Der Bischof Zacharias berichtet über die Diskussionen, die er als Student in Alexandria mit seinem Lehrer, dem neuplatonischen Philosophen Ammonios, Sohn des Hermias, geführt hat.
Einst befanden ich und einige andere der Studenten des (Philosophen) Ammonios, welche sich auf die „Physikvorlesung“ konzentrierten, im Vorlesungssaal, zur Frühlingszeit, wenn der Südwind sehr angenehm und kraftvoll weht, wenn der gewaltige Fluss gefällig mit seinen Wellen Ägypten bespült und die ägyptischen Äcker befeuchtet.
Ammonios aber erklärte und verdeutlichte uns, so wie die Ausleger von Orakelsprüchen, die Weisheit des Aristoteles, wobei er ganz nach Sophistenart hochmütig auf einem hohen Sessel saß.
Und als ein Wort über den Himmel vorüberfloss [...], bildete er folgende Prämisse: „Scheint der Himmel eine schöne Sache zu sein oder nicht?“
„Eine schöne“, sagte ich. [...]
„Wenn nun, sprach dieser, der Himmel schön ist, und der Vater und Schöpfer dieses Alls gut ist, wie können die Christen behaupten, dass nicht das Schöne mit dem Guten die gesamte Ewigkeit verbunden sei?
Peter Abaelard diskutiert in seinem Dialog das Verhältnis von Ethik und Theologie
a) Christ: Nun brechen wir schließlich, wie ich es auffasse, zum Ziel und zur
Vollendung aller Disziplinen auf, die ihr gewöhnlich Ethik, d.h. Morallehre,
wir Theologie nennen. Dabei nennen wir sie nämlich nach dem so, zu dessen
Erreichen gestrebt wird, d.h. nach Gott, ihr aber nach dem, wodurch dorthin
gelangt wird, d.h. nach den guten Sitten, die ihr Tugenden nennt.
Philosoph: Ich stimme dem zu, was auf der Hand liegt, und billige die neue
Benennung durch euren Namen durchaus. Weil ihr nämlich das, zu dem hin
gelangt wird, für würdiger haltet als das, wodurch der Fortschritt entsteht,
und weil angelangt sein glücklicher ist als fortschreiten, ist diese Benennung
durch euren Namen ehrenvoller und zieht den Leser vom Ursprung der
eigenen Herleitung her ganz besonders an. Wenn sie in der Lehre so
herausragt wie im Worte, dann ist ihr, denke ich, keine Disziplin zu
vergleichen.
b) Jetzt wollen wir also, wenn es recht ist, dass Du festsetzt, worin die Summe
der wahren Ethik besteht und was wir aus dieser Disziplin betrachten sollen
und wodurch, wenn es denn erlangt ist, ihre Intention vollendet sein wird.
Christ: Wie ich meine, lässt sich die Summe dieser Disziplin darin
zusammenfassen, dass sie erklärt, was das höchste Gut ist und auf welchem
Weg wir dorthin gelangen können.
Peter Abaelard erläutert die philosophische und die christliche Definition des Glücklichseins
a) Philosoph: Diese Glückseligkeit nennt Epikur, wie ich meine, Lust, euer
Christus aber ,Königreich der Himmel‘. Was macht es, mit welchem Namen
sie benannt wird, solange nur die Sache dieselbe bleibt und bei den
Philosophen und den Christen weder die Glückseligkeit verschieden ist noch
eine andere Intention des gerechten Lebens vorgegeben wird? Denn so wie
ihr, so beabsichtigen auch wir, hier gerecht zu leben, damit wir dort
verherrlicht werden, und kämpfen hier gegen Laster, um dort wegen der
Verdienste der Tugenden gekrönt zu werden, wenn wir nämlich dieses
höchste Gut als Lohn empfangen.
b) Christ: Aber so weit ich sehe, sind hierin sowohl unsere und eure Intention
als auch die Verdienste verschieden, und sogar über das höchste Gut haben
wir nicht geringfügig unterschiedliche Ansichten.
