Perkams-Zitatenschatz.de

Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Zitatfinder

Yūsuf al-Baṣīr : Das Buch der Unterscheidung Prolog § 2 und 4

Die Notwendigkeit von Theologie – eine Position aus der jüdischen Muʿtazila
[Gott] hat unseren Verständen eingepflanzt und verpflichtend gemacht, die Tatsachen zu untersuchen, welche auf sein Bestehen hinweisen und zu dem Wissen über sein Wesen führen. [...] Wer die Untersuchung unterlässt, weil es ihm schwierig erscheint, der verharrt in Untätigkeit, und wer sich damit zufriedengibt, der versündigt sich an seiner Seele.

Moses Maimonides: Wegweiser für die Verwirrten (Dux neutrorum sive perplexorum) I 71, § 46 u. 50 (p. 180 Atay)

Der Jude Moses Maimonides weist auf die historischen Ursprünge des Kalām, d.h. der rationalen Theologie seit frühislamischer Zeit, hin
Was diese geringe Kleinigkeit anbelangt, die du von Seiten des Kalām zum Thema der Einheit [Gottes] (tawḥīd) und dem, was damit zusammenhängt, bei einigen Geonim und Karäern findest, so übernahmen sie diese Dinge von den Mutakallimūn aus dem Islam. [...] Des Weiteren sollst du wissen: Alles, was die Richtungen des Islam – wozu die Muʿtaziliten und die Ašʿāriten gehören – zu diesen Themen gesagt haben, sind Meinungen, die auf bestimmten Prämissen beruhen. Diese Prämissen sind den Büchern der [christlichen] Griechen und Syrer entnommen, die einen Widerspruch zu den Meinungen der Philosophen aufbrachten und deren Aussagen entkräfteten.

Yūsuf al-Baṣīr : Das Buch der Unterscheidung I 2, § 3f

Der Gottesbeweis der Muʿtaziliten stellt eine Variante des kosmologischen Gottesbeweises dar
Gott der Erhabene ist nicht sichtbar. Somit ist der Weg, Ihn zu erkennen, Sein Handeln, im Vergleich zu welchem es uns unmöglich ist, etwas ähnliches wie er zu erzeugen, zum Beispiel Körper und dergleichen mehr. Es ist zwingend, dass wir zuerst das Neuentstanden-Sein (ḥudūṯ) dieser Dinge erkennen und danach deren Abhängigkeit von einem weisen Neuerschaffer (muḥdiṯ) erweisen.

Yūsuf al-Baṣīr : Das Buch der Unterscheidung I 1, § 1-3. 5-6

Yūsuf al-Baṣīr überliefert Definitionen von Grundbegriffen aus dem muʿtazilitischen Kalām
[1] Die Definition eines Begriffes und sein Wesen (ḥaqīqa) beziehen sich auf dasselbe. Somit lautet die Definition von ,etwas‘ (šayy): ,das, was man wissen kann und worüber man eine Aussage treffen kann‘. Es macht also keinen Unterschied, ob wir sagen ,etwas‘ oder ,Gegenstand des Wissens‘. In der Sprache der Mutakallimūn lautet dies ,an-sich‘ (ḏāt). [...]
[2] Das ,etwas‘ teilt sich in das ,existierende‘ (mawǧūd) und das ,nicht existierende‘ (maʿdūm). [...] Und das ,Existierende‘ teilt sich in die zwei Teile ,ewig‘ und ,neu entstanden‘ (muḥdaṯ). Das ,Ewige‘ ist das, dessen Existenz keinen Anfang hat, das Neu-Entstandene hingegen dasjenige, dessen Existenz einen Anfang hat. [...] Das ,Neu-Entstandene‘ unterteilt sich in Atome (ǧawhar) und Akzidenzien. [...] Wo immer sich ein Atom befindet, besetzt es eine Position im Raum.

