrennend, den Fragen in geeigneter Weise Lösungen gegenüberzustellen und für sie [...], soweit es möglich ist, die exzerpierten Bücher der Alten heranzuziehen. [...]
b) Erstens: Was ist die Natur der Seele, und gibt es in allen Körpern ein und dieselbe oder besteht ein Unterschied? [...] Man muss aber auch wissen, aus welcher Ursache die Unterschiedlichkeit einer Seele stammt. Wenn nämlich der Körper die Seele verwandelt und hierdurch jede Seele sich von der anderen unterscheidet, da scheint es so, dass der Körper die Seele beherrscht. Wenn aber die Seele den Körper verwandelt und die Unterschiedlichkeit der Form aus genau dieser Ursache stammt, da ist es offenbar klar, dass die Seele den Körper beherrscht. [...] Da dies vorliegt, muss man zuerst über die Seele Untersuchungen anstellen. [...] Das zweite Kapitel des Gefragten behandelt den Schlaf und seine Natur [...]: Was ist der Schlaf und von welcher Natur? Und was ist schlafen und was wach sein? [...] Aber auch dies ist zu bedenken: Warum gibt es in jeder Klimazone vier Veränderungen des Sonnenjahrs, Frühling, Sommer, Herbst und Winter? [...].

Paul der Perser : Abhandlung über die Logik des Philosophen Aristoteles (Tractatus de opere logico Aristotelis philosophi) 1, 3f.; 9f.; 2, 9-23-3, 3

Paul der Perser (6. Jhdt.) widmet Kosrau III. eine Einführung in die aristotelische Logik
[1] „Glückseliger Kosrau, König der Könige, Bester unter den Menschen, Dich grüßt Dein Diener Paul. Die Philosophie (filosofūṯā), das wahre Wissen von allem, ist in Euch, und aus ihr, aus der Philosophie, die in Euch ist, sende ich Euch ein Geschenk. [...] Diese ist besser als alle anderen Geschenke. [...]
[2] Es zeigt sich aber, dass die Menschen sich gegenseitig bekämpfen und ein jeder dem anderen widerspricht. Denn die einen unter ihnen sagen, es gebe nur einen Gott, andere aber, er sei nicht einzig. [...]. sagen, die Menschen seien frei in ihrem Wollen, die anderen widersprechen dem. Noch vieles dieser Art bringen sie vor und geben ihm Platz in ihren Überlieferungen, aus denen hervorgeht, dass sie einander widersprechen. [...]
[3] Und hierüber [...] ist es für uns nicht leicht, ja sogar nicht möglich, dass wir eines bevorzugen und das andere verlassen, das eine wählen und das andere zurückweisen. [...] Deswegen wird der Gegenstand dieser Dogmen im Hinblick auf den Glauben und im Hinblick auf das Wissen (īḏaʿtā) untersucht. [...] Der eine ist nun an den Zweifel (pulāǥā) gebunden, das andere ist ohne Zweifel. Jeder Zweifel schafft Spaltung, Abwesenheit des Zweifels aber Einheit. Demnach ist das Wissen als der Glaube und eher zu wählen als dieser.

Ammonios Hermeiou: Kommentar zur Eisagoge des Porphyrios (In Isagogen commentarium) Prolegomena, p. 3, 8f.; 11, 6-22

Ammonios, Sohn des Hermias, ein platonischer Philosophieprofessor in Alexandrien (ca. 435-517), begründet die Zweiteilung der Philosophie
"Die Philosophie ist ein Ähnlichwerden mit Gott gemäß dem dem Menschen möglichen." So hat es nämlich Platon definiert (Theaitet 176b). [...] Nun wird die Philosophie in die theoretische und die praktische eingeteilt. Es ist aber wert zu fragen, aus welchem Grund. [...] Weil wir gesagt haben, die Philosophie sei ein Ähnlichwerden mit Gott, weil Gott aber zweierlei Kräfte hat, die einen alles Seiende erkennenden, die anderen für uns niedriger Stehende Vorsehung treffenden, wird die Philosophie zu Recht in die theoretische und die praktische eingeteilt. [...] Unsere Seele hat ebenfalls zweierlei Kräfte, zum einen erkennende wie Verstand, Denken, Meinen, Vorstellen und sinnlich wahrnehmen, zum anderen lebendige und strebende wie Wollen, Zornmut und Begehren. Der Philosoph nun will alle Teile der Seele schmücken und zur Vollendung führen: Durch das Theoretische wird das Erkennende in uns vollendet, durch das Praktische das Lebendige.