Philosoph: Das, bitteschön, erkläre mir, wenn Du kannst.
c) Niemand nennt zu Recht etwas ,höchstes Gut‘, im Vergleich zu dem
etwas Größeres gefunden wird. [...] Aber jede menschliche Glückseligkeit
oder Herrlichkeit übersteigt die göttliche klarerweise bei weitem und
unaussagbar; also darf keine außer ihr zu Recht ,höchste‘ genannt werden,
und außer ihm wird nichts zu Recht ,höchstes Gut‘ genannt.
Philosoph: An dieser Stelle geht es uns nicht um das höchste Gut an sich,
sondern um das höchste Gut für den Menschen.
Christ: Aber auch ,höchstes Gut für den Menschen‘ nennen wir nichts zu
Recht, im Vergleich zu dem ein größeres Gut für den Menschen gefunden
wird.
Moses Maimonides (ca. 1135/38-1204), der vielleicht einflussreichste Denker der jüdischen Tradition, benennt eine grundsätzliche Gemeinsamkeit von Christentum, Judentum und Islam:
Es besteht kein Zweifel, dass es gemeinsame Dinge für uns drei gibt, womit ich die Juden, die Christen und den Islam meine – nämlich die Lehre von dem Neuentstandensein der Welt. Da diese wahr ist, sind auch die Wunder und ähnliche Dinge wahr.
Der zum Christentum bekehrte Philosoph Justin erläutert, warum seine Konversion ein philosophischer Akt ist
a) Tryphon: Welche Meinung hast Du aber über Gott und was ist Deine Philosophie? [...]
b) Justin: Ich will Dir sagen, was mir richtig scheint. In Wahrheit ist nämlich die Philosophie das größte Besitztum und das wertvollste bei Gott, zu dem sie allein uns nahebringt und hinführt, und wahrhaft würdevoll sind die, die sich auf die Philosophie konzentrieren. [...] Die Philosophie [...] ist das Wissen um das Seiende und die Erkenntnis des Wahren, das Glücklichsein aber ist der Lohn für dieses Wissen und diese Weisheit.
c) T.: Gott aber nennst Du was? [...]
J.: Das, was immer auf die gleiche Weise und identisch ist und für alles andere die Ursache des Seins ist, dies ist Gott. [...] Aber das Göttliche [...], Väterchen, ist nicht mit den Augen selbst sichtbar, so wie die anderen Lebewesen, sondern allein mit dem Geist auffassbar, so wie es Platon sagt und wie ich von ihm überzeugt werde.
Barḥaḏbǝšabbā von Ḥalwān (um 590) erklärt die Leistung Jesu Christi (Antike Philosophie II)<br />
Barḥaḏbšabbā nennt den wahren Vollender der Philosophie (Judentum und Islam)
Er [Jesus] setzte tragfähige Definitionen der Philosophie (filosofūṯā); so erweckte er die Weisheit, die tot war, belebte die Gottesfurcht, die nichtig war, und zeigte die Wahrheit, die verlorengegangen war: alle Arten von Wissenschaften, gleichsam als unterschiedliche Glieder einer Statue, entwarf und begründete er kurzgefasst in den Ohren der Gläubigen.