Yūsuf al-Baṣīr : Das Buch der Unterscheidung I 8, § 1. 3b

Yūsuf al-Baṣīr entwickelt einige begriffliche Klärungen, um den muʿtazilitischen Gottesbeweis vorzubereiten
[1] Über das Bestehen des Neu-Machers. Der Beweis hierfür beruht auf vier Grundsätzen, wovon einer lautet: Es gibt Neu-Entstandenes. Der zweite von ihnen lautet: Dies benötigt uns für seine Neu-Entstehung. Der dritte von ihnen lautet: Die Ursache dafür, dass es uns benötigt, ist sein Sein als Neu-Entstandenes. Der vierte von ihnen lautet: Der Körper hat mit diesen das Neu-Entstandensein gemeinsam, folglich muss er mit ihnen auch das Benötigen eines Herstellers gemeinsam haben. [...]
[2] Der Unterschied zwischen unserem Aufstehen und der Größe unseres Körpers ist zwingend bekannt. Denn wenn wir nicht aufstehen wollen, dann bleibt das Sitzen bestehen, vorbehaltlich normaler Bedingungen. Anders hingegen bei etwas, das wir zwingend vorfinden, wie etwa die Farbe oder die Körpergröße.

Yūsuf al-Baṣīr : Das Buch der Unterscheidung I 20, § 5

Ein muʿtazilitischer Beweis für die Einzigkeit Gottes
Würde es neben Gott einen zweiten geben, dann müssten dessen Attribute mit Seinen Attributen identisch sein, und zwar deshalb, weil diese auf ihn selbst zurückzuführen sind und nicht auf eine Ursache. Denn der [göttliche] Wille [...] ist nicht etwa bei einer der beiden Gottheiten spezifisch vorhanden und bei der anderen nicht.

Ad-Dārimi : Widerlegung der Ğahmiten 61, 15-17

Der Sunnit ad-Dārimi [gest. 869] kritisiert die Muʿtaziliten bzw. die ihnen nahestehenden Ğahmiten
Sie sprachen große Worte von Gott und schmähten ihn auf schändliche Weise, ließen ihn dumm sein und beraubten ihn nach und nach der Attribute, mit denen er beschrieben ist. Schließlich nahmen sie ihm auch sein Vorherwissen (al-ʿilm as-sābiq), die Rede, das Gehör, den Blick, jegliche Sache.

Al-Ašʿarī : Die dogmatischen Lehren des Islam 594, 4-9

Al-Ašʿarī (gest. 935), als Begründer der dominanten Richtung der Ašʿariten eine zentrale Figur der Geschichte des Kalām, referiert eine Gegenposition, welche behauptet, der Koran sei geschaffen
Der Koran ist ein Akzidens auf ,der wohlverwahrten Tafel‘ [vgl. Stunde 2, Nr. 5]; er subsistiert in der Tafel und kann unmöglich aus der Tafel verschwinden. [...] Er ist also auf der Tafel erschaffen. [...] Wenn ihn jemand aufsagt, dann schafft Gott für ihn dieses Aufsagen in diesem Augenblick als eine Erwerbnis des Aussagenden. Also wird der geschaffene [Koran] in diesem Augenblick in einem zweiten Schöpfungsakt geschaffen.

Al-Kindī : Die erste Philosophie (Philosophia prima) IV (p. 181-183)

Kindīs Beweis Gottes als der Wahre Eine
[1] Da Einheit und Vielheit gemeinsam in jedem der sinnlich wahrnehmbaren Dinge bestehen und dem, was den sinnlich wahrnehmbaren Dingen anhaftet, und die Einheit darin insgesamt ein Eindruck ist, der von irgendwo her kommt und akzidentell, nicht der Natur nach vorhanden ist, und die Vielheit notwendigerweise eine Ansammlung von Einheiten ist, so ist es notwendigerweise so, dass es, wenn es keine Einheit gibt, auch überhaupt keine Vielheit gibt. [...]
[2] Sein zu erhalten besteht genau darin, einem Akt unterzogen zu werden (infiʿāl), so dass existiert, was nicht war. Die Emanation (faiḍ) der Einheit aus dem ersten Wahren Einen (al-wāḥid al-ḥaqq) bedeutet, dass jedes sinnlich wahrnehmbaren Ding [...] Sein erhält, so dass jedes einzelne derartige existiert. [...] Die Ursache des Erhaltens von Sein stammt von dem wahren Einen her, das die Einheit nicht von einem Geber her erhielt, sondern in sich selbst eines ist.

