Die Seherin Diotima klärt Sokrates auf, dass Liebe (ἔρως) das ideale Bild für
den Philosophen ist: Diotima: Kein Gott philosophiert oder begehrt, weise zu werden, er ist es ja,
noch auch, wenn sonst jemand weise ist, philosophiert dieser. Ebensowenig
philosophieren auch die Unverständigen oder streben, weise zu werden. Denn
das ist eben das Arge am Unverstande, dass er, ohne schön und gut und
vernünftig zu sein, doch sich selbst ganz genug zu sein dünkt. [...] Sokrates: Wer also, Diotima, sprach ich, sind denn die Philosophierenden, wenn
es weder die Weisen sind noch die Unverständigen? Diotima: Das muss ja schon, sagte sie, jedem Kinde deutlich sein, dass es die
zwischen beiden sind, zu denen auch Eros gehören wird. Denn die Weisheit
gehört zu den Schönsten, und Eros ist Liebe zum Schönen; so dass Eros
notwendig philosophisch ist und als philosophischer zwischen den Weisen und
den Unverständigen in der Mitte steht.
Diotimas Schilderung des mystischen Aufstiegs: Diotima: Nach den Unternehmungen aber muss er weiter zu den Arten des
Wissens gehen, damit er auch die Schönheit der Arten des Wissens schaut und,
in Anbetracht des Blicks auf vielerlei Schönes, nicht mehr nur auf eines […],
viele schöne und prachtvolle Reden und Gedanken in einer unermesslichen
Philosophie erzeugt, bis er, hierin gestärkt und gewachsen, ein einziges solches
Wissen erblickt, das sich auf ein Schönes der folgenden Art bezieht.
Hier aber, sprach Diotima, bemühe dich möglichst stark auf mich zu achten:
Wer nämlich bis hierhin zu den Objekten der Liebe hin erzogen wurde, dass er
das einzelne Schöne der Reihe nach und richtig schaut sowie zum höchsten
Objekt der Liebe geht, der schaut ganz plötzlich ein Schönes von einer
wunderbaren Natur, genau dasjenige, Sokrates, auf das alle vorherigen Mühen
abzielten.
Siger von Brabant (ca. 1240-1284) über das Projekt der Philosophie:
Denn wir hier suchen hier nur die Intention der Philosophen und vor allem die des Aristoteles, auch wenn vielleicht ein Philosoph anders gedacht hat, als sich die Wahrheit und Weisheit verhält, [...] wenn wir philosophisch vorgehen.
Thomas von Aquin (ca. 1225-1274) über das Projekt der Philosophie
Das Studium der Philosophie dient nicht dazu, dass gewusst wird, was Menschen gedacht haben, sondern wie sich die Wahrheit der Dinge verhält.
Johannes Duns Scotus (ca. 1265-1308) über eine theologische Anfrage an die Philosophie:
Ich frage: Kann Gott kraft seiner Allmacht alles Mögliche unmittelbar hervorbringen?
Es sieht nicht danach aus. Dann [...] nämlich könnte Gott ein Subjekt ohne die ihm eigentümliche
Eigenschaft hervorbringen; und somit könnte es ohne eigentümliche Eigenschaft existieren und
gewusst werden. Infolgedessen gäbe es im Bereich des Seienden kein Wissen schlechthin. [...]
Ich antworte und sage, dass sich zwar, wenn wir den Prinzipien der Philosophen folgen, nicht
halten lässt, dass Gott auf Grund seiner Allmacht unmittelbar alles Mögliche hervorbringen kann
[...]. Dennoch behaupte ich, dass es sich so verhält, und zwar gemäß dem Glauben, durch welchen
wir mit den Philosophen über die Prinzipien unterschiedlicher Meinung sind und infolgedessen
auch über die Schlussfolgerung. [...] Auch dieser Satz „Was immer Gott durch eine vermittelnde
Wirkursache vermag, vermag er auch unmittelbar durch sich“, ist nicht selbstevident, sondern
wird nur durch den Glauben besessen. Wenn wir jedoch von absoluten möglichen Seienden
sprechen, behaupte ich, dass Gott jedwedes Absolute durch sich hervorbringen kann. [...]
Notwendigerweise besitzt jedes Absolute, was real von anderem unterschieden ist, eine
unterschiedene Seiendheit, die nicht von anderem wesentlich abhängt. Folglich kann es für sich
sein und gemacht werden, ohne irgendeine Beziehung auf ein anderes. [...]
Zum zweiten Argument sage ich: Wer immer weiß, dass eine absolute Eigenschaft ihrem Subjekt
zukommt, weiß das zwar sicher, aber nicht immer oder allgemein. Dann nämlich würde er etwas
Falsches wissen, weil die Eigenschaft nicht immer unmittelbar ihrem Subjekt als ihrer Ursache
zukommt, der sie ihr Entstehen verdankt. Er weiß aber nur, dass es sich meistens so verhält, denn
meistens entsteht eine Eigenschaft aus den Prinzipien ihres Subjekts aber nicht immer.
Peter Abaelard (1079-1142) über seinen Weg zur Philosophie:
[1] Da mein Vater mich, den Erstgeborenen, besonders ins Herz geschlossen hatte, achtete er sehr sorgfältig auf meine Erziehung. Je schneller und leichter ich im Studium der Schriften vorankam, desto größer wurde meine Begeisterung für sie. Diese Liebe ging so weit, dass ich auf den Glanz ritterlichen Ruhmes samt meinem Erbe und den Vorrechten der Erstgeburt zugunsten meiner Brüder verzichtete und vom Gefolge des Mars ganz Abschied nahm, um im Schoß der Minerva aufgezogen zu werden.
[2] Da ich die Bewaffnung mit dialektischen Argumenten allen Zeugnissen der Philosophie vorzog, vertauschte ich die anderen Waffen mit diesen und zog die Konflikte des Streitgesprächs allen allen Kriegstrophäen vor. Also wurde ich, indem ich disputierend durch verschiedene Provinzen zog – überall hin, wo ich von einer Blüte dieser Technik gehört hatte –, zu einem Nachahmer der Peripatetiker.
[3] Schließlich kam ich nach Paris, wo diese Disziplin schon länger einen großen Aufschwung genommen hatte, zu Wilhelm von Champeaux, meinem Lehrer, der damals in diesem Fach an Können und Ansehen herausragte. Ich blieb einige Zeit bei ihm und war ihm zunächst willkommen. Später wurde ich ihm außerordentlich lästig, da ich manche seiner Ansichten zu widerlegen versuchte, immer wieder argumentative Angriffe gegen ihn führte und manchmal im Streitgespräch überlegen erschien. [...]
[4] Hier nahm die Serie meiner Schicksalsschläge, die bis heute andauert ihren Anfang. Je mehr sich mein Ruhm ausbreitete, desto stärker loderte der Neid anderer.