Barḥaḏbšabbā (um 600), ein Lehrer an der christlichen Schule von Nisibis im Perserreich, erklärt die Fähigkeiten unserer Seele
Diese rationale und erleuchtete Intelligenz ist eine Ähnlichkeit zu Gott ihrem Schöpfer. [...] Im Hinblick darauf, dass unsere Rede auf diese Intelligenz zielt, die in uns ist, wollen wir sehen, wie sie in uns ist, und welches ihre Wohnstätte ist. [...] Es ist dann folglich ihre Ursache und ihr Fundament die Seele, welche in uns gebunden ist. Das, was an Erkenntniskräften (an) ihr ist, sind drei: Verstand, Denken und Meinen. Aus diesen gehen drei andere hervor, und zwar Begehren, Zornmut und Wollen. Die Intelligenz aber steht oberhalb von ihnen allen, wie der weise Wagenlenker, der geschickte Steuermann, der in die Ferne schaut, und sein Schiff, das diese Schätze trägt, fernhält von den Felsen des Irrtums und von den Nebeln der Unkenntnis, indem der erste und theoretische Teil [S. 342] die Erkenntniskräfte reinigt, so dass sie nicht etwas für ein anderes erkennen (= halten) , sondern die Wahrheit und die Bestimmtheit der Dinge erkennen. Durch den anderen, den praktischen Teil wiederum reinigt sie die Lebenskräfte und bereitet sie vor, dass ihre Lebensführung hierin nicht in unnützen Dingen besteht, sondern dass ihre Bewegungen richtig und trefflich erfolgen.
Al-Fārābī über den Weg der Philosophie von der griechischen Spätantike in die islamischen Länder
[1] Und so lief die Sache [der Philosophie], bis das Christentum kam, und dann verschwand die Lehre aus Rom und blieb in Alexandrien bestehen [...]. Und die Bischöfe [...] meinten, dass aus den Büchern der Logik bis zum Ende der assertorischen Syllogismen (Analytica priora I 7) gelehrt werden soll [...]. Und der offizielle Umfang der Lehre blieb dieser, und was man von dem Rest untersuchte, war privat, bis nach langer Zeit der Islam kam.
[2] Da wurde der Unterricht aus Alexandrien nach Antiochien überführt und blieb dort eine lange Zeit, bis ein einziger Lehrer übrigblieb. Von ihm lernten zwei Männer und zogen fort, wobei sie die Bücher mitnahmen. Der eine von ihnen stammte aus Harran und der andere aus Marw. Von dem aus Marw lernten zwei Männer, der eine war Ibrāhīm al-Marwazī, der andere war Yūḥannā ibn Hailān. [...] Und Ibrāhīm al-Marwazī begab sich nach Bagdad. [...].
[3] Abū Naṣr al-Fārābī berichtet von sich selbst, dass er bei Yūḥannā ibn Ḥailān bis zum Ende des Buches vom Beweis (kitāb al-burhān = Analytica posteriora) lernte.
Die Unterscheidung von zeitgenössischen und antiken Griechen nach dem Literaten al-Ğāḥiz (776-869)
Wenn doch das einfache Volk wüsste, dass die Christen und Byzantiner keine Weisheit und keine Erklärung und keinerlei herausragende Einsicht haben [...], wegen ihrer Abkehr von den Begriffen der Gebildeten und der Erleuchtung durch die Überzeugungen der Philosophen und Weisen! Denn das Buch der Logik und Über Werden und Vergehen und die Meteorologie und die übrigen sind von Aristoteles, und er ist weder ein Byzantiner noch ein Christ. Und das Buch Almagest ist von Ptolemaios, und er ist weder ein Byzantiner noch ein Christ. Und das Buch Euklids ist von Euklid, und er ist weder ein Byzantiner noch ein Christ. Und das Buch der Medizin ist von Galen, und er ist weder ein Byzantiner noch ein Christ. Und ebenso steht es mit den Büchern von Demokrit, Hippokrates und Platon, und von vielen anderen. Und diese Leute sind gewiss aus ihrem Volk verschwunden, und es blieben nur Spuren ihrer Gedanken.