Al-Kindī : Die erste Philosophie (Philosophia prima) IV (p. 161-163)

Kindīs Charakterisierung des wahren Einen
[1] Dem wahren Einen kommt nicht zu, in Beziehung zu etwas Gattungsverwandtem zu stehen. Aber wenn es eine Gattung hätte, käme ihm zu, mit einem Gattungsverwandten in Beziehung zu stehen. Also hat das wahre Eine überhaupt keine Gattung. [...]
[2] Das wahre Eine ist daher ewig, und ihm kommt niemals und in überhaupt keiner Weise Vielheit zu. Und es wird nicht eines genannt in Bezug zu etwas von ihm Verschiedenem, da es etwas ist, was weder eine Materie hat, durch die es zerteilt werden könnte, noch eine Form, die aus Gattung und Arten zusammengesetzt ist.

Al-Kindī : Die erste Philosophie (Philosophia prima) II (p. 87-91)

Al-Kindī argumentiert dafür, dass die Welt neu entstanden und nicht ewig ist
[1] Wenn es einen unendlichen Körper gibt und man einen Körper von endlicher Größe von ihm wegnimmt, dann ist der Rest entweder von endlicher Größe oder von unendlicher Größe.
- Wenn der Rest von endlicher Größe ist und man ihm den abgespaltenen Teil von endlicher Größe hinzufügt, dann ist der aus beiden Teilen gemeinsam entstandene Körper von endlicher Größe. Das, was aus beiden Teilen entsteht, ist das, was, bevor man etwas von ihm abgespalten hat von unendlicher Größe war. Es wäre daher endlich und unendlich. Das aber ist ein unmöglicher Widerspruch.
- Wenn der Rest allerdings von unendlicher Größe ist und wenn man ihn um das ergänzt, was man zuvor von ihm entfernt hat, so ist es entweder größer als es war [...] oder aber gleich groß. Wenn es größer wäre, dann wäre etwas Unendliches größer als etwas Unendliches. [...] Zwei gleich große Dinge sind solche, bei denen die Distanzen zwischen ihren Enden dieselben sind. Sie sind daher endlich. [...]
[2] Zeit ist eine Quantität, und es ist daher unmöglich, dass es eine in Aktualität unendliche Zeit gibt. Deshalb hat die Zeit einen endlichen Anfang. Auch die Dinge, die zu etwas Endlichem gehören sind notwendigerweise endlich. Alles, was zum Körper gehört, ob Quantität oder Ort oder Bewegung oder Zeit – die durch Bewegung eingeteilt wird – [...] ist auch endlich, da der Körper endlich ist. Der Körper des Universums ist daher endlich, und auch alles, was dazu gehört, ist endlich.
Man kann sich nun vorstellen, dass der Körper des Universums fortwährend ergänzt wird, und man kann sich daher etwas Größeres als ihn vorstellen und dann noch etwas Größeres usw. Was die reine Potentialität angeht, sind solche Ergänzungen unendlich. [...] Das Unendliche existiert daher nur in Potentialität. In Aktualität aber, wie wir bereits erklärt haben, ist es unmöglich, dass etwas unendlich ist.

Bibel: Jüdisches / Altes Testament: Buch der Sprichwörter 8, 12. 22–27. 30

Im biblischen Buch der Sprichwörter stellt die Weisheit sich selbst vor
Ich, die Weisheit (ḥokmah), verweile bei der Gewitztheit. Ich entdecke Erkenntnis und guten Rat. [...]. Der Herr hat mich geschaffen als Anfang seiner Wege [rēšīt darkō; EHÜ: am Anfang], vor seinen Werken in der Urzeit. Vor der Welt [meʿōlam; LXX vor der Ewigkeit; EHÜ: in frühester Zeit] wurde ich gebildet, vor dem Anfang, vor den Ursprüngen der Erde. Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren; als es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen. Ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln wurde ich geboren. Noch hatte er die Erde nicht gemacht und die Fluren und alle Schollen des Festlands. Als er den Himmel baute, war ich dabei, als er den Erdkreis abmaß über den Wassern, [...] da war ich als geliebtes Kind bei ihm. Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit.

