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Philosophische Zitate aus Antike und Mittelalter

Thema: Antike Philosophie I

123 Zitate zu diesem Thema im Zitatenschatz:

  • Sextos Empirikos: Pyrrhonische Hypotyposen (Pyrrhoneae Hypotyposes) III 9-11, Auszüge

    Eine pyrrhoneische Argumentation zur Existenz Gottes (Antike Philosophie I)<br /> Eine Argumentation zur Existenz Gottes, zeigt wie die pyrrhoneischen Skeptiker einzelne Streitfragen behandeln (können) (Antike Philosophie II)
    [1] Wer sagt, es gebe Gott, der meint entweder, a) er übe eine Vorsehung über das im Kosmos Vorhandene aus oder b) er übe keine Vorsehung aus,
    [2] und wenn a) eine Vorsehung ausübe, dann a1) über alles oder a2) über einiges.
    [Gegen a] Aber wenn er über alles eine Vorsehung ausüben würde, dann gäbe es gewiss weder etwas Schlechtes noch Schlechtigkeit im Kosmos. [...] Wenn er aber über einiges Vorsehung ausübt, warum übt er sie dann über einiges aus, über anderes nicht? [...]
    [Gegen b] Wenn er aber über nichts eine Vorsehung besitzt und es weder ein Werk noch eine Wirkung von ihm gibt, wird niemand sagen können, wie er darauf kommt, dass es Gott gibt.
  • Bardaiṣān: Buch der Gesetze der Völker § 4-6

    Bardaiṣān betont, dass die Suche nach Wissen angemessener ist als ein bloßer Glaube
    [1] Bardaiṣān sagte: ,Verständig sprichst Du. Aber wisse, dass der, der recht fragt und überzeugt werden will und sich ohne Streit auf den Weg der Wahrheit begibt, nicht schuldig ist und sich nicht schämen muss, denn er bereitet [...] dem, der gefragt wird, Freude‘. [...]
    [2] ‘Avīdā sagte: ,[...] Meine Brüder [...] wollten mich nicht überzeugen, sondern sie sagten: Glauben musst Du, und Du kannst alles erkennen! Aber ich kann nicht glauben, wenn ich nicht überzeugt werde‘. [...].
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) X 7, 1177a 14-25

    Aristoteles über die theoretische Tugend als Basis der Eudaimonie (Judentum und Islam)<br /> Aristoteles über die Theorie als beste Möglichkeit, glücklich zu werden (Antike Philosophie I)
    Das, von dem man annimmt, dass man seiner Natur nach herrscht, führt und Einsicht in die schönen und göttlichen Dinge hat, mag es etwas Göttliches sein oder das Göttlichste in uns – seine Tätigkeit gemäß der eigentümlichen Tugend wird das vollendete Glück sein. Dass diese Tätigkeit eine theoretische ist, wurde gesagt. [...] Diese Tätigkeit ist nämlich die höchste, wie auch der Geist von dem in uns Befindlichen wie seine Gegenstände von dem Erkennbaren. Sie ist ferner die kontinuierlichste Tätigkeit, da wir eher kontinuierlich betrachten können als irgendeine Handlung verrichten. [...] Unter den Tätigkeiten gemäß einer Tugend ist weiterhin nach übereinstimmender Auffassung die gemäß der Weisheit die lustvollste.
  • Heraklit von Ephesos: Über die Natur 22 B 48

    Ein Beispiel für Heraklits Sprachkunst
    Der Name des Bogens ist Leben [bios], sein Werk Tod.
  • Al-Fārābī : Die Harmonie zwischen Platon und Aristoteles philosophische Abhandlungen, Leiden 1892, S. 2

    Der arabische Philosoph Abū Naṣr al-Fārābī (ca. 870-950, Autorschaft umstritten) sieht Platon und Aristoteles als Begründer der Philosophie
    Jene beiden Weisen haben nun die Philosophie begründet, ihre Anfangsgründe und Prinzipien errichtet, und auch die Ausläufer und Verzweigungen derselben vollständig dargestellt. Auf ihnen beiden beruht das Vertrauen im Großen und Kleinen, und man nimmt zu ihnen bei Wichtigem und Unwichtigem seine Zuflucht. Nur was in einem Wissenszweige von ihnen ausging, das ist eine Grundlage, auf die man sich deshalb stützen kann, weil sie von jedem Flecken und Schmutz frei ist.
  • Brecht, Bertolt: Leben des Galilei 4. Szene