Gregor von Nyssa begegnet in seinem Dialog ,Über die Seele und die Auferstehung‘ seiner Schwester Makrina als tröstender Lehrerin
[1] Als […] Basileios aus dem menschlichen Leben zu Gott gewechselt […], die Schwester und Lehrerin aber noch am Leben war, da strebte ich mit allen Eifer, mit ihr wegen des Unglücks wegen unseres Brudes Gemeinschaft zu pflegen. Und meine war überreich an Schmerz. […]
[2] Und ich sagte: ,Wie kann man dies unter den Menschen richtig aufnehmen, wo doch in einem jeden eine Art natürliches Misstrauen gegenüber dem Tod besteht und wo die, welche Sterbende sehen, den Anblick nicht wohlmeinend aufnehmen und die, denen der Tod naht, ihn fliehen, soweit es möglich ist?‘ […]
[3] ,Was aber‘, sagte die Lehrerin, ‚scheint Dir selbst an genau diesem, dem Tod, am meisten betrüblich?‘
Wenn wir […] vom Ausgang der Seele hören, sehen wir das übrig Gebliebene und wissen doch über das von ihm Getrennte nicht, was es der Natur nach ist und wohin es herübergeschritten ist, da weder Erde, noch Luft, noch Wasser, noch irgendein anderes Element in ihm die Kraft erkennen lässt, die den Körper verlassen hat.
Der christliche Denker Gregor von Nazianz diskutiert die Bedingungen des „Philosophierens über Gott“ <br /><br /> Der kappadokische Vater Gregor von Nazianz bemüht sich, indem er Bedingungen des ,Philosophierens über Gott‘ nennt, dieses als Aktivität einer Elite innerhalb des Christentums darzustellen, die sich – auf eine ähnliche (vom Platonismus inspirierte) Weise, wie es Proklos schildert – auf einen solchen Aufstieg besonders vorbereiten kann
Nicht Sache eines jeden, o ihr Anwesenden, ist das Philosophieren über Gott, nicht eines jeden. Diese Sache ist nicht so wohlfeil und zum niedrig Gehenden gehörig. Ich will hinzufügen: Weder überall, noch für alle, noch alles davon, sondern manchmal, und für bestimmte Leute, und bis zu einem gewissen Grad. [Sie ist] nicht Sache von allen, denn sie gehört den Geübten, den in der Theorie Fortgeschrittenen, die auch hiervor die Seele und den Körper gereinigt haben oder ihn reinigen, um das wenigste zusagen. ,Ein Unreiner nämlich berührt das Reine‘ (Platon, Phaidon 67b) zufällig und ohne Gewissheit, so wie auch die schwache Sehkraft nicht den Sonnenstrahl. [...] Man muss sich nämlich für das Seiende Ruhe nehmen und Gott erkennen. [...] Wer aber soll philosophieren, und bis zu welchem Grad? Soweit es für uns erreichbar ist und soweit die Disposition und Kraft des Hörenden gelangt.
Im Horizont des Auferstehungsglaubens betont Gregor die bleibende Verbindung der unkörperlichen Entitäten Gott und Seele mit den Elementen
Nun haben wir keinen Zweifel daran, dass die unsagbare Weisheit Gottes, welche im All die göttliche Natur und Kraft widerspiegelt, in allem Seienden ist, so dass alles im Sein bleibt: Obwohl die göttliche Wesenheit, wenn Du nach dem Logos ihrer Natur fragst, unendlich weit entfernt ist von dem, was sich in der Schöpfung zeigt und gedacht wird, so besteht doch Einigkeit, dass dieses der Natur nach Entfernte in ihnen ist. Ebenso ist es keineswegs unglaubwürdig, dass auch die Wesenheit der Seele, die von sich aus etwas ganz anderes ist […] nicht in verhindernder Weise gegenüber dem Sein des im Kosmos auf die Weise der Elemente Betrachteten besteht, das ihr gemäß dem Logos der Natur nicht zukommt.
Der Mönchsvater Evagrios Pontikos (ca. 345-399) regt seine Leser an, das Christentum als Verbindung philosophischer Disziplinen zu begreifen
1. Das Christentum ist die Lehre von unserem Erlöser Christus, die aus der praktischen, der physischen und der theologischen Disziplin besteht.
2. Das ,Königreich der Himmel‘ (Matthäus 13, 11) ist die Leidensfreiheit der Seele verbunden mit wahrer Erkenntnis alles Seienden.