Al-Kindī : Die erste Philosophie (Philosophia prima) I (p. 59f. 63. 65)

Al-Kindī über die erste Philosophie und ihre Quellen
[1] Den ehrenvollsten und erhabensten Rang in der Philosophie hat die erste Philosophie inne. Damit meine ich das Wissen um das erste Wahre (al-ḥaqq al-awwal), dass die Ursache alles Wahren ist. [...]
[2] Es ist für uns wie auch für frühere herausragende Philosophen, nicht von unserer Sprache, offensichtlich, dass niemand [...] durch die Anstrengung seines eigenen Strebens das Wahre erreicht. [...] Wenn man aber das Wenige, das jeder, der ein wenig Wahres erreicht hat, zusammennimmt, so ergibt dies eine beträchtliche Menge. [...] Wären [unsere Vorgänger] nicht gewesen, so würden uns – trotz intensiver Forschung während unseres ganzen Lebens – die wahren Prinzipien nicht zuteil, die uns zu den Endpunkten des wahrhaft Gesuchten gelangen lassen. [...]
[3] Wir dürfen uns nicht schämen, das Wahre und seine Erwerbung zu billigen, woher sie auch kommen mögen, auch wenn sie von Menschen, die anders als wir sind, und von fremden Völkern kommen. Es gibt nämlich nichts, was angemessener für denjenigen wäre, der das Wahre sucht, als das Wahre selbst. Das Wahre, wird durch denjenigen, der es ausspricht oder übermittelt, weder herabgesetzt noch geschmälert.

Abū Ḥātim ar-Rāzī: Zeichen der Prophetie 3-4 = Abū Zakarīya ar-Rāzī, Rasāʾil falsafīya, Beirut 1982, 295, 8-13

Abū Zakarīya ar-Rāzī über die angemessenste göttliche Inspiration
Das Vorzüglichste in der Weisheit des Weisen und der Gnade des Gnädigen ist, dass er seine gesamten Diener mit dem Wissen (maʿrifa) um das Nützliche und Schädliche inspiriert, sowohl jetzt als auch im Kommenden, ohne die einen den anderen vorzuziehen, damit nicht Kampf und Streitigkeit zwischen ihnen herrsche, so dass sie zugrunde gehen. Das wäre achtsamer, als wenn er einige von ihnen zu Imamen der anderen machte, so dass jede Sekte (firqa) ihrem eigenen Imām die Wahrheit zuspräche und den anderen die Falschheit, bis sie sich gegenseitig mit dem Schwerte ins Gesicht schlügen, Elend verbreiteten und durch Feindschaft und Wettstreit zugrunde richteten. Denn viele Menschen gingen auf diese Weise zugrunde, wie wir sehen.

Al-Fārābī : Katalog der Wissenschaften Prolog (p. 53f. Amine)