Peter Abaelard über persönliche Ablenkungen und ihre Folgen:
Unter dem Vorwand des Unterrichts gaben wir uns ganz der Liebe hin. Die wissenschaftliche Lektüre bot uns jene stillen Rückzugsmöglichkeiten, die sich die Liebe wünschte. Waren die Bücher aufgeschlagen, wurden mehr Worte über die Liebe als über den Lesestoff gewechselt, gab es mehr Küsse als Sätze, wanderten die Hände öfter zum Busen als zu den Büchern [...]. Der Onkel und seine Verwandten hörten davon [...]. Zutiefst entrüstet verschworen sie sich gegen mich. Eines Nachts [...] bestachen sie einen meiner Diener mit Geld und rächten sich an mir durch eine besonders grausame und schmachvolle Strafe, von der die Welt mit größtem Erstaunen hörte: Sie schnitten mir die Körperteile ab, mit denen ich begangen hatte, was sie beklagten. [...] Am meisten marterten mich [...] meine Studenten mit ihrem unerträglichen Geklage und Gejammere. Ich litt viel mehr unter ihrem Mitleid als am Leid aufgrund der Wunde, und ich fühlte mehr das Erröten als den Schlag. [...] Mir ging durch den Kopf, wie groß der Ruhm war, in dem ich eben noch gestanden hatte; wie schnell er durch diesen blamablen Fall verringert, ja ganz ausgelöscht worden war; wie gerecht das Urteil Gottes, das mich an jenem Teil des Körpers bestrafen ließ, mit dem ich Schuld auf mich geladen hatte.
Begleitbrief König Manfred von Siziliens (reg. 1250-1266) zu einigen übersetzten Büchern:
[1] Den allgemeinen Lehrern des Pariser Studiums, die auf den Quadrigen der philosophischen Disziplin sitzen, Manfred, von Gottes Gnaden etc.
[2] Obwohl uns die mühevolle Masse der Geschäfte häufig hinwegzieht, lassen wir nicht zu, dass irgendein bisschen Zeit, das wir der Beschäftigung mit den vertrauten Dingen entzogen haben, müßig abläuft. Vielmehr investieren wir es voll und ganz gerne in die unbezahlte Einübung des Lesens [...], zum Erwerb der Wissenschaft, ohne die das Leben der Menschen nicht geleitet wird. [...]
[3] Als wir also einige Bücher [...] aufschlugen [...], kamen uns einige unter die Augen, die [...] entweder ein Fehler dieses Werkes oder eines Menschen noch nicht in die Kenntnis der lateinischsprachigen Welt geführt hatte. Da wir nun wollten, dass die altehrwürdige Autorität solcher Werke bei nicht durch eine mündliche Übersetzung, ohne einen Vorteil für viele, wieder jung wird, haben wir sogleich angeordnet, dass sie durch ausgewählte und beider Sprachen mächtige Männer, unter treuer Bewahrung der Jungfräulichkeit der Worte, übersetzt werden. [...]
[4] Hier nun haben wir mit Überlegung vorgesehen, vor allem Euch, als den hochberühmten Zöglingen der Philosophie [...], einige Bücher vorzulegen, die das neugierige Studium und die treue Sprache der Übersetzter schon herrichten konnten.
Der ,Averroist’ Alberich von Reims (um 1250) über die Vorzüge der Philosophie
[1] Drei sind es, wie Empedokles sagt, in erster Linie unter der gesamten Vielfalt der Dinge, die das großartigste Geschenk der Großzügigkeit Gottes, nämlich die Philosophie, erleuchten und erheben: die Verachtung des beweglichen Überflusses, das Streben nach der göttlichen Seligkeit und die Erleuchtung des Geistes. [...]
[2] Denn das Sein des Menschen in seiner höchsten Vollkommenheit oder Vollständigkeit besteht darin, dass er durch die theoretischen Wissenschaften vollkommen ist, wie Averroes im Prolog [zum Kommentar] zum Achten Buch von [Aristoteles‘] Physik sagt. [...]
[3] Nun werden wir [hierhin] durch ein natürliches Streben gezogen, wie die Göttin der Wissenschaften an ihrem Anfang darlegt: "Alle Menschen" usw. [streben von Natur aus zu wissen] (Metaphysik I 1, 980a 21). Hierzu sagt der Kommentator: "Wir haben ein natürliches Verlangen, die Wahrheit zu wissen". Zu Recht, denn, wie Aristoteles im Zehnten Buch der Nikomachischen Ethik sagt, ist der Mensch nur Intellekt (X 7, 1178a 2-7).
[4] Dieser Intellekt wird aber, nach dem Zeugnis des genannten Averroes [...] durch die Philosophie vervollständigt. [...] Ihm stimmt Seneca zu, wenn er sagt: "Ohne Bildung" zu leben, "ist Tod und ein Begräbnis des lebenden Menschen" (Seneca, Brief 82, 3).
Thomas von Aquin über die Philosophie als Magd der Theologie:
Diese Wissenschaft [die Theologie] kann etwas von den philosophischen
Disziplinen übernehmen, aber nicht, weil sie sie notwendig bräuchte. [...]
Denn sie übernimmt ihre Prinzipien nicht von anderen Wissenschaften,
sondern unmittelbar von Gott durch Offenbarung. Und daher übernimmt sie
nichts von anderen Wissenschaften so wie von höheren, sondern sie
gebraucht sie wie niedrigere und Mägde.
Cicero referiert die Einteilung der Ziele der Philosophie nach dem Skeptiker
Karneades
Unser Lucius handelt also klug, wenn er in erster Linie vom
höchsten Gut hören will; denn wenn dieses festgelegt ist, ist in der Philosophie
alles festgelegt. [...] Wenn das höchste Gut unbekannt ist, dann muss
notwendigerweise der Gehalt des Lebens unbekannt sein. [...] Was es aber ist,
dass so bewegt und von Natur aus so seit der ersten Entstehung erstrebt wird,
steht nicht fest, und hierüber herrscht unter den Philosophen [...] größte
Uneinigkeit. [...] Einige meinen, das primäre Streben und das primäre
Vermeiden von Schmerz richte sich auf die Lust. Andere als sie erstreben das,
was sie Primäres der Natur nach nennen, wozu sie Unversehrtheit rechnen [...].
Diesem ähnlich ist das Primäre in den Seelen, wie die Funken und Samen der
Tugenden.
Physik, Ethik und Logik als Tugenden bei den Stoikern
Die Stoiker nannten die Weisheit
das Wissen der göttlichen und menschlichen Dinge, die Philosophie aber die
Einübung der geeigneten Technik. Geeignet sei aber allein und im höchsten
Maße die Tugend, die eigentlichsten Tugenden aber seien drei, die Physik, die
Ethik und die Logik.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) über die Notwendigkeit, die Philosophie als System darzustellen:
Unter mancherlei Folgerungen, die aus dem Gesagten fließen, kann diese herausgehoben werden, daß das Wissen nur als Wissenschafft oder als System wirklich ist, und dargestellt werden kann. Daß ferner ein sogenannter Grundsatz oder Princip der Philosophie, wenn es wahr ist, schon deswegen auch falsch ist, weil er Grundsatz oder Princip ist. [...] Mangelhaft [...] ist er, weil nur das Allgemeine oder Princip, der Anfang, ist.