3. Das ,Königreich Gottes‘ (Markus 4, 11)* ist die Erkenntnis der heiligen Trinität, die mit der Zusammenstellung des Geistes gemeinsam ausgedehnt ist und seine Unzerstörbarkeit überragt.
*Beide Bibelstellen sind exakte Parallelen, an denen die Evangelisten nur andere Ausdrücke für das Reich Gottes wählen.
Der bedeutendste lateinische Kirchenvater Augustinus berichtet in seinen ,Bekenntnissen‘ seinen Lebensweg
[1] Groß bist Du Gott, und sehr zu loben. Groß ist Deine Kraft, und Deine Weisheit hat kein Ende. Und der Mensch will Dich loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung, und der Mensch, der seine Sterblichkeit herumträgt, der das Zeugnis seiner Sünde umherträgt und das Zeugnis, dass Du ,den Hochmütigen widerstehst‘ (Brief des Jakobus 4, 6).
[2] Und doch will Dich der Mensch loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung. Du regst an, dass es Freude bereitet, Dich zu loben, denn Du hast uns auf Dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir. [...]
[3] Aber wer ruft Dich an, der Dich nicht kennt? Denn wer nicht kennt, kann etwas anderes anstelle von etwas anrufen. Oder wirst Du eher angerufen, damit Du gekannt wirst? Wie wird man aber jemand anrufen, an den man nicht geglaubt hat? Oder wie glaubt man ohne Verkündiger? [...] Ich will Dich suchen, Gott, indem ich Dich anrufe, und Dich anrufen, indem ich an Dich glaube.
Augustinus findet Gott vor allem in sich selbst
Und wie soll ich meinen Gott anrufen, meinen Gott und Herrn, wo ich ihn doch in mich selbst hineinrufen werde, wenn ich ihn anrufen werde? Und welcher Ort ist in mir, wohin mein Gott in mich kommen könnte? [...] Ist denn so, Herr mein Gott, etwas in mir, was Dich fassen würde? Aber Himmel und Erde, die Du geschaffen hast und in denen Du mich geschaffen hast – fassen sie Dich? Oder ist es so, dass deswegen, weil ohne Dich nichts von dem wäre, was ist, alles Dich fasst, was ist? Weil daher auch ich bin, was erstrebe ich, dass Du in mich kommst, der ich nicht wäre, wenn Du nicht in mir wärst?
Augustinus berichtet, wie er mithilfe platonischer Schriften einen Weg zum christlichen Glauben findet
[1] Du verschafftest mir durch einen bestimmten Menschen, der vor gewaltigem Stolz geschwollen war, bestimmte Bücher der Platoniker, die aus der griechischen Sprache in die lateinische übersetzt waren.
[2] Und dort las ich, dass, zwar nicht mit diesen Worten, aber ganz genau dasselbe mit vielen und vielfältigen Argumenten überzeugend angeraten wird: "Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort" (Johannes 1, 1) [...], aber "das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt" (Johannes 1, 13) las ich dort nicht. [...]
[3] Und hierdurch ermahnt, zu mir selbst zurückzukehren, trat ich unter Deiner Führung in mein Innerstes ein und konnte dies, weil "Du mein Helfer geworden bist" (Psalm 29, 11).
[4] Ich trat ein und sah mit irgendeinem Auge meiner Seele oberhalb desselben Auges meiner Seele, oberhalb meines Verstandes ein unveränderliches Licht, nicht das gewöhnliche und für jedes Fleisch sichtbare, noch war es gleichsam von derselben Art, nur größer – so als ob dieses viel, viel heller leuchtet und alles durch seine Größe belegte. Nicht dies war es, sondern etwas von allem, allem weit Verschiedenes.