Al-Fārābīs Programm einer Aufzählung der Wissenschaften
Unsere Absicht in diesem Buch ist es, die bekannten Wissenschaften einzeln aufzuzählen, und einen Überblick darüber zu geben, was jede einzelne von ihnen enthält, und über die Teile einer jeden von ihnen, die Teile hat, sowie über das, was in jedem Teil vorliegt. Wir legen dies in fünf Kapiteln vor. Das erste handelt von der Sprachwissenschaft und ihren Teilen. Das zweite handelt von der Wissenschaft der Logik und ihren Teilen. Das dritte Kapitel handelt von den mathematischen Wissenschaften. Dies sind die Arithmetik, die Geometrie, die Optik, die mathematische Astronomie, die Wissenschaft der Musik, die Wissenschaft von den Gewichten und die technische Erfindungswissenschaft. Das vierte Kapitel handelt von der Naturwissenschaft und ihren Teilen sowie von der göttlichen Wissenschaft (ʿilm al-ilāhī) und ihren Teilen. Das fünfte Kapitel handelt von der politischen Wissenschaft, von der Wissenschaft vom [islamischen] Recht (ʿilm al-fiqh) und von der [rationalen] Theologie (ʿilm al-kalām) [...]. Mit diesem Buch kann jemand zwischen den Wissenschaften einen Vergleich anstellen, so dass er weiß, welche von ihnen besser, nützlicher, wirksamer ist und welche geringer an Wert, weniger zuverlässig und weniger wirksam.

Al-Fārābī : Katalog der Wissenschaften II (p. 67 Amine)

Al-Fārābī über die Leistungen und Grundlagen der Logik
Die Fertigkeit der Logik (ṣināʿat al-mantiq) liefert insgesamt Regeln, deren Kennzeichen es ist, den Intellekt zu richtig zu machen und den Menschen zum Weg der Korrektheit und zum Wahren hin bei all denjenigen Verstandesgegenständen (al-maʿqūlāt) zu führen, bei denen ein Irrtum auftreten kann. [...] Dies ist so, weil es bei den Verstandesgegenständen Dinge gibt, bei denen er sich überhaupt nicht irren kann, und das sind die, deren Erkenntnis und deren Gewissheit (al-yaqīn) der Mensch gleichsam in seiner Seele angeboren vorfindet, wie z.B. dass das Ganze größer ist als seine Teile.

Al-Fārābī : Katalog der Wissenschaften II (p. 76 Amine)

Al-Fārābī über die Bedeutung der Logik für das Verständnis von Sprache
[Die Logik] stimmt mit der Grammatik darin überein, dass sie Regeln für Ausdrücke liefert, und sie ist von ihr dadurch unterschieden, dass die Wissenschaft der Grammatik (ʿilm an-naḥw) Regeln liefert, die den Ausdrücken eines bestimmten Volkes eigentümlich sind, während die Wissenschaft der Logik allgemeine Regeln liefert, die den Ausdrücken aller Völker gemeinsam sind.

Al-Fārābī : Katalog der Wissenschaften II (p. 46-50 Palencía bzw. 86-89 Amine)

Die Teile der Logik nach al-Fārābī ergeben sich, wie schon im antiken Curriculum, aus bestimmten Büchern des Aristoteles
[1] Es ergeben sich also mit Notwendigkeit acht Teile der Logik, von denen jeder sich in einem Buch befindet. Im ersten werden die Regeln der einfachen Vernunftgehalte und der sie bezeichnenden Aussagen behandelt. Und diese stehen in dem Buch, das Arabisch Kategorien und Griechisch Qategorias heißt. Im zweiten werden die Regeln der einfachen Aussagen behandelt [...]. Und diese stehen in dem Buch, das Arabisch Erklärung und Griechisch Peri Hermeneias heißt. Im dritten werden die Ausdrücke behandelt, durch die die den fünf Techniken gemeinsamen Syllogismen entstehen, und diese stehen in dem Buch, das entweder Arabisch Syllogismus oder Griechisch Erste Analytik heißt. Im vierten werden die Regeln behandelt, mit denen die beweisenden Aussagen geprüft werden, sowie die Regeln der Angelegenheiten, durch welche die Philosophie zusammengesetzt wird; und alles, was hierdurch entsteht, dessen Akte sind besser und ausgezeichneter und vollkommener; und dies heißt auf Arabisch Buch des Beweises (kitāb al-burhān) und auf Griechisch Zweite Analytik.
[2] Im fünften werden die Regeln behandelt, durch welche die dialektischen Aussagen geprüft werden, und wie die dialektische Frage und die dialektische Antwort funktioniert; und überhaupt die Regeln, durch welche die Technik der Dialektik zusammengesetzt wird, und durch diese werden ihre Akte besser, vollkommener und nützlicher. Und dies heißt auf Arabisch Buch der dialektischen Plätze und auf Griechisch Topika. Im sechsten werden [...] die Regeln der Dinge angeführt, deren Merkmal ist, von der Wahrheit wegzuführen. [...] Dieses Buch heißt auf Griechisch Sophistika, und der Sinn davon ist „täuschend“. Im siebten stehen die Regeln, durch welche die rhetorischen Aussagen geprüft und entwickelt werden. [...] Dieses Buch heißt auf Griechisch Rītorikā, d.h. Rhetorik. Im achten stehen die Regeln, durch welche die Verse entwickelt werden. [...] Und dieses Buch heißt Griechisch Poetik.