    Bertolt Brecht stellt die Anerkennung des neuzeitlichen Weltbildes als Problem der Aristoteles-Rezeption dar
    Der Philosoph: Das Weltbild des göttlichen Aristoteles mit seinen mystisch musizierenden Sphären und kristallenen Gewölben und den Kreisläufen seiner Himmelskörper und dem Schiefenwinkel der Sonnenbahn und den Geheimnissen der Satellitentafeln und dem Sternenreichtum des Katalogs der südlichen Halbkugel und der erleuchteten Konstruktion des celestialen Globus ist ein Gebäude von solcher Ordnung und Schönheit, dass wir wohl zögern sollten, diese Harmonie zu stören. […]
    Galilei: Ich stelle mein Fernrohr zur Verfügung, dass man sich überzeugen kann, und man zitiert Aristoteles. Der Mann hatte kein Fernrohr! […]
    Der Philosoph: Wenn hier Aristoteles in den Kot gezogen werden soll, eine Autorität, welche nicht nur die gesamte Wissenschaft der Antike, sondern auch die Hohen Kirchenväter selbst anerkannten, so scheint jedenfalls mir eine Fortsetzung der Diskussion überflüssig. Unsachliche Diskussionen lehne ich ab. Basta.
  • Thomas von Aquin: Kommentar zu Aristoteles' De caelo (in Aristotelis De caelo commentaria) I 22, 8

    Thomas von Aquin (ca. 1225-1274) über das Projekt der Philosophie
    Das Studium der Philosophie dient nicht dazu, dass gewusst wird, was Menschen gedacht haben, sondern wie sich die Wahrheit der Dinge verhält.
  • Elias aus Alexandrien : Kommentar zu den Kategorien (In Categorias commentarium) Elias aus Alexandrien : Kommentar zu den Kategorien / In Categorias commentatrium S. 122, 25-123

    Der Aristoteles-Kommentator (6./7. Jhdt.) betont die Verpflichtung des Auslegers auf die Wahrheit
    Der Ausleger soll zugleich Ausleger und Wissender sein. […] Er darf sich nicht entsprechend den Texten, die er auslegt, verändern, so wie Schauspieler auf der Bühne verschiedene Rollen annehmen, weil sie verschiedene Charaktere darzustellen haben, d.h. wenn er Aristoteles’ Werke auslegt, darf er kein Aristoteliker werden und sagen, dass es nie einen so großen Philosophen gegeben habe, und wenn er Platonisches auslegt, darf er nicht Platoniker werden und sagen, dass es nie einen Philosophen vom Range Platons gegeben habe […], sondern überall soll er sagen: ,Ein Freund ist mir der Mann, ein Freund auch die Wahrheit, von beiden gegebenen Freunden ist mir die Wahrheit lieber.
  • Al-Fārābī : Die Harmonie zwischen Platon und Aristoteles S. 4-6

    Abū Naṣr al-Fārābī (?) betont die Relevanz der Übereinstimmung von Platon und Aristoteles
    Weil nun aber der mit Vernunft Begabte ein Ding nach dem anderen […] sich vorstellt, wegen des Ähnelns der Kennzeichen, durch das man auf den Zustand des Dings hingeführt wird, so ist es nötig, dass viele verschiedene Denker übereinstimmen. So oft dies aber der Fall ist, gibt es keinen stärkeren Beweis und keine größere Gewissheit als diese. […] Nun finden wir, dass die unterschiedlichen Ansichten in der Voranstellung dieser beiden Philosophen übereinstimmen. […] Da sich dies nun so verhält, bleibt nur übrig, dass in der Erkenntnis derer, die von jenen beiden meinen, es herrsche zwischen beiden in den Grundlehren ein Widerspruch, ein Fehler liege.
  • Simplikios: Aristoteles Physik Kommentar (In Aristotelis Physica commentaria) S. 1249, 12-17 Diels