Augustinus über die Übereinstimmungen und Unterschiede von philosophischer und christlicher Seelenlehre
[1] Einzeln haben Platon und Porphyrios einiges gesagt, durch das sie, wenn sie sich untereinander hätten austauschen können, wohl Christen geworden wären. Platon sagte, die Seelen könnten nicht ewig ohne Körper bestehen. Daher sagte er, auch die Seelen der Weisen würden nach einer beliebig langen Zeit doch zu den Körpern zurückkehren. Porphyrios aber sagte, die allergereinigeste Seele werde, nachdem sie zum Vater zurückgekehrt sei, niemals zu diesen Übeln der Welt zurückkehren.
[2] Aber wenn Platon das, was er an Wahrem schaute, dem Porphyrios mitgeteilt hätte, dass auch die allergereinigtesten Seelen der Gerechten und Weisen zu menschlichen Körpern zurückkehren würden; und wenn wiederum Porphyrios Platon das Wahre, was er sah, mitgeteilt hätte, dass nämlich die heiligen Seelen niemals in das Elend eines vergänglichen Körpers zurückkehrten, so dass nicht jeder dies Einzelne, sondern beide auch einzeln beides sagen würden – dann, glaube ich, sähen sie bereits die Konsequenz, dass die Seelen sowohl zu den Körpern zurückkehrten als auch solche Körper erhielten, in denen sie glückselig und ewig leben könnten.
Der christliche Philosoph Justin der Märtyrer (ca. 100-165) beschreibt seine Erfahrung der Verbindung von wahrer Erkenntnis und Liebe zur Weisheit
Da entzündete sich mir auf einmal ein Feuer in meiner Seele, und mich ergriff Liebe zu den Propheten und zu den Leuten, die Christus’ Freunde sind. Als ich seine Argumente mit mir selbst diskutierte, fand ich, dass nur diese Philosophie zuverlässig und von Nutzen ist. So bin ich nun auch dadurch Philosoph.
Eusebios, Bischof von Kaisareia, findet in der Bibel Gottes Selbstvezeichung als „der Seiende“
Wenn Moses in den heiligen Mysterien in der Person Gottes das Orakel ausspricht: ,Ich bin der Seiende. Dies sollst Du den Söhnen Israels sagen: Der Seiende hat mich zu Euch geschickt‘ (Exodus = 2 Moses 3, 14) und voraussetzt, dass Gott allein schlechthin seiend ist [...] und wenn wir infolgedessen das All in zwei Teile aufteilen, dass Geistige und das sinnliche Wahrnehmbare [...] – dann sieh, auf welche Weise Platon nicht nur den Verstand, sondern auch den Wortlaut und die Aussagen der Schrift der Juden nachahmt und sich an ihre Lehre anpasst.
Tertullian ordnet die freie Entscheidung als Grundvermögen des Menschen ein
[1] Und hier folgern wir daher, dass alles für die Seele Natürliche ihr wie etwas Substanzhaftes innewohnt und sich mit ihr fortentwickelt und voranschreitet, wodurch sie beurteilt wird. [...] Es schärfen sie die Lehren, die Disziplinen, die Fertigkeiten und Erfahrungen, die Geschäfte, die Studien; es stumpfen sie ab die Unwissenheiten, die Feigheiten, die Trägheiten [...], über diese hinaus, auch einige Vermögen, wenn es sie gibt [...], nämlich uns zufolge Gott der Herr und der Teufel, der Rivale, aber gemäß der allgemeinen Meinung Vorsehung und Schicksal und Notwendigkeit und Glück und Freiheit der Entscheidung. Denn dies unterscheiden auch die Philosophen [...].
[2] Denn der schlechte Baum wird keine guten Früchte geben, wenn er nicht eingepflanzt wird, und der gute wird schlechte geben, wenn er nicht gepflegt wird. [...] Dies wird die Kraft der göttlichen Gnade sein, gewiss eine mächtigere Natur, die in uns ein ihr unterliegendes freies Vermögen der Entscheidung besitzt, das αὐτεξούσιον (autexousion) genannt wird; weil dieses auch selbst natürlich und veränderlich ist, verwandelt sich die Natur dahin, wohin es sich auch nur wendet.