Al-Fārābī : Katalog der Wissenschaften IV (p. 120f. Amine)

Al-Fārābīs programmatische Äußerung zu den Teilen und den erreichbaren Leistungen der Metaphysik, die auf arabisch „göttliche Wissenschaft“ (griech. θεολογία) heißt
[1] Die göttliche Wissenschaft wird in drei Teile eingeteilt: Der erste untersucht das Existierende und die Dinge, die ihnen insofern zukommen, als sie existierend sind. Der zweite erforscht die Prinzipien der Beweise (mabādiʾ-l-barāhīn) in den einzelnen theoretischen Wissenschaften (al-ʿulūm an-naẓarīya). [...] Im dritten Teil wird [all] das Existierende erforscht, das weder Körper noch in Körpern ist. [...]
[2] Dann beweist sie, dass dieses in seiner Vielheit vom Geringeren zum Vollkommeneren aufsteigt, bis es schließlich am äußersten Ende des Vollkommenen zu dem Vollkommenen gelangt, demgegenüber es nichts Vollkommeneres geben kann. [...] Dann verdeutlicht sie, dass das, was diese Eigenschaften hat, jenes ist, von dem man überzeugt sein muss, dass es Gott (allah) ist. [...] Dann lehrt sie, auf welche Weise alles Existierende von ihm hervorgebracht wurde und auf welche Weise es von ihm die Existenz erhalten hat. Dann erforscht sie die Ordnungen von allem Existierenden und auf welche Weise dieses diese Ordnungen erhalten hat und in welcher Form jedes Einzelne davon würdig ist, auf der Stufe zu stehen, auf der es steht.

Al-Fārābī : Buch der Buchstaben § 111. 113 (p. 133, 1-4. 14-16; 134, 12-15 Mahdi)

Al-Fārābī erklärt die Vertreter der Philosophie zur geistigen Elite des islamisch geprägten Umfelds, auch im Vergleich zur rationalen Theologie (kalām)
[1] Auch entwickelte sich das Verhältnis der Theologie zur Philosophie so, dass es ebenfalls in gewisser Weise ein dienendes [Verhältnis] dieser gegenüber ist, vermittelt durch die Religion. Denn sie [die Theologie] trägt bei und umfasst nur einen Nachweis dessen, was zuerst in der Philosophie durch Beweise nachgewiesen wurde, insofern es durch den Urheber der Meinung (bādī l-rayy [gemeint ist der Religionsstifter]) in der Masse bekannt gemacht wurde. [...]
[2] Die Elite schlechthin sind folglich die Philosophen schlechthin, und die übrigen, die für Elite gehalten werden, werden nur deswegen dafür gehalten, weil sie eine Ähnlichkeit mit den Philosophen aufweisen. [...] Als Elite gelten also in erster Linie und insbesondere schlechthin die Philosophen, dann die Topiker (al-ǧadalīyūn) und Sophisten; sodann die Gesetzgeber (wāḍiʿū n-nawāmis), sodann die Theologen und Juristen (al-mutakallimūn wa-l-fuqahāʾ). Und unter der Masse und dem einfachen Volk [...] gibt es jemanden, der mit der politischen Herrschaft betraut wurde, ob es nun gerecht war, dass man ihn betraute oder nicht.