    Der neuplatonische Aristoteles-Kommentator Simplikios formuliert Prinzipien für die Etablierung der Harmonie zwischen Platon und Aristoteles
    Folglich besteht der Unterschied zwischen den Philosophen jetzt, wie in den meisten anderen Fällen, nicht in der Sache, sondern nur in der Benennung. Die Ursache dafür ist, glaube ich, häufig, dass Aristoteles den alltäglichen Wortgebrauch bewahren und die Beweise im Ausgang von dem in sinnlicher Wahrnehmung Klaren ausgehend formulieren möchte, während Platon diese häufig geringschätzt, und leichter Hand zur geistigen Betrachtung aufsteigt.
  • Natorp, Paul: Platons Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus S. 388f

    Der Neukantianer Paul Natorp (1854-1924) betont den Unterschied von Platon und Aristoteles
    a) Man schließe also in den Begriff der genetischen Ansicht von der Erkenntnis das Merkmal ein, daß der Gegenstand für unsre Erkenntnis stets im Werden [...] ist, in dem Begriff der abstraktiven Ansicht das diesem entgegengesetzte Merkmal, daß das gegebene Sein durch Abstraktion an sich erschöpfbar gedacht wird. [...]
    b) Daß nun PLATOS Ansicht die genetische ist, hat in seiner Deutung der Erkenntnis [...] als Bestimmung eines Unbestimmten [...] einen Ausdruck von kaum zu überbietender Deutlichkeit gefunden. Aber ebenso entschieden [...] behauptet ARISTOTELES durchweg die abstraktive Ansicht. Nur von ihr aus [...] beurteilt er PLATO. [...] Daher kann er gar nicht anders, als sich an ihm ärgern, und durch [...] die verschlungenen Gänge seiner Fundamentalphilosophie hindurch ihn verfolgen in einem harten, mitunter höhnenden Ton, bis nahe an die Grenzen des einfachen Schimpfens. [...]
    c) Das ist weniger zu verwundern als das Andre: daß man [...] fortfahren konnte, ARISTOTELES als den berufenen Nachfolger PLATOS [...] darzustellen. Dagegen, glaube ich, würden beide Philosophen gleich entschiedene Verwahrung eingelegt haben.
  • Parmenides von Elea: Über die Natur 28B 2

    Die grundlegende Unterscheidung des Parmenides
    Welche Wege der Untersuchung allein zu denken sind:
    Der erste, dass ist und dass Nicht-Sein nicht ist,
    ist der Weg der Überzeugung, denn er begleitet die Wahrheit;
    der zweite, dass nicht ist, und dass notwendigerweise nicht ist;
    dies ist jedoch, wie ich Dir zeige, ein völlig unerfahrbarer Pfad;
    denn Du wirst nicht, was nicht ist, jemals erkennen,
    noch aussprechen – denn dies lässt sich nicht durchführen.
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 176ab

    Das Ähnlich-Werden mit Gott als Ziel der platonischen Philosophie:
    Sokrates: Deswegen ist es nötig, so schnell wie möglich von hier nach dort zu fliehen. Die Flucht ist aber das Ähnlichwerden mit Gott, soweit es möglich ist. Ähnlichwerden besteht aber darin, mit Klugheit gerecht und würdig zu werden. [...] Gott ist niemals auf irgendeine Weise ungerecht, sondern so gerecht wie nur irgend möglich, und nichts ist ihm ähnlicher als jemand von uns, der so gerecht wird wie möglich.
  • Homer : Odyssee Odyssee XI, 204-224

    Homer berichtet über Odysseus’ Besuch in der Unterwelt
    Also sprach der Schatten. Ich aber, aufs tiefste erschüttert,
    Wollte liebend die Seele der toten Mutter umarmen.
    Dreimal stürzte ich vor und wollte sie zärtlich umfassen,
    Dreimal zerrann sie mir unter den Händen, als wär es ein Schatten
    Oder ein Traum. Mir wuchs der Schmerz im Herzen noch ärger;
    Und so rief ich ihr die geflügelten Worte hinüber:
    "Meine Mutter, was meidest du meine sehnenden Arme?
    Könnten wir nicht im Hades mit liebenden Händen einander
    zärtlich umschlingen und uns durch herbe Klage erleichern?
    Sandte mir etwa gar die hehre Persephoneia
    Nur ein trügerisch Bild, dass ich noch bitterer seufze?"
    Also sprach ich; da gab die würdige Mutter zur Antwort:
    ,Weh mir, teures Kind, unseligster unter den Menschen,
    Nein, es täuscht’ dich nicht Zeus’ Tochter Persephoneia,
    Dies ist das Schicksal der Menschen, sobald sie dem Tode erliegen,
    Denn dann halten Gebeine und Sehnen nicht länger zusammen,
    Sondern die mächtige Kraft des lodernden Feuers vernichtet
    Alles, sobald der Geist die bleichen Gebeine verlassen;
    Aber die Seele fliegt dahin wie ein flatterndes Traumbild.
  • Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) Metaphysik I 3, 983b 20f