Al-Kindī (ca. 800-866), der Begründer der arabisch-islamischen Philosophie, greift die griechische These von der Philosophie als wertvollster Tätigkeit des Menschen auf:
Unter den menschlichen Fertigkeiten kommen der erhabenste Rang und die ehrenvollste Stufe der Fertigkeit der Philosophie (falsafa) zu, die als Wissen um die Dinge in ihrer Wahrhaftigkeit (ḥaqīqa) definiert wird, soweit dies dem Menschen möglich ist.
Der platonisierende Redner Themistios (ca. 317-388) über wahre Philosophie:
Nehmt Ihr vielleicht an, dass jemand ein Philosoph ist, wenn er herauf und herunter über logische Schlüsse spricht und in der Lage ist, jedwede Argumente zu überprüfen, die verborgenen offenzulegen, und zwar sowohl affirmative als auch negative, [...] deren Verständnis schwer, deren Kenntnis aber nutzlos ist? [...] Oder vielleicht eher, dass der ein Philosoph ist, der die Tugend gründlich behandelt und die Kühnheit und die Tapferkeit – wobei er auf einem Bettchen vor drei oder vier jungen Kindern sitzt und vor Schwäche nicht einmal in der Lage ist, aus seinem Häuschen heraus zu blicken? [...] Mir genügt es demgegenüber, den Gipfel der Philosophie zu bezeugen [...]. Denn der Hauptpunkt für Platon sowie das Ende und der Gipfel aller Worte ist dies, dass die Philosophie nichts anderes ist als das Ähnlichwerden mit Gott, soweit es einem Menschen möglich ist.
Der Philosophiehistoriker Diogenes Laertios (3. Jh.) über die Teile der Philosophie
Sie sagen, die der Philosophie entsprechende Struktur sei dreiteilig. Eines von ihr sei nämlich naturphilosophisch, ein anderes ethisch, ein drittes logisch. [...] Sie vergleichen aber die Philosophie mit einem Lebewesen, wobei sie die Logik mit den Knochen und Nerven gleichsetzen, die Ethik mit den fleischlichen Teilen, die Physik aber mit der Seele. Oder auch mit einem Ei: Das Äußere sei die Logik, das danach die Ethik, das Innerste die Physik
Der Platoniker Alkinous (2. Jh.) erklärt in platonisch-aristotelischer Terminologie ein stoisches Dreierschema
Bemühen des Philosophien scheint Platon zufolge in dreierlei zu bestehen: In der Schau des Seienden, im Handeln in Bezug auf in sich gute Dinge und in der Theorie der Vernunft selbst. Die Erkenntnis des Seienden wird aber theoretisch genannt, die über das beim Handeln Richtige praktisch, schließlich die auf die Vernunft bezogene dialektisch
Der Kirchenvater Origenes erläutert die Teile der Philosophie
a) Die allgemeinen Disziplinen, durch die man zum Wissen der Dinge gelangt, sind drei, die die Griechen [i.e. die paganen Philosophen] Ethik, Physik und Enoptik nannten [...].
b) Einige der Griechen setzten die Logik [...] an die vierte Stelle. Andere sagten, sie sei nicht eigenständig, sondern den drei Disziplinen, die wir oben genannt haben, eingefügt und verbunden [...].
c) Ethik aber wird die genannt, durch die eine ehrbare Lebensweise angepasst wird und Regeln, die zur Tugend hinneigen, vorbereitet werden. Naturwissenschaft wird die genannt, in der die Natur jeder Sache erörtert wird, damit nichts im Leben gegen die Natur getan wird, sondern ein jedes dem Zweck zugeführt wird, zudem es vom Schöpfer hergestellt wurde. Enoptik wird die genannt, durch die wir, wenn wir das Sichtbare überstiegen haben, etwas vom Göttlichen und Himmlischen betrachten und allein mit dem Geist anschauen.
Cicero beschreibt seine philosophische, der akademischen Skepsis entstammende philosophische Methodik
Weil wir aber gegen alle das zu vertreten pflegen, was richtig scheint, können nicht vermeiden, dass andere mit uns anderer Meinung sind – obwohl unsere Sache leicht ist, die wir ohne jedes Zufriedensein die Wahrheit suchen [..] Und auch unsere Erörterungen machen nichts anderes, außer dass sie, durch Argumente für beide Seiten, etwas herausbringen und gleichsam herausdrücken, was entweder wahr ist oder sich hieran so nah wie möglich annähert.
Die Stoiker definieren die Philosophie als System
Zenon aber sagt: „Eine Fertigkeit ist eine Zusammenstellung (systēma) von Aufgefasstem, die zusammen auf ein brauchbares Ziel der Lebensführungen hin ausgeübt werden.
Cicero über die Vorzüge des Philosophierens in Anbetracht der kritischen Haltung vieler Römer
Ich wusste durchaus, Brutus, als wir das, was die Philosophen mit höchsten Talenten und einer ausgezeichneten Lehre auf Griechisch behandelten, auf Latein niederschrieben, dass diese unsere Arbeit sich verschiedenen Tadel zuziehen werde. Denn einigen [...] missfällt dies im Ganzen, zu philosophieren. [...] Und doch wird der, der sich angewöhnt zu lesen, was wir über die Philosophie niederschreiben, zu dem Urteil kommen, dass diesem nichts zur Lektüre vorzuziehen ist. Was muss man nämlich im Leben so sehr erstreben als überhaupt alles in der Philosophie, ganz besonders aber das, was im vorliegenden Werk gesucht wird: Was ist das Ziel, was das Äußerste, was das Letzte, auf das alle Ratschläge zum guten Leben und zum richtigen Handeln zu beziehen sind?
Die Einteilung der Philosophie nach den pyrrhonischen Skeptikern
(1) Auch bei dem, auf philosophische Weise gesucht wird, sagen die einen, sie hätten etwas Wahres gefunden, die anderen behaupteten, es sei nicht möglich, so etwas begriffen zu haben, die dritten suchen noch. [...] Daher nimmt man zu Recht drei Hauptströmungen der Philosophie an, die dogmatische, die akademische und die skeptische. [...] (2)Bei nichts von dem, was wir sagen werden, sind wir fest überzeugt, dass es sich so verhält, wie wir sagen, sondern wir werden entsprechend dem, was uns jetzt der Fall zu sein scheint, über jeden Punkt darstellend Aussagen machen.