Der christliche Apologet Irenaeus von Lyon (ca. 135-202) hält gegen den Dualisten Markion (ca. 85-160) die Freiheit des Menschen fest
a) Das aber, was die Schrift sagt: ,Wie oft wollte ich Deine Söhne sammeln, und Du wolltest nicht‘ (Evangelium nach Matthäus 8, 11f.), hat das alte Gesetz der Freiheit verdeutlicht, denn Gott schuf den Menschen frei, so dass er von Anfang an seine Macht ebenso besaß wie seine Seele, um die Anordnung Gottes freiwillig zu gebrauchen, nicht gezwungen von ihm. [...]
b) Weil alle die gleiche Natur haben und fähig sind, das Gute zurückzuhalten und zu tun [...], deswegen sagt Paulus: ,Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles nützt‘ (1 Korinther 6, 12), indem er das Freie am Menschen erklärt – deswegen: alles ist erlaubt, ohne dass Gott ihn zwingt – und das Nützliche aufzeigt, damit wir die Freiheit nicht zur Bedeckung der Schlechtigkeit benutzen, denn dies ist unnütz. Das von selbst Geschehende wird nicht in gleicher Weise geliebt wie das mit Mühe Aufgefundene.
Bardaiṣān betont, dass die Suche nach Wissen angemessener ist als ein bloßer Glaube
a) Bardaiṣān sagte: "Verständig sprichst Du. Aber wisse, dass der, der recht fragt und überzeugt werden will und sich ohne Streit auf den Weg der Wahrheit begibt, nicht schuldig ist und sich nicht schämen muss, denn er bereitet [...] dem, der gefragt wird, Freude." [...]
b) ʿAvīdā sagte: "[...] Meine Brüder [...] wollten mich nicht überzeugen, sondern sie sagten: 'Glauben musst Du, und Du kannst alles erkennen!' Aber ich kann nicht glauben, wenn ich nicht überzeugt werde." [...]
Bardaiṣān betont, wie in der alten Kirche üblich, die Freiheit der Menschen als Ursache für das Böse
[1] Bardaiṣān sagte: "[...] Worin also unterscheidet sich der Mensch von der Kithara, auf der ein anderer spielt, oder von dem Wagen, den ein anderer fährt? [...] Sie sind Werkzeuge, gemacht zum Gebrauch dessen, der Wissen besitzt.
[2] In seiner Milde wollte Gott den Menschen nicht so machen, sondern er erhob ihn in Freiheit über viele Dinge und stellte ihn mit den Engeln auf eine Stufe. [...] Denn wenn er so gemacht wäre, dass er nichts Böses tun könnte, so dass er hierdurch nicht schuldig würde, so stammte auch das Gute, das er täte, nicht von ihm her, und er wäre hierdurch nicht gerechtfertigt."
Bardaiṣān von Edessa führt seine Freiheitslehre weiter aus
(1) Den Menschen wurde nichts zu tun befohlen, außer dem, was sie zu tun vermögen. Zwei Gebote wurden uns nämlich vorgelegt: Das eine, dass wir uns von allem, was schlecht ist und von dem wir nicht wollen, dass es von uns geschieht, fernhalten; das andere, dass wir tun, was gut ist, dies lieben und gutheißen, dass es von uns so geschieht. [...]
(2) Ich sage nun: Es gibt je eine Macht für Gott und für die Engel und für die Mächte und für die Regenten und für die Elemente und für die Menschen und für die Tiere; und allen diesen Ordnungen, die ich genannt habe, ist nicht in jeder Hinsicht Macht gegeben [...], damit sie in dem, was sie vermögen, die Güte Gottes erkennen, und in dem, was sie nicht vermögen, erkennen, dass es für sie einen Herrn gibt. [...]
(3) Von uns Menschen stellt man fest, dass wir von Natur aus gleich geleitet werden, und vom Schicksal verschieden, und jeder von der Freiheit, wie er nur will.