    Die kosmologische Grundannahme des Thales
    Thales [...] sagt, das Wasser sei [das Prinzip], weshalb er auch erklärte, die Erde sei auf dem Wasser. Er begründete diese Annahme wohl mit der Beobachtung, dass die Nahrung von allem feucht sei.
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 174a

    Platon über die unpraktische Natur des Philosophen
    Es wird erzählt, dass Thales, [...] als er astronomische Beobachtungen anstellte und dabei nach oben blickte, in einen Brunnen gefallen sei und dass eine witzige, reizende thrakische Magd ihn verspottet habe: Er strenge sich an, die Dinge im Himmel zu erkennen, das aber, was ihm vor Augen und vor den Füßen liege, bleibe ihm verborgen. Derselbe Spott richtet sich reichlich gegen alle, welche auf die Weise der Philosophie leben. Denn in der Tat, so jemandem bleibt der Nächste und der Nachbar verborgen, nicht nur, was er tut, sondern beinahe auch, ob er ein Mensch ist oder irgendein anderes Geschöpf. Aber was genau der Mensch ist und was dieser Natur als Unterschied von den anderen im Hinblick auf das Tun und Erleiden zukommt, das untersucht er und lässt es sich Mühe kosten, es zu erforschen.
  • Anaximander: Fragmente 12 A 9

    Anaximander über Entstehen und Vergehen
    Woraus die seienden Dinge ihr Entstehen haben, dorthin findet auch ihr Vergehen statt, wie es in Ordnung ist, denn sie leisten einander Recht und Strafe für das Unrecht, gemäß der zeitlichen Ordnung.
  • Xenophanes: Über die Natur 21B 23

    Der Vorsokratiker Xenophanes (6. Jhdt. v. Chr.) begründet den philosophischen Monotheismus
    Ein einziger Gott ist unter Göttern und Menschen der größte,
    weder dem Körper noch der Einsicht nach dem sterblichen Menschen gleich.
  • Xenophanes: Über die Natur 21 B 7

    Xenophanes spottet über Pythagoras
    Sie sagen, dass Pythagoras einmal vorbeikam,
    als ein Hündchen geschlagen wurde, dieses bemitleidete und sprach:
    ,Hör auf, schlag nicht mehr, denn es ist die Seele eines Freundes.
    Als ich ihre Stimme hörte, habe ich sie sofort erkannt.
  • Heraklit von Ephesos: Über die Natur 22 B 2

    Heraklit über die Vernachlässigung des Logos
    Während der Logos allgemein ist, lebt die Masse der Leute so, als hätten sie eine spezifische Einsicht.
  • Heraklit von Ephesos: Über die Natur 22 B 116

    Heraklit über die Möglichkeiten des Menschen
    Es ist allen Menschen möglich, selbst zu erkennen und besonnen zu sein.
  • Heraklit von Ephesos: Über die Natur 22 B 101

    Heraklit über seinen Weg
    Ich suchte mich selbst.
  • Heraklit von Ephesos: Über die Natur 22 B 53

    Ein klassisches Zitat Heraklits
    Krieg ist von allem der Vater, von allem der König.
  • Heraklit von Ephesos: Über die Natur 22 B 30

    Heraklit über die Natur des Kosmos
    Diesen Kosmos, denselben für alles, schuf weder einer der Götter noch der Menschen, sondern er war immer, ist und wird sein: Feuer, ewig lebendig, die Maße berührend, die Maße verlassend.
  • Heraklit von Ephesos: Über die Natur 22 B 35

    Heraklit über die Aufgaben des Philosophen
    Philosophische Männer müssen Erforscher von sehr vielem sein.
  • Parmenides von Elea: Über die Natur 28 B 1, Auszug