Sergios von Resch'ayna: Kommentar an Theodoros zu Aristoteles’ Kategorien Buch I, § 9-10; I 2f.; Mingana syr. 606, f. 53v-54r (p. 191 Hugonnard-Roche)

Sergios von Rēšʿaynā (gest. 536), ein Schüler des Ammonios und syrischer Aristoteles-Adaptor erklärt auf Syrisch, was Philosophie ist
Die Philosophie ist eine Ähnlichkeit zu Gott (dumyā ḏ-allāhā). [...]
Und weiter sagen [die Philosophen]: Weil die rationale Seele die Mutter der Wissensformen und auch selbst in zwei Teile geteilt ist, deswegen teilte sich auch die Philosophie, die ihrerseits das Wissen von allem ist, in zwei Teile. [...] Sie sagen nämlich, dass zu diesen Erkenntniskräfte gehören, so wie Verstand, Denken und Meinen, und zu ihnen Lebenskräfte gehören, so wie Begehren, Zornmut und Wollen. Weil also die Philosophie die gesamte Seele reinigt, sagen sie zutreffend, dass auch sie in zwei Teile geteilt ist. Denn durch ihren ersten und theoretischen Teil [S. 342] reinigt sie die Erkenntniskräfte, so dass sie nicht etwas für ein anderes erkennen (= halten) , sondern die Wahrheit und die Bestimmtheit der Dinge erkennen. Durch den anderen, den praktischen Teil wiederum reinigt sie die Lebenskräfte und bereitet sie vor, dass ihre Lebensführung hierin nicht in unnützen Dingen besteht, sondern dass ihre Bewegungen richtig und trefflich erfolgen.

Barhadbeschabba von Ḥalwān: Ursache der Gründung von Schulen (Causa fundationis scholarum) (p. 341f. Scher)

Barḥaḏbšabbā (um 600), ein Lehrer an der christlichen Schule von Nisibis im Perserreich, erklärt die Fähigkeiten unserer Seele
Diese rationale und erleuchtete Intelligenz ist eine Ähnlichkeit zu Gott ihrem Schöpfer. [...] Im Hinblick darauf, dass unsere Rede auf diese Intelligenz zielt, die in uns ist, wollen wir sehen, wie sie in uns ist, und welches ihre Wohnstätte ist. [...] Es ist dann folglich ihre Ursache und ihr Fundament die Seele, welche in uns gebunden ist. Das, was an Erkenntniskräften (an) ihr ist, sind drei: Verstand, Denken und Meinen. Aus diesen gehen drei andere hervor, und zwar Begehren, Zornmut und Wollen. Die Intelligenz aber steht oberhalb von ihnen allen, wie der weise Wagenlenker, der geschickte Steuermann, der in die Ferne schaut, und sein Schiff, das diese Schätze trägt, fernhält von den Felsen des Irrtums und von den Nebeln der Unkenntnis, indem der erste und theoretische Teil [S. 342] die Erkenntniskräfte reinigt, so dass sie nicht etwas für ein anderes erkennen (= halten) , sondern die Wahrheit und die Bestimmtheit der Dinge erkennen. Durch den anderen, den praktischen Teil wiederum reinigt sie die Lebenskräfte und bereitet sie vor, dass ihre Lebensführung hierin nicht in unnützen Dingen besteht, sondern dass ihre Bewegungen richtig und trefflich erfolgen.

Barhadbeschabba von Ḥalwān: Ursache der Gründung von Schulen (Causa fundationis scholarum) (p. 378f. Scher)

Barḥaḏbšabbā stellt die Bedeutung des christlichen Kirchenvaters Theodor von Mopsuestia heraus, des Begründers der in Nisibis gelehrten Tradition der Kirche des Ostens
a) Denn bis zu der Zeit, zu der die Gnade diesen Mann zum Existieren und Wohnen unter den Menschen gebracht hatte, waren alle Teile der Lehre, der Erklärungen und der Traditionen der Heiligen Schriften, gleich den verschiedenen Arten, aus denen das Bildnis des Königs der Könige gemacht ist, verteilt und verstreut an jedem Ort, konfus und ungeordnet bei sämtlichen früheren Schriftstellern und katholischen Vätern der Kirche. Nachdem dieser Mensch das Gute vom Bösen unterschieden und sämtliche Schriften und Überlieferungen der Alten durchforscht hatte, da sammelte er, nach Art eines geschickten Arztes, sämtliche [S. 379] Traditionen und Aphorismen, die zerstreut waren, zu einer einzigen Vollkommenheit, setzte sie dem Handwerk und dem Intellekt gemäß zusammen und fertigte aus ihnen ein vollkommenes Heilmittel an Lehre, vollkommen in Tugenden – dasjenige, das die schweren Krankheiten des Nicht-Wissens ausreißt und entfernt von den Meinungen derer, die sich ernsthaft mit seinen Schriften befassen. Denn obwohl es Krankheiten und Leiden in unserem Körper gibt, so gibt es doch unter allen Leiden keines, das böser und bitterer ist für die Seelen der Menschen, als die Krankheit des Nichtwissens.
b) Und ebenso wie diejenigen, die eine Statue herstellen, jedes einzelne Glied der Gestalt für sich herstellen, sodann eines nach dem anderen zusammen-setzen, wie es die Ordnung des Handwerks erfordert, und eine vollkommene Statue machen, so kombinierte auch der selige Theodor, ordnete und passte ein, und setzte jedes einzelne Glied dieser Lehre in die Ordnung, welche die Wahrheit erfordert, und erstellte aus ihnen durch alle seine Schriften eine vollkommene und wunderbare Gestalt von diesem Wesen, das Herr der Güter ist.