Die pyrrhoneische Hoffnung auf das Glücklichsein
Deswegen wüssten weder die Pyrrhoneer noch die anderen die Wahrheit in den Dingen, aber die, die nach einer anderen Richtung philosophierten, wüssten alles andere nicht und [..] auch eben dieses nicht, dass nichts von dem, was sie begriffen zu haben meinen, tatsächlich begriffen wurde. Der Philosoph im Sinne des Pyrrhon ist aber im Hinblick auf das andere glückselig, und er ist darin weise, ganz genau zu wissen, dass nichts von ihm in zuverlässiger Weise begriffen wurde.
Plotin erklärt eine Grundfrage seiner Philosophie aus der eigenen Erfahrung
Immer wieder wenn ich aus dem Leib aufwache in mich selbst, bin ich außerhalb des anderen, aber innerhalb von mir selbst, sehe eine wunderbar gewaltige Schönheit [...], verwirkliche höchstes Leben, bin in eins mit dem Göttlichen und auf seinem Fundament gegründet, denn ich bin gelangt zur höchsten Wirksamkeit und habe mich selbst gegründet über allem, was sonst geistig ist: Nach diesem Stillestehen im Göttlichen, wenn ich da aus dem Geist herniedersteige ins Überlegen – da frage ich mich: [...] Wie ist einst die Seele in mir in den Leib geraten, die doch das ist, was sie mir als ihr Sein an sich gezeigt hatte?
Augustinus berichtet über seine Bekehrung zur Philosophie als Gottsuche nach der Lektüre von Ciceros <i>Hortensius</i>
[1] Durch die übliche Ordnung des Lernens war ich zu einem Buch eines gewissen Cicero gelangt, dessen Sprache fast alle bewundern, seinen Gehalt hingegen nicht so sehr. Aber dieses Buch von ihm enthält eine Ermunterung zur Philosophie und wird ,Hortensius‘ genannt.
[2] Dieses Buch aber veränderte meine Geisteshaltung und verwandelte meine Bitten, Herr, zu Dir hin und machte meine Gebote und Begierden andere. [...]
[3] Wie sehr brannte ich, mein Gott, wie sehr brannte ich danach, vom Irdischen zu Dir zurückzufliegen und wusste doch nicht, was Du mit mir tatest! Denn „bei Dir ist die Weisheit“ (Ijob 12, 13). Die Liebe zur Weisheit hat aber als griechische Bezeichnung, ;Philosophie‘, zu der mich diese Schrift entbrannte.
[4] Es gibt Leute, die durch Philosophie verführen, indem sie ihre Irrtümer mit diesem großen, verführerischen und in sich guten Namen färben und kolorieren [...], und hierbei wird die heilsmäßige Ermahnung Deines Geistes klar [...]: „Seht zu, dass Euch niemand durch leere Philosophie täuscht“ (Kolosser 2, 8). [...]
[5] Weil mir dieses Apostelwort noch nicht bekannt war, freute ich mich trotzdem allein hierdurch an dieser Ermahnung [zur Philosophie], dass ich [...] die Weisheit selbst, worin sie auch immer bestehe, liebte und suchte [...], und allein das [...] machte mich stutzig, dass der Name Christi dort nicht zu finden war.
Boethius schildert die Erscheinung der tröstenden Philosophie
[1] Es schien mir, als ob über mir eine Frau hinzuträte von höchst ehrwürdigem Antlitz, mit funkelnden und über das gewöhnliche Vermögen der Menschen durchdringenden Augen. [...] Ihr Wuchs war von wechselnder Größe; denn bald zog sie sich zum gewöhnlichen Maß der Menschen zusammen, bald schien sie mit dem Scheitel den Himmel zu berühren. [...]
[2] Als sie die poetischen Musen, die mein Lager umstanden und meiner Tränenflut Worte liehen, erblickte, sprach sie etwas erregt und mit finster flammenden Blicken [...]: ,Wer hat diesen Dirnen der Bühne den Zutritt zu diesem Kranken erlaubt, die seinen Schmerz nicht nur mit keiner Arznei lindern, sondern ihn obendrein mit süßem Gifte nähren? [...] Wenn eure Schmeicheleien einen Uneingeweihten [...] ablenkten, so würde ich das mit mehr Gleichmut ertragen. [...] Doch ist dieser nicht mit den Studien der Eleaten und Akademiker erzogen worden? Drum verschwindet besser, ihr Sirenen, die ihr süß seid bis zum Verderben, überlasst ihn meinen Musen zur Pflege und zur Heilung. [...] So gescholten ging jener Chor [...] traurig über die Schwelle hinaus. [...]
[3] Als die Nebel der Traurigkeit auf keine andere Weise aufgelöst waren, sog ich den Anblick des Himmels ein und [...] erblickte, als ich die Augen auf sie richtete und meinen Blick auf sie heftete, meine alte Nährerin [...], die Philosophie.
Sokrates schildert die Philosophie als Anweisung des Daimonion
Vielleicht könnte auch dies jemandem sinnlos dünken, dass [...] ich es nicht wage, öffentlich in eurer Versammlung auftretend dem Staate zu raten. Hiervon ist nun die Ursache, was ihr mich oft und vielfältig sagen gehört habt, dass mir etwas Göttliches und Dämonisches widerfährt. [...] Dies hat aber schon in meiner Kindheit begonnen, dass eine Stimme auftrat, welche jedesmal, wenn sie auftritt, mich von etwas abhält, das ich tun will, mir aber niemals zu etwas zuredet. Das ist es, was mir widerrät, mich mit Politik zu befassen
Averroes über die Notwendigkeit philosophischer Forschung laut dem Koran
[2] Wenn die Tätigkeit der Philosophie nichts weiter ist als die Theorie (naẓar) über das Existierende (al-mawǧūdāt) und seine Betrachtung, insofern es auf den Hersteller verweist [...], und wenn das Gesetz (aš-šarʿ) dazu aufgefordert und angespornt hat, das Existierende zu betrachten, so ist klar, dass das, worauf dieser Name verweist, entweder vom Gesetz vorgeschrieben oder als Auftrag gegeben ist. Dass das Gesetz dazu aufruft, mit dem Intellekt (ʿaql) das Existierende zu betrachten [...], wird klar durch verschiedene Verse aus dem Buch Gottes. [...].
[3] Und es ist klar, dass diese Form von Theorie, zu welcher das Gesetz aufruft und anspornt, die vollendetste Art der Theorie mittels der vollendetsten Art des Schlusses ist, und diese wird ,Beweis‘ (burhān) genannt.
Averroes erklärt den Hintergrund der allegorischen Auslegung von Korantexten, die deren Vereinbarkeit mit der Philosophie sicherstellt, und die Bedingungen für dieses Vorgehen im Einzelfall
[12] Also wissen wir, die Gemeinschaft der Muslime, in endgültiger Weise, dass die Theorie in Beweisform nicht zu etwas führt, worin das Gesetz widerspricht; das Wahre widerspricht nicht dem Wahren, sondern ist im Einklang mit ihm und bezeugt es.
[13] [...] Und weil das so ist, so wird, wenn die Theorie zu einer bestimmte Weise der Erkenntnis in Bezug auf irgendein Existierendes führt, dieses Existierende entweder im Gesetz mit Schweigen übergangen, oder es wird Erkenntnis hierüber vermittelt. Und sofern die Gebote etwas mit Schweigen übergehen, so erschließen es die Rechtsgelehrten mittels des gesetzesbezogenen Schlusses. Und wenn es im Text des Gesetzes steht, so ist der äußere Sinn des Textes entweder mit dem übereinstimmend, wozu der Beweis führt, oder verschieden. [...] Und wenn er verschieden ist, dann ist seine Auslegung erforderlich. Und der Gehalt der Auslegung besteht darin, dass die Bedeutung des Ausdrucks von der gegenstandsbezogenen Bedeutung zur übertragenen Bedeutung hin transponiert wird.
Der demokratische Mensch nach Platon
So verlebt er für sich seine Tage, immer der gerade auftretenden Begierde gefällig, bald ist er betrunken und übermütig, dann wieder trinkt er Wasser und hält magere Kost, bald beschäftigt mit Sport, manchmal auch träge und sich um nichts kümmernd, bald wieder, als vertiefe er sich in die Philosophie. Oft ist er auch politisch aktiv und sagt und tut aufspringend, was sich gerade ergibt [...] Und meiner Meinung [...] nach ist er mannigfaltig und erfüllt von allerlei Sitten, und dieser Mann ist schön und vielfältig, so wie jene Stadt. Viele Männer und Frauen bewundern gewiss seine Lebensweise, weil er auch Urbilder von allerlei Staatsformen und Denkarten in sich enthält.
Das Ideal des Philosophenkönigtums
Wenn nicht [...] entweder die Philosophen Könige werden in den Staaten oder die jetzt so genannten Könige und Regenten aufrichtig und gründlich philosophieren und also beides zusammenfällt, die politische Gewalt und die Philosophie [...], eher gibt es keine Erholung von dem Übel für die Staaten [...] und ich denke auch nicht das menschliche Geschlecht, noch kann jemals zuvor diese Staatsform gedeihen [...], die wir jetzt im Wort durchgegangen sind.
Aristoteles (um 340 v. Chr.) charakterisiert die Philosophie als Staunen
Denn wegen des Staunens begannen die Menschen jetzt und am Anfang zu philosophieren, indem sie anfangs über das nächstliegende Unbekannte staunten, dann allmählich fortschritten und auch über Größeres Fragen aufwarfen, z.B. über […] die Entstehung des Alls. Wer aber fragt und staunt, der glaubt nicht zu wissen.
Paul der Perser (6. Jhdt.) widmet Kosrau III. eine Einführung in die aristotelische Logik
[1] „Glückseliger Kosrau, König der Könige, Bester unter den Menschen, Dich grüßt Dein Diener Paul. Die Philosophie (filosofūṯā), das wahre Wissen von allem, ist in Euch, und aus ihr, aus der Philosophie, die in Euch ist, sende ich Euch ein Geschenk. [...] Diese ist besser als alle anderen Geschenke. [...]
[2] Es zeigt sich aber, dass die Menschen sich gegenseitig bekämpfen und ein jeder dem anderen widerspricht. Denn die einen unter ihnen sagen, es gebe nur einen Gott, andere aber, er sei nicht einzig. [...]. sagen, die Menschen seien frei in ihrem Wollen, die anderen widersprechen dem. Noch vieles dieser Art bringen sie vor und geben ihm Platz in ihren Überlieferungen, aus denen hervorgeht, dass sie einander widersprechen. [...]
[3] Und hierüber [...] ist es für uns nicht leicht, ja sogar nicht möglich, dass wir eines bevorzugen und das andere verlassen, das eine wählen und das andere zurückweisen. [...] Deswegen wird der Gegenstand dieser Dogmen im Hinblick auf den Glauben und im Hinblick auf das Wissen (īḏaʿtā) untersucht. [...] Der eine ist nun an den Zweifel (pulāǥā) gebunden, das andere ist ohne Zweifel. Jeder Zweifel schafft Spaltung, Abwesenheit des Zweifels aber Einheit. Demnach ist das Wissen als der Glaube und eher zu wählen als dieser.
Ammonios, Sohn des Hermias, ein platonischer Philosophieprofessor in Alexandrien (ca. 435-517), begründet die Zweiteilung der Philosophie
"Die Philosophie ist ein Ähnlichwerden mit Gott gemäß dem dem Menschen möglichen." So hat es nämlich Platon definiert (Theaitet 176b). [...] Nun wird die Philosophie in die theoretische und die praktische eingeteilt. Es ist aber wert zu fragen, aus welchem Grund. [...] Weil wir gesagt haben, die Philosophie sei ein Ähnlichwerden mit Gott, weil Gott aber zweierlei Kräfte hat, die einen alles Seiende erkennenden, die anderen für uns niedriger Stehende Vorsehung treffenden, wird die Philosophie zu Recht in die theoretische und die praktische eingeteilt. [...] Unsere Seele hat ebenfalls zweierlei Kräfte, zum einen erkennende wie Verstand, Denken, Meinen, Vorstellen und sinnlich wahrnehmen, zum anderen lebendige und strebende wie Wollen, Zornmut und Begehren. Der Philosoph nun will alle Teile der Seele schmücken und zur Vollendung führen: Durch das Theoretische wird das Erkennende in uns vollendet, durch das Praktische das Lebendige.
Sergios von Rēšʿaynā (gest. 536), ein Schüler des Ammonios und syrischer Aristoteles-Adaptor erklärt auf Syrisch, was Philosophie ist
Die Philosophie ist eine Ähnlichkeit zu Gott (dumyā ḏ-allāhā). [...]
Und weiter sagen [die Philosophen]: Weil die rationale Seele die Mutter der Wissensformen und auch selbst in zwei Teile geteilt ist, deswegen teilte sich auch die Philosophie, die ihrerseits das Wissen von allem ist, in zwei Teile. [...] Sie sagen nämlich, dass zu diesen Erkenntniskräfte gehören, so wie Verstand, Denken und Meinen, und zu ihnen Lebenskräfte gehören, so wie Begehren, Zornmut und Wollen. Weil also die Philosophie die gesamte Seele reinigt, sagen sie zutreffend, dass auch sie in zwei Teile geteilt ist. Denn durch ihren ersten und theoretischen Teil [S. 342] reinigt sie die Erkenntniskräfte, so dass sie nicht etwas für ein anderes erkennen (= halten) , sondern die Wahrheit und die Bestimmtheit der Dinge erkennen. Durch den anderen, den praktischen Teil wiederum reinigt sie die Lebenskräfte und bereitet sie vor, dass ihre Lebensführung hierin nicht in unnützen Dingen besteht, sondern dass ihre Bewegungen richtig und trefflich erfolgen.
Al-Fārābī über den Weg der Philosophie von der griechischen Spätantike in die islamischen Länder
[1] Und so lief die Sache [der Philosophie], bis das Christentum kam, und dann verschwand die Lehre aus Rom und blieb in Alexandrien bestehen [...]. Und die Bischöfe [...] meinten, dass aus den Büchern der Logik bis zum Ende der assertorischen Syllogismen (Analytica priora I 7) gelehrt werden soll [...]. Und der offizielle Umfang der Lehre blieb dieser, und was man von dem Rest untersuchte, war privat, bis nach langer Zeit der Islam kam.
[2] Da wurde der Unterricht aus Alexandrien nach Antiochien überführt und blieb dort eine lange Zeit, bis ein einziger Lehrer übrigblieb. Von ihm lernten zwei Männer und zogen fort, wobei sie die Bücher mitnahmen. Der eine von ihnen stammte aus Harran und der andere aus Marw. Von dem aus Marw lernten zwei Männer, der eine war Ibrāhīm al-Marwazī, der andere war Yūḥannā ibn Hailān. [...] Und Ibrāhīm al-Marwazī begab sich nach Bagdad. [...].
[3] Abū Naṣr al-Fārābī berichtet von sich selbst, dass er bei Yūḥannā ibn Ḥailān bis zum Ende des Buches vom Beweis (kitāb al-burhān = Analytica posteriora) lernte.
Al-Kindī über die erste Philosophie und ihre Quellen
„[1] Den ehrenvollsten und erhabensten Rang in der Philosophie hat die erste Philosophie inne. Damit meine ich das Wissen um das erste Wahre (al-ḥaqq al-awwal), dass die Ursache alles Wahren ist. [...]
[2] Es ist für uns wie auch für frühere herausragende Philosophen, nicht von unserer Sprache, offensichtlich, dass niemand [...] durch die Anstrengung seines eigenen Strebens das Wahre erreicht. [...] Wenn man aber das Wenige, das jeder, der ein wenig Wahres erreicht hat, zusammennimmt, so ergibt dies eine beträchtliche Menge. [...] Wären [unsere Vorgänger] nicht gewesen, so würden uns – trotz intensiver Forschung während unseres ganzen Lebens – die wahren Prinzipien nicht zuteil, die uns zu den Endpunkten des wahrhaft Gesuchten gelangen lassen. [...]
[3] Wir dürfen uns nicht schämen, das Wahre und seine Erwerbung zu billigen, woher sie auch kommen mögen, auch wenn sie von Menschen, die anders als wir sind, und von fremden Völkern kommen. Es gibt nämlich nichts, was angemessener für denjenigen wäre, der das Wahre sucht, als das Wahre selbst. Das Wahre, wird durch denjenigen, der es ausspricht oder übermittelt, weder herabgesetzt noch geschmälert.
Der stoische Philosoph Lucius Annaeus Seneca (ca. 1-65 n. Chr.) gibt die stoische Ansicht über die Philosophie als Weg zur Freiheit wieder
,Du kannst den Notwendigkeiten nicht entfliehen, du kannst sie besiegen, es entsteht ein Weg‘. Und diesen Weg gibt Dir die Philosophie. Zu dieser begib dich, wenn du heil, wenn du sicher, wenn du glücklich sein willst, ja wenn du, was das Größte ist, frei sein willst. Das kann nicht anders geschehen. Eine niedrige Sache ist die Dummheit, verworfen, schmutzig, sklavisch, vielen und äußerst wilden Emotionen unterworfen. Diese so schwer lastenden Herren, manchmal einander befehlend, manchmal gleichwertig, entfernt die Weisheit von Dir, die allein die Freiheit ist. [...] Wenn du dir alles unterwerfen willst, unterwirf dich der Vernunft; viele wirst du regieren, wenn die Vernunft dich regiert.
Boethius (ca. 480-524) weist auf das philosophische Problem der Providenz Gottes hin: „Boethius: Wieder werde ich durch eine noch schwierigere Zweideutigkeit verwirrt
Boethius: Wieder werde ich durch eine noch schwierigere Zweideutigkeit verwirrt.
Philosophie: Welche […] ist das denn?
Boethius: Es scheint sich allzu sehr zu widersprechen und einander entgegenzustehen, dass Gott alles vorherweiß und dass es irgendein Urteil in Freiheit gibt. Denn wenn Gott alles vorhersieht und sich auf keine Weise irren kann, dann ist das notwendig, was er durch die Vorsehung als zukünftig vorhergesehen hat. Wenn er daher seit ewigen Zeiten nicht nur die Taten der Menschen, sondern auch ihre Überlegungen und Willenstendenzen vorhersieht, dann gibt es folglich keine Freiheit. […]
Philosophie: Das ist die alte und von Marcus Tullius Cicero […] heftig betriebene Frage nach der Vorsehung.
Der Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal (1623-1662) stellt den jüdisch-christlichen Gott dem „Gott der Philosophen“ gegenüber
Jahr der Gnade 1654. Montag, den 23. November [...]. Seit ungefähr abends zehneinhalb bis ungefähr eine halbe Stunde nach Mitternacht. FEUER.
„Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs“, nicht der Philosophen und Gelehrten. Gewissheit, Gewissheit, Empfinden: Freude, Friede. Gott Jesu Christi. Deum meum et Deum vestrum. (Joh 20, 17) [...] Vergessen von der Welt und von allem, außer Gott. Nur auf den Wegen, die das Evangelium lehrt, ist er zu finden. Größe der menschlichen Seele
„Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich“.[...]. Ich habe mich von ihm getrennt. Dereliquerunt me fontem aquae vivae. „Mein Gott, hast du mich verlassen?“ Möge ich nicht auf ewig von ihm geschieden sein. „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“. [...]
Ich habe mich von ihm getrennt, ich habe ihn geflohen, mich losgesagt von ihm, ihn gekreuzigt. Möge ich nie von ihm geschieden sein. Nur auf den Wegen, die das Evangelium lehrt, kann man ihn bewahren.Vollkommene und liebevolle Entsagung. [...]. Amen.
Der christliche Philosoph Justin der Märtyrer (ca. 100-165) beschreibt seine Erfahrung der Verbindung von wahrer Erkenntnis und Liebe zur Weisheit
Da entzündete sich mir auf einmal ein Feuer in meiner Seele, und mich ergriff Liebe zu den Propheten und zu den Leuten, die Christus’ Freunde sind. Als ich seine Argumente mit mir selbst diskutierte, fand ich, dass nur diese Philosophie zuverlässig und von Nutzen ist. So bin ich nun auch dadurch Philosoph.
Platons klassische Definition der Philosophie
Diotima: Kein Gott philosophiert oder begehrt, weise zu werden, er ist es ja, noch auch, wenn sonst jemand weise ist, philosophiert dieser. Ebensowenig philosophieren auch die Unverständigen oder streben, weise zu werden. Denn das ist eben das Arge am Unverstande, dass er, ohne schön und gut und vernünftig zu sein, doch sich selbst ganz genug zu sein dünkt. [...]
Sokrates: Wer also, Diotima, sprach ich, sind denn die Philosophierenden, wenn es weder die Weisen sind noch die Unverständigen?
Diotima: Das muss ja schon, sagte sie, jedem Kinde deutlich sein, dass es die zwischen beiden sind, zu denen auch Eros gehören wird. Denn die Weisheit gehört zu den Schönsten, und Eros ist Liebe zum Schönen; so dass Eros notwendig philosophisch ist und als philosophischer zwischen den Weisen und den Unverständigen in der Mitte steht.
Über die Bedeutung des Sokrates für die antike Philosophie
Sokrates aber rief als erster die Philosophie vom Himmel herunter, siedelte sie in Städten an, führte sie auch in Häuser ein und zwang sie, nach dem Leben und den Sitten sowie guten und schlechten Dingen zu fragen.
Alkinous über den Begriff und das Ziel der Philosophie
Die Lehre der wichtigsten Dogmata Platons ist gewiss die folgende: Die Philosophie ist ein Streben nach Weisheit bzw. die Loslösung und Hinüberführung der Seele vom Körper weg, indem wir uns zum Geistigen und wahrhaft Seienden hinwenden. [...] Der Philosoph muss zunächst zu den Fächern geeignet sein, die ihn der Erkenntnis des geistigen, nicht umherirrenden und veränderlichen Seins annähern und zu ihr hinführen können, sodann muss er zur Wahrheit Liebe empfinden und Lüge keinesfalls akzeptieren, ferner von Natur aus mäßig sein. [...] Da es zweierlei Lebensweisen gibt, die theoretische und die praktische [...], ist die theoretische Lebensweise ehrwürdig, die praktische hingegen nachgeordnet und notwendig.
Gregor über die Ethik als Höhepunkt der Philosophie
Das aber, das von allem das Wichtigste ist und um dessentwillen sich die gesamte Gruppe der Philosophen anstrengt, die [...] aus einer langen Beschäftigung mit allen anderen Lehrgebieten und mit der Philosophie edle Früchte erntet, sind die göttlichen Tugenden, die das Ethos betreffen, aus denen die Antriebe der Seele in einen unerschütterlichen und gefestigten Zustand versetzt werden. Er wollte uns sowohl frei von Leid als auch unempfindlich gegen alles Übel, ausgeglichen, gefestigt sowie wahrhaft gottähnlich und selig machen. Hierum bemühte er sich mit eigenen Worten über unseren Charakter und unser Verhalten, die beruhigend und weise, aber auch sehr zwingend waren. Und nicht nur durch Worte, sondern in gewisser Weise bereits auch durch Taten lenkte er unsere Antriebe, und zwar durch die Betrachtung und Prüfung der Antriebe und Leidenschaften der Seele.
Mögliche Gründe für das Ausfallen des Philosophieunterichts nach Lukian
L.: An der Tür hing ein Täfelchen, darauf stand in großen Buchstaben ,Heute wird nicht philosophiert‘. Es hieß, [dein Lehrer] habe den Abend bei dem wohlbekannten Euphrates gefeiert, der zum Geburtstag seiner Tochter einlud. Während des Symposions habe er viel philosophiert, sich mit dem Peripatetiker Euthydemos angelegt und sei mit ihm über einen der üblichen Punkte, wo sie den Stoikern widersprechen, in die Haare geraten. [...]
H.: Wer hat denn gewonnen, Lykinos, mein Lehrer oder Euthydemos? [...]
L.: Am Anfang, sagt man, stand es noch unentschieden, aber am Ende war der Sieg Eurer, und der alte Mann war turmhoch überlegen. Euthydemos, heißt es, ist dabei allerdings nicht ohne Blutvergießen nach Hause gekommen, sondern mit einem gewaltigen Loch im Kopf. Denn er war frech und spitzfindig und wollte sich nicht überzeugen lassen, er gab sich wohl auch nur wenige Blößen, und da packte Dein Lehrer, der Gute, seinen Pokal, einen wahren Nestorbecher, und drosch ihm, er lag ja neben ihm, damit auf den Kopf – und so siege er.
H.: Jawoll! Genau so muss man mit Leuten umgehen, die den Besseren nicht weichen wollen.
Boethius berichtet der Philosophie über die Gründe für seine Verhaftung
Du hast doch durch Platons Mund diesen Satz bekräftigt: "Glücklich würden die Staaten sein, wenn entweder Philosophen sie regierten oder ihre Regenten sich der Philosophie befleißigten." [...] Dieser Autorität bin ich gefolgt und, was ich von dir in abgeschiedener Muße gelernt hatte, habe ich in die Praxis der Staatsverwaltung zu übertragen gesucht. Du und Gott, der dich dem Geiste der Weisen eingab, seid gewiss, nichts anderes hat mich zum Amte geführt als das gemeinsame Bemühen um alle Güter. Daher jene schwere unversöhnliche Zwietracht mit den Unredlichen, daher – hierin besteht die Freiheit des Gewissens – meine stete Geringschätzung einer Beleidigung der Mächtigen, um das Recht zu bewahren.
Die Philosophie erklärt Boethius, dass sein Unglück auf falsche Präferenzen zurückgeht
[1] Was also ist es, o Mensch, was dich in Schmerz und Trauer gestürzt hat? Etwas ganz Neues und Ungewohntes, glaube ich, hast du gesehen. Du meinst, das Glück (fortuna) habe sich dir gegenüber gewandelt: du irrst!
[2] Dies sind immer seine Sitten, dies ist seine Natur. Es hat vielmehr gerade in seiner Veränderlichkeit dir gegenüber seine ihm eigentümliche Beständigkeit bewahrt. [...].
[3] Denn eben sie, die dir jetzt Anlass zu so großer Trauer gibt, hätte dir zur Beruhigung dienen müssen. [...] Es darf nicht genügen, nur zu schauen, was vor den Augen liegt; die Klugheit ermisst den Ausgang der Dinge. [...] Schließlich musst du mit Gleichmut ertragen, was innerhalb des Bereiches des Glückes geschieht.
Michel Foucault über die Philosophie als <i>parrhēsia</i>, als Wahrsprechen
Ich glaube, dass man die Geschichte der Philosophie [...] als eine Folge von Episoden und Formen – wiederkehrenden und sich wandelnden Formen – des Wahrsprechens betreiben kann. [...] Beginnt die Philosophie nicht unablässig als unablässig neu zu gewinnende parrhēsia? Und ist, in dieser Hinsicht, die Philosophie nicht ein einzigartiges und den abendländischen Gesellschaften eigentümliches Phänomen?
Michel Foucault über politische und philosophische parrhēsia
[1] Nicht die ganze Philosophie, nicht die Philosophie seit ihren Anfängen, nicht die Philosophie in jeder Hinsicht ist eine Tochter der parrhēsia, sondern es ist die Philosophie, verstanden als freier Mut, die Wahrheit zu sagen und, indem man so mutig die Wahrheit sagt, einen Einfluss auf die anderen zu nehmen, um sie richtig zu führen, und zwar in einem Spiel, das vom Parrhesiasten verlangt, ein Risiko einzugehen, das ihn in Lebensgefahr bringen kann. [...]
[2] Erstens muss die Tatsache, dass die antike Philosophie eine Lebensform war, im allgemeinen Rahmen dieser parrhesiastischen Funktion gedeutet werden. [...] Zweitens scheint mir, dass die Philosophie während ihrer ganzen Geschichte in der antiken Kultur [...] auch deshalb parrhēsia ist, weil sie sich beständig an die gerichtet hat, die regieren.
Johannes Duns Scotus (1265-1308) über die Allmacht Gottes und ihre Implikationen
[1] Ich frage: Kann Gott kraft seiner Allmacht alles Mögliche umittelbar hervorbringen? [2] Es sieht nicht danach aus. Dann [...] nämlich könnte Gott ein Subjekt ohne die ihm eigentümliche Eigenschaft hervorbringen; und somit könnte es ohne eigentümliche Eigenschaft existieren und gewusst werden. Infolgedessen gäbe es im Bereich des Seienden kein Wissen schlechthin. [...] [3] Ich antworte und sage, dass sich zwar, wenn wir den Prinzipien der Philosophen folgen, nicht halten lässt, dass Gott auf Grund seiner Allmacht unmittelbar alles Mögliche hervorbringen kann [...]. Dennoch behaupte ich, dass es sich so verhält, und zwar gemäß dem Glauben, durch welchen wir mit den Philosophen über die Prinzipien unterschiedlicher Meinung sind und infolgedessen auch über die Schlussfolgerung [...] [4] Wenn wir [...] von absoluten möglichen Seienden sprechen, behaupte ich, dass Gott jedwedes Absolute durch sich hervorbringen kann. [...] Notwendigerweise besitzt jedes Absolute, was real von anderem unterschieden ist, eine unterschiedene Seiendheit, die nicht von anderem wesentlich abhängt. Folglich kann es für sich sein und gemacht werden, ohne irgendeine Beziehung auf ein anderes. [...] [5] Wer immer weiß, dass eine absolute Eigenschaft ihrem Subjekt zukommt, weiß das zwar sicher, aber nicht immer oder allgemein. Dann nämlich würde er etwas Falsches wissen, weil die Eigenschaft nicht immer unmittelbar ihrem Subjekt als ihrer Ursache zukommt, der sie ihr Entstehen verdankt. Er weiß aber nur, dass es sich meistens so verhält, denn meistens entsteht eine Eigenschaft aus den Prinzipien ihres Subjekts aber nicht immer.
Barḥaḏbǝšabbā von Ḥalwān (um 590) erklärt die Leistung Jesu Christi (Antike Philosophie II)<br />
Barḥaḏbšabbā nennt den wahren Vollender der Philosophie (Judentum und Islam)
Er [Jesus] setzte tragfähige Definitionen der Philosophie (filosofūṯā); so erweckte er die Weisheit, die tot war, belebte die Gottesfurcht, die nichtig war, und zeigte die Wahrheit, die verlorengegangen war: alle Arten von Wissenschaften, gleichsam als unterschiedliche Glieder einer Statue, entwarf und begründete er kurzgefasst in den Ohren der Gläubigen.
Sergios von Rēš‘aynā (gest. 536) fordert bei mangelndem Verstehen zu weiterer Forschung offener Rede auf
[1] Wenn Dir also, o mein Lieber, etwas in der Untersuchung dessen, was gesagt wurde, weiteren Studiums und weiterer Forschung zu bedürfen scheint, die gründlicher ist als diese, darf man nicht, wegen dem bisschen Schwierigkeit, das sich hierin zeigt, aufgeben und den Freimut (parhesīyā) über die ganze Lehre (dōgmā) fallenlassen. [...] Denn in jeder Hinsicht ist entweder die Lösung etwas von größerer Kraft als das von uns Gesagte, oder die Schwierigkeit der Sachen selbst, über die wir sprechen wollen, oder die Schwäche unserer eigenen Natur hindern uns an einem genauen und unstreitigen Wissen über die Dinge.
[2] Und doch ist es deswegen für uns nicht angemessen, dass wir die ganze Wissenschaft der Philosophie (jullpānā ḏ-filosofūṯā) verachten oder die Hand auf den Mund legen und ganz schweigen. Sondern es ist eine Pflicht, dass wir das, was unser Verstand (mellṯā = logos), während wir forschen, findet, dass es wahrer ist als das andere, darlegen und beginnen hierüber zu forschen wie über die Wahrheit.
Justin, Philosoph und Märtyrer, über seine Erfahrungen mit philosophischen Lehrern
a) Ich übergab mit am Anfang einem Stoiker. Nachdem ich einige Zeit mit ihm verbracht hatte, trennte ich mich von ihm, weil ich nichts weiter über Gott erfuhr (er wusste darüber selbst nichts, und dieser Lehrinhalt schien ihm nicht notwendig),
b) und ging zu einem anderen, einem sogenannten Peripatetiker, wie er glaubte, einem schlauen. Nachdem er mit mir an den ersten Tagen zufrieden war, forderte er, den Lohn festzulegen, damit der Unterricht für uns nicht nutzlos würde. Deswegen verließ ich ihn, da ich ihn überhaupt nicht für einen Philosophen hielt.
c) Da meine Seele aber vor Begierde brannte, das Spezifische und Herausragende der Philosophie zu hören, ging ich zu einem sehr angesehenen Pythagoreer. [...] ,Wie steht’s?‘ sagte er, ,Hattest Du Kontakt mit Musik, Astronomie und Geometrie? [...]‘ Nachdem er diese Fächer sehr gelobt hatte und sie notwendig nannte, schickte er mich weg, weil ich zugab, mich darin nicht auszukennen. Ich war also nachvollziehbarerweise traurig und gab die Hoffnung auf.
Gregor Thaumaturgos berichtet über seinen Empfang bei seinem philosophischen Lehrer Origenes
Er hat uns vom ersten Tag an aufgenommen; es war in Wahrheit mein erster, mein wertvollster Tag von allen, wenn ich so sagen darf; [...] als wir fortzulaufen versuchten, dachte er sich Kunstgriffe aller Art aus, um uns an sich zubinden, verwickelte uns in Unterhaltungen [...] und bot alle seine Kräfte auf. Er pries die Philosophie und die Liebhaber der Philosophie mit großen Lobreden und vielen passenden Worten, indem er sagte, nur diejenigen würden in Wahrheit ein Leben nach den Regeln der Vernunft führen, die sich bemühten, auf rechte Weise zu leben. Sie müssten zuerst sich selbst erkennen, wer sie sind, und dann dasjenige wahrhaft Gute, das der Mensch erstreben, und das wirklich Schlechte, das er meiden soll. Er tadelte die Unwissenheit und alle Unwissenden.