    Der Weg und das Programm des Parmenides
    Die Stuten, die mich tragen, soweit nur mein Mut reicht, geben mir das Geleit,
    seit sie, führend, mich auf den kundevollen Weg der Göttin gebracht haben,
    der den wissenden Mann durch alle Städte trägt. [...]
    Geneigt also empfing mich die Göttin, ergriff mit ihrer Hand
    meine Rechte und sprach die folgenden Worte:
    "Junger Mann, Gefährte unsterblicher Wagenlenkerinnen, [...]
    willkommen. Es ist ja kein böses Geschick, das dich fortgeleitet hat über diesen Weg
    ans Ziel zu kommen (einen Weg, der weitab vom üblichen Pfad der Menschen liegt),
    sondern göttliche Fügung und Recht. So gehört es sich, dass Du alles erfährst:
    einerseits das unerschütterliche Herz der wirklich überzeugenden Wahrheit,
    andererseits die Meinungen der Sterblichen, denen keine Verlässlichkeit innewohnt."
  • Parmenides von Elea: Über die Natur 28B 3

    Die Einheit von Denken und Sein nach Parmenides
    Dasselbe ist das Denken [von etwas] und [sein] Sein.
  • Parmenides von Elea: Über die Natur 28B 8, Z. 34-39

    Parmenides entwickelt Grundlagen eines korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriffs
    Dasselbe ist das Denken und wovon es einen Gedanken gibt. Denn nicht ohne das Seiende, in dem es als Ausgesagtes ist, wirst Du das Denken finden. Nichts nämlich ist oder wird sein ein anderes neben dem Seienden, weil das Geschick verfügt hat, dass es als ganzes unveränderlich ist. Hiernach wird alles benannt, was die Sterblichen ansetzten, im Vertrauen darauf, dass es wahr sei.
  • Parmenides von Elea: Über die Natur 28B 6, Z. 7-9

    Parmenides’ Kritik an Heraklit
    Taub wie blind, verblüfft, unverständige Völker, sind die, denen das Sein und das Nichtsein als dasselbe und auch wieder nicht als dasselbe gilt und für die es einen Weg gibt, auf dem alles in sein Gegenteil umschlägt.
  • Parmenides von Elea: Über die Natur 28B 8, Z. 3-8

    Parmenides über die Ewigkeit des Seienden
    So wie das Seiende nicht hervorgebracht ist, so ist es auch unzerstörbar, einzig, aus einem Glied, unerschütterlich und unvollendbar, weder war es, noch wird es sein, da es jetzt alles zugleich ist, eins, zusammenhängend. Denn was wirst Du als seinen Zeuger aufsuchen? Wie, woher ist es gewachsen? Auch dass es aus nicht seiendem ist, werde ich Dich weder sagen noch denken lassen. Denn das lässt sich weder sagen noch denken.
  • Simplikios: Aristoteles Physik Kommentar (In Aristotelis Physica commentaria) 144, 25-27

    Der Neuplatoniker Simplikios (um 530) erklärt, warum er Parmenides so ausführlich zitiert
    Gerne möchte ich Parmenides‘ Worte über das seiende Eine zu diesen Erklärungen hinzuschreiben, zumal sie nicht viele sind, wegen der Glaubwürdigkeit des von mir Gesagten und wegen der Seltenheit der Schrift des Parmenides.
  • Aristoteles: Physik (Aristoteles) (Physica) VI 9, 239b 5-7. 14-18. 8f

    Zenons Paradoxe und ihre Auflösung nach Aristoteles
    Zenon argumentiert falsch. Denn wenn alles, sagt er, immer ruht, solange es am gleichen Ort bleibt, wenn aber das Bewegte immer in einem Jetzt ist, dann sei der bewegte Pfeil unbeweglich [...].
    Das zweite Argument ist der sogenannte "Achill". Es lautet: Das Langsamste [die Schildkröte] wird in seinem Lauf nie vom Schnellsten eingeholt werden. Denn es ist notwendig, dass das Folgende vorher dort ankommt, wo das Fliehende eben weggegangen ist, so dass notwendig das Langsamere immer wieder etwas voraus hat [...].
    Das ist aber falsch. Denn die Zeit besteht nicht aus unteilbaren Jetzten, so wie auch sonst nichts Ausgedehntes.
  • Empedokles: Fragmente 21 B 17, Z. 16-20

    Die Grundbegriffe der Philosophie des Empedokles
    Zweierlei werde ich berichten: einmal wächst es zusammen, um ein alleiniges Eines zu sein aus mehrerem, ein andermal entwickelt es sich auseinander zu mehrerem aus Einem: Feuer und Wasser und Erde und der Luft unermessliche Höhe; und gesondert von diesen, aber sie in jeder Hinsicht aufwiegend: der Hass, der verwünschte, und in ihnen die Liebe, ihnen gleich an Länge und Breite.
  • Anaxagoras: Fragmente 59 B 11-12

    Anaxagoras definiert den Unterschied von Geist und materieller Welt
    Und Anaxagoras sagt in aller Deutlichkeit: "In jedem – ausgenommen im Geist – ist ein Anteil von jedem; es gibt aber auch Dinge, in denen Geist ist". Und weiter: "Alles andere hat in Betreff eines Anteils Teil an jedem, der Geist aber ist unendlich und selbstbestimmend und mit nichts durch eine Mischung verbunden".
  • Demokrit von Abdera: Fragmente 68

    Demokrit führt sinnlich wahrnehmbare Qualitäten auf Atome und Leeres zurück
    In der Bestimmung gibt es süß und in der Bestimmung bitter, in der Bestimmung warm, in der Bestimmung kalt, in der Bestimmung Farbe, in Wahrheit aber Atome und Leeres.
  • Plutarch von Chaironeia: N.N. 68 A 57 (Demokrit nach Plutarch von Chaironeia)

    Ein genaueres Testimonium über die Lehre des Demokrit
    Denn was behauptet Demokrit? Im Leeren bewegten sich Substanzen, der Zahl nach unendlich wie auch unteilbar und unterschiedslos und ohne Qualität und für Einwirkung unempfänglich; wenn sie sich einander näherten oder zusammenstießen oder verflöchten, so träten einige dieser Anhäufungen als Wasser, andere als Feuer, andere als Pflanze und wieder andere als Mensch in Erscheinung. Alles sei Atome, von ihm "Ideen" genannt, und weiter sei nichts.
  • Gorgias von Leontinoi: Über das Nichtseiende, Fragment 3 Fragment 3; S. 40-43 Buchheim

    Die Negation des (parmenideischen) Seins durch den Sophisten Gorgias (ca. 480-380 v. Chr.)
    Er behauptet, dass gar nichts sei; wenn doch etwas sei, sei es unerkennbar; wenn aber doch etwas sowohl ist als auch erkennbar ist, sei es jedoch anderen nicht zu verdeutlichen. […] Wenn nämlich das Nichtsein Nichtsein ist, ist das Nichtseiende gewiss um nichts weniger als das Seiende. Denn das Nichtseiende ist nichtseiend, und das seiende seiend. […] Wenn aber das Nichtsein ebenso ist, dann ist, sagt er, das Seiende nicht, als dessen Gegenteil. […] Wenn aber dasselbe sind, ist auch so gewiss nichts. Denn das Nichtseiende ist nicht, und ebenso das Seiende, weil es ja dasselbe ist wie das Nichtseiende.
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) Theaitet 166d

    Der ,Satz des Protagoras‘ (ca. 490-411 v. Chr.) in den Worten des platonischen Sokrates
    Denn ich behaupte, dass sich die Wahrheit so verhalte, wie ich geschrieben habe, dass nämlich ein jeder von uns das Maß dessen sei, was ist und was nicht, dass sich aber gewiss der eine vom anderen darin gewaltig unterscheide, weil für den einen das eine da ist und zu sein scheint, für den anderen aber anderes.
  • Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) XI 6, 1062b 13f

    Der ,Satz des Protagoras‘ in den Worten des Aristoteles
    Protagoras sagte nämlich, für alle Dinge sei das Maß der Mensch, wobei er nichts anderes sagt als, dass das, was einem jeden zu sein scheint, auch in der Tat ist.
  • Platon: Der Staat (Platon) (De re publica) I, 336b

    Platon führt die (vielleicht ahistorische) Figur des Sophisten Thrasymachos ein
    Als wir innehielten und ich dies gesagt hatte, konnte Thrasymachos nicht länger Ruhe halten, sondern raffte sich auf und kam auf uns los, recht wie ein wildes Tier um uns zu zerreißen.
  • Platon: Der Staat (Platon) (De re publica) I, 338c

    Thrasymachos‘ Definition der Gerechtigkeit nach Platon
    Ich sage, dass das Gerechte nichts anderes ist als das für den Stärkeren Nützliche.
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 160d

    Platon fasst die von Sokrates zuvor widerlegte These der Protagoreer zusammen
    Sokrates [zum jungen Theaitet]: Wunderschön wurde von Dir also dargelegt, dass Wissen nichts anderes ist als Sinneswahrnehmung. Dabei fiel in dasselbe zusammen, dass sich – laut Homer, Heraklit und dieser ganzen Truppe – alles wie Flüssiges bewege und dass – laut dem allerweisesten Protagoras – der Mensch das Maß aller Dinge sei und das – gemäß Theaitet – die Sinneswahrnehmung, wenn das alles so ist, Wissen wird.
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 150c

    Platon charakterisiert die sogenannte , Maieutik‘ des Sokrates
    Sokrates: Ja auch hierin geht es mir eben wie den Hebammen, ich gebäre keine Weisheit, und was mir bereits viele vorwarfen, dass ich andere zwar fragte, selbst aber nichts über irgendetwas ans Licht brächte, weil ich nämlich an Weisheit besäße, darin haben sie recht. Die Ursache davon ist aber diese: Geburtshilfe zu leisten zwingt mich der Gott, zu zeugen aber hat er mir verwehrt.
  • Platon: Apologie des Sokrates (apologia Socratis) 21b

    Sokrates über sein Nichtwissen
    Sokrates: Ich bin mir weder im Großen noch im Kleinen einer besonderen Weisheit bewusst.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) VII 3, 1145b 26f

    Sokrates sagt in der Darstellung des Aristoteles
    Bewusst würde niemand entgegen dem Besten handeln, wohl aber aus Unwissenheit.
  • Platon: Der Staat (Platon) (De re publica) I, 339cd

    Platon schildert, wie Sokrates Thrasymachos widerlegt
    Sokrates: Was die Regierenden festsetzen, müssen die Regierten tun, und das ist das Gerechte?
    Thrasymachos: Wie sollte es nicht!
    S.: Also nicht allein das dem Stärkeren Zuträgliche zu tun ist gerecht nach deiner Rede, sondern auch das Gegenteil, das nicht Zuträgliche.
    Th.: Was sagst Du?
    S.: Was Du sagst, denke ich wenigstens; lass uns aber noch besser zusehen: Ist es nicht eingestanden, dass, indem die Regierenden den Regierten befehlen, einiges zu tun, sie bisweilen das für sie Beste verfehlen; was aber auch die Regierenden befehlen mögen, das sei für die Regierten gerecht zu tun? Ist das nicht eingestanden?
    Th.: Das glaube ich freilich.
    S.: Glaubst Du nun also, eingestanden zu haben, auch das den Regierenden und Stärkeren Unzuträgliche zu tun sei gerecht, wenn die Regierenden wider Wissen, was für sie schlecht ist, anordnen, und Du doch sagst, für diese sei es gerecht zu tun, was jene angeordnet haben? Kommt es also nicht alsdann notwendig so heraus, o weisester Thrasymachos, dass es gerecht ist, das Gegenteil von dem zu tun, was Du sagst? Denn das für die Stärkeren Unzuträgliche wird dann den Schwächeren anbefohlen zu tun.
  • Platon: Menon (Meno) 88cd

    Die Klugheit bei Platon
    Wenn also die Tugend etwas in der Seele ist, dem es auch notwendig zukommt nützlich zu sein, so muss dies Klugheit sein, weil alles in der Seele an und für sich weder nützlich ist noch schädlich und nur durch Hinzukommen der Klugheit oder Dummheit schädlich und nützlich wird.
  • Platon: Apologie des Sokrates (apologia Socratis) 28e - 29a

    Sokrates (ca. 469-399 v. Chr.) rechtfertigt in einer Verteidigungsrede vor der Gerichtsversammlung der Athener Bürger sein kritisches Fragen als Gehorsam gegenüber einer höheren Autorität als der staatlichen
    Ich hätte also Arges getan, ihr Athener [...], wenn ich da, wo der Gott mich hinstellte, wie ich es doch glaubte und annahm, dass ich philosophierend leben solle und in Prüfung meiner selbst und anderer, den Tod oder irgendetwas anderes fürchtend, aus der Ordnung gewichen wäre.
  • Platon: Brief 7 (Epistula 7) 324b-325a

    Platon berichtet über seine ersten Erfahrungen mit der Politik
    Damals, als ich jung war, ging es mir wie so vielen: Ich glaubte, sobald ich mein eigener Herr wäre, sofort an die öffentlichen Aufgaben der Stadt herangehen zu müssen. [...] Da viele die damalige Verfassung ablehnten, erfolgte ein Umsturz, und [...] dreißig setzten sich als Herrscher mit höchster Vollmacht ein. Von denen waren einige mir verwandt oder bekannt, und daher baten sie mich sofort dazu, gleich wie zu angemessen Angelegenheiten. [...] Ich glaubte nämlich, sie würden die Stadt aus einer irgendwie ungerechten Lebensweise zu einer gerechten Art führen. [...] Doch als ich sehen musste, wie diese Männer in kurzer Zeit die vorherige Verfassung noch als Gold erscheinen ließen – unter anderem wollten sie auch meinen lieben älteren Freund Sokrates, den ich mich, ohne mich zu schämen, den gerechtesten seiner Zeit nennen möchte, zusammen mit anderen ausschicken, einen Mitbürger gewaltsam zur Hinrichtung zu holen, damit er denn an ihren Angelegenheiten Anteil hätte, ob er wollte oder nicht (doch er gehorchte nicht, nahm lieber die größten Gefahren auf sich, um nur nicht Mittäter bei ihren gottlosen Werken zu werden) – [...], da befiel mich Abscheu, und ich zog mich aus diesen Schlechtigkeiten heraus.
  • Platon: Brief 7 (Epistula 7) 325a-d

    Platons weitere Erfahrungen mit der Politik
    Nach nicht langer Zeit wurden die dreißig gestürzt, und mit ihnen die ganze damalige Verfassung. [...] Durch irgendeien Zufall holten einige der [neuen] Machthaber unseren erwähnten Gefährten Sokrates vor Gericht und erhoben eine äußerst ruchlose Anklage gegen ihn, die am allerwenigsten für Sokrates angemessen war. Wegen Gottlosigkeit nämlich klagten ihn einige an, andere stimmten ihn für schuldig und ließen ihn hinrichten, ihn, der damals an der verbrecherischen Entführung eines der verbannten Freunde nicht hatte teilnehmen wollen, als es ihnen selbst in der Verbannung schlecht ging. Als ich mir dies nun anschaute: die, die Politik trieben, die Gesetze und Sitten, desto schwieriger kam es mir vor – je mehr ich das durchschaute und zugleich an Alter zunahm –, eine Stadt richtig zu verwalten.
  • Platon: Phaidon (Phaedo) 61d-e

    Platon reflektiert den Sinn von Mythen:
    Nun ziemt es sich ja vielleicht am besten, dass der, der dorthin übersiedeln soll, über die Übersiedlung nachdenkt und in Mythen darüber spricht, wie wir sie zu sein annehmen. Was soll jemand auch sonst in der Zeit bis zum Sonnenuntergang tun?
  • Platon: Gorgias (Gorgias) 524d-525a. 526bc

    Ein platonischer Jenseitsmythos:
    Gut sichtbar ist alles an der Seele, wenn sie vom Leibe entkleidet ist, sowohl was ihr von Natur eignete als auch die Veränderungen, welche der Mensch durch sein Bestreben um dies und jenes Ding hatte. Wenn sie nun vor den Richter kommen, und zwar die aus Asien vor den Rhadamanthys, so stellt Rhadamanthys sie vor sich hin und beschaut die Seele eines jeden. ohne zu wissen, wessen Seele es ist, aber oft [...] findet er nichts Gesundes an der Seele, sondern durchgepeitscht findet er sie und voller Schwielen von Meineid und Ungerechtigkeit, all das, was jede einzelne Handlung dieses Menschen der Seele aufgeprägt hat. [...] Wenn also dieser Rhadamanthys so jemanden ergriffen hat, so weiß er weiter gar nichts von ihm, weder wer noch aus welchem Geschlecht er ist, sondern nur, dass er böse ist. Und sowie er dies gesehen hat, schickt er ihn nach dem Tartaros und gibt an, ob er ihn für heilbar oder ob er ihn für unheilbar hält, worauf dann jener nach seiner Ankunft das Gebührende leiden muss. Erblickt er aber bisweilen eine andere Seele, die würdig und mit Wahrheit gelebt hat, eines für sich lebenden Mannes oder sonst eines, der das Seinