Homer berichtet über Odysseus’ Besuch in der Unterwelt
Also sprach der Schatten. Ich aber, aufs tiefste erschüttert,
Wollte liebend die Seele der toten Mutter umarmen.
Dreimal stürzte ich vor und wollte sie zärtlich umfassen,
Dreimal zerrann sie mir unter den Händen, als wär es ein Schatten
Oder ein Traum. Mir wuchs der Schmerz im Herzen noch ärger;
Und so rief ich ihr die geflügelten Worte hinüber:
"Meine Mutter, was meidest du meine sehnenden Arme?
Könnten wir nicht im Hades mit liebenden Händen einander
zärtlich umschlingen und uns durch herbe Klage erleichern?
Sandte mir etwa gar die hehre Persephoneia
Nur ein trügerisch Bild, dass ich noch bitterer seufze?"
Also sprach ich; da gab die würdige Mutter zur Antwort:
,Weh mir, teures Kind, unseligster unter den Menschen,
Nein, es täuscht’ dich nicht Zeus’ Tochter Persephoneia,
Dies ist das Schicksal der Menschen, sobald sie dem Tode erliegen,
Denn dann halten Gebeine und Sehnen nicht länger zusammen,
Sondern die mächtige Kraft des lodernden Feuers vernichtet
Alles, sobald der Geist die bleichen Gebeine verlassen;
Aber die Seele fliegt dahin wie ein flatterndes Traumbild.
Anaximander über Entstehen und Vergehen
Woraus die seienden Dinge ihr Entstehen haben, dorthin findet auch ihr Vergehen statt, wie es in Ordnung ist, denn sie leisten einander Recht und Strafe für das Unrecht, gemäß der zeitlichen Ordnung.
Sokrates‘ eigener Tod wird geschildert
Mir erging es dabei ganz erstaunlich. Bedauern berührte mich nämlich nicht wie einem, der beim Tod eines Freundes anwesend ist. Denn glückselig erschien mir der Mann, o Echekrates, in seinem Benehmen und seinen Reden, wie furchtlos und edel er endete, so dass ich vertraute, er gehe auch in die Unterwelt nicht ohne göttliche Schickung, sondern auch dort werde er sich wohl befinden, wenn jemals einer sonst. Darum berührte mich nun weder irgendein Bedauern, wie man doch denken sollte bei einem solchen Trauerfall, noch auch waren wir fröhlich, wie in unseren philosophischen Beschäftigungen [...], sondern in einem gar nicht festzulegenden Empfinden befand ich mich, das aus Lust zugleich und Trauer zusammengesetzt war.
Ein katholisches Kirchenlied aus dem dreißigjährigen Krieg (1637)
Es ist ein Schnitter, heißt der Tod
Hat Gwalt vom großen Gott:
Heut wetzt er das Messer,
es schneidt schon viel besser,
bald wird er drein schneiden,
wir müssen´s nur leiden.
Hüt dich, schöns Blümelein!
Was heut noch grün und frisch da steht,
wird morgen weggemäht:
die edel Narzissen,
die englischen Schlüsseln,
die schön Hyazinthen,
die türkischen Binden.
Hüt dich, schöns Blümelein!
Viel hunderttausend ungezählt,
was unter die Sichel fällt:
rot Rosen, weiß Lilien,
beid´ wird er austilgen,
ihr Kaiserkronen,
man wird euch nicht schonen.
Hüt dich schöns Blümelein!
Trutz, Tod, komm her, ich fürcht dich nit,
komm her und tu ein´n Schnitt!
Wenn er mich verletzet,
so werd ich versetzet,
ich will es erwarten,
in himmlischen Garten.
Freu dich, schöns Blümelein!
Der Jenaer Student und Barockdichter Johann Christian Günther (1695-1723) wendet sich an seine Geliebte
Als er der Phillis einen Ring mit einem Totenkopf überreichte
Erschrick nicht vor dem Liebeszeichen,
Es träget unser künftig Bild,
Vor dem nur die allein erbleichen,
Bei welchen die Vernunft nichts gilt.
Wie schickt sich aber Eis und Flammen?
Wie reimt sich Lieb und Tod zusammen?