Der Kirchenvater Origenes deutet die von Paulus erwähnte Schwäche des Willens
a) Wer noch nicht geistig ist, wird also in diesen Einzelfällen besiegt, auch gegen seinen Willen. Denn dieser Wille ist noch nicht so stark und fest, dass er bei sich festlegt, dass bis zum Tode für die Wahrheit gekämpft werden muss. [...] Und daher kann er nicht tun, was er will, sondern was er nicht will. [...]
b) Und das natürliche Gesetz wird zu einer gewissen Übereinstimmung mit dem Gesetz Gottes geführt, so dass sie dasselbe wollen und dasselbe nicht wollen.
c) Aber wenn wir im Willen dem Gesetz Gottes zustimmen, dann tun nicht wir das Schlechte, was wir tun, sondern die Sünde, die in uns ist, tut es, d.h. das Gesetz und der Wille des Fleisches. [...] So wie der geistige Paulus seine Mühen nicht sich, sondern der Gnade Gottes, die in ihm tätig war, zuschrieb, so auch rechnet auch der fleischliche die schlechten Werke nicht sich, sondern der Sünde an.
Origenes diskutiert, ob das Vorwissen Gottes eine Gefahr für die Freiheit darstellt
[1] Nun behaupten sie: Wenn Gott von Ewigkeit her erkannt hat, dass dieser [...] dieses bestimmte Unrecht tun wird, die Erkenntnis Gottes aber unfehlbar ist [...], wird sein Unrecht-Tun notwendig gemacht, und es wird unmöglich sein, dass er etwas anderes tut, als Gott vorhergesehen hat. [...]
[2] Diesen muss man antworten, dass Gott, wenn er sich zum Beginn der Weltschöpfung anschickt [...], mit dem Geist alles Geschehende bereist und sieht: Wenn dies geschehen ist, folgt dies, wenn aber dies geschieht, dann ergibt sich des Folgende, bei dessen Zustandekommen sich jenes ereignen wird – und so weiter bis zum Ende der Dinge weiß er, da er es bereist hat, was sich ereignen wird. [...]
[3] Und wenn man sagen muss, dass nicht das Vorwissen der Grund für das Geschehende ist [...], so sagen wir doch etwas ziemlich Paradoxes, aber Wahres: Das, was geschehen wird, ist die Ursache dafür, dass sein Vorwissen so und so ist. Denn es geschieht nicht, weil es vorher erkannt wurde, sondern es wurde erkannt, weil es geschehen sollte.
Origenes erklärt die Trinität mithilfe eines stark (mittel-)platonisch beeinflussten Modells, bei dem die Personen der Trinität unterschiedlich und unterschiedlich weit in die Welt wirken
[1] Dies von der unkörperlichen Natur auch nur leicht zu vermuten zeugt nicht nur von äußerster Respektlosigkeit, sondern auch von maximaler Dummheit [...]: dass eine substantielle Teilung von einer unkörperlichen Natur begriffen werden kann. Also muss man eher glauben, dass der Vater auf die Weise, wie ein Wollen aus dem Verstand hervorgeht und weder irgendeinen Teil des Verstandes abschneidet noch von ihm abgetrennt und abgeteilt wird, den Sohn gezeugt habe, nämlich sein Bild, so dass er so, wie er selbst von Natur aus unsichtbar ist, auch ein unsichtbares Bild gezeugt hat. [...]
[2] Dass aber das Wirken des Vaters und des Sohnes sich sowohl in den Heiligen als auch in den Sündern findet, wird dadurch klar, dass alle, die vernunftbegabt sind, an Gottes Wort, d.h. an der Vernunft, teilhaben und sie dadurch gleichsam bestimmte ihnen eingegebene Samen der Weisheit und Gerechtigkeit in sich tragen – ,was Christus ist‘. Aus dem aber, der wahrhaft ist, der durch Mose sagte: „Ich bin der, der ich bin“, bezieht alles, was ist, eine Teilhabe [...] Die Teilhabe am Heiligen Geist aber, stellen wir fest, wird nur von den Heiligen besessen.