Es schickt und reimt sich gar zu schön,
Denn beide sind von gleicher Stärke
Und spielen ihre Wunderwerke
Mit allen, die auf Erden gehn.
Ich gebe dir dies Pfand zur Lehre:
Das Gold bedeutet feste Treu,
Der Ring, daß uns die Zeit verehre,
Die Täubchen, wie vergnügt man sei;
Der Kopf erinnert dich des Lebens,
Im Grab ist aller Wunsch vergebens,
Drum lieb und lebe, weil man kann,
Wer weiß, wie bald wir wandern müssen!
Das Leben steckt im treuen Küssen,
Ach, fang den Augenblick noch an!
Der lateinische Dichter Horaz (65-8 v. Chr.) über den Tod
Schmelzend weichet der scharfe Winter dem holden Lenz und Zephyr,
Die Hebel ziehn vom Strand die trocknen Kiele;
Nicht mehr freut sich die Herde des Stalls, noch der Ack’rer des Feuers,
Und Silberreif umglänzt nicht mehr die Wiesen.
[...]
Jetzo ziemt es mit grüner Myrthe das blanke Haupt zu kränzen,
Mit Blumen, die der lockern Erd’ entsprießen;
Jetzo ziemt es auch in den Schatten des Hains dem Faun zu opfern,
Er heisch' ein Lämmchen, oder forder’ ein Böckchen.
Schäferhütten und Königsschlösser betritt mit gleichem Fuße
Der blasse Tod. O Sestius, Beglückter!
Kurz ist des Lebens Dauer, verbiet’ uns den Anfang langer Hoffnung,
Bald schließt dich Nacht ein, Fabelschatten bald und
Pluto’s öde Behausung. Ach! Wann du dorthin bist gewandert,
So wirst du nicht durchs Los mehr Gastmahlskönig,
Noch ergötzt dich der zärtliche Lycidas, welchem jeder Jüngling
Jetzt glüht und bald das Herz der Mädchen lodert.
Platon (427-347 v. Chr.) charakterisiert die Philosophie als Sorge um das rechte Sterben
Sokrates: Zu Recht streben, wie wir sagen, immer am meisten die Philosophen und nur sie danach, die Seele [vom Körper] zu lösen, und genau dies ist die Sorge der Philosophen, die Lösung und Abtrennung der Seele vom Körper. Oder etwa nicht?
Simmias: Anscheinend.
[...]
Sokrates: In Wahrheit also, sagte Sokrates, o Simmias, sorgen sich die wahrhaft Philosophierenden darum zu sterben, und das Sterben ist für sie von allen Menschen am wenigsten schrecklich.
Marcus Tullius Cicero (106-43 v. Chr.) zitiert Platons Charakterisierung
Das ganze Leben der Philosophen ist, wie Platon sagt, eine Vorbereitung auf den Tod. [...] Deswegen wollen wir uns darauf vorbereiten, glaube mir, und uns von den Körpern lösen, das heißt uns daran gewöhnen zu sterben.
Bernhard Tauracek über Georg Scherer
Scherers Schrift [...] ist in seinen Kapiteln über die Vorsokratiker, Platon und Epikur [...] so sehr von der hier vertretenen Deutung verschieden, dass man schließen könnte, es gebe jeweils zwei nicht miteinander identische Denker namens Platon und namens Epikur.
Heraklit über Sterbliche und Unsterbliche
Unsterbliche sind sterblich, Sterbliche sind unsterblich, indem sie den Tod von jenen leben, das Leben von jenen sterben.
Heraklit über die Natur des Kosmos
Diesen Kosmos, denselben für alles, schuf weder einer der Götter noch der Menschen, sondern er war immer, ist und wird sein: Feuer, ewig lebendig, die Maße berührend, die Maße verlassend.
Epikur über die Gründe dafür, den Tod nicht zu fürchten
Gewöhne dich
ferner daran zu glauben, der Tod sei nichts, was uns betrifft. Denn alles Gute
und Schlechte liegt in der Sinneswahrnehmung. Der Tod aber ist eine
Beraubung der Sinneswahrnehmung. [...] Das Schrecklichste alles Schlechten,
der Tod, betrifft uns also überhaupt nicht, denn wenn wir sind, ist der Tod
nicht da, wenn der Tod da ist, sind wir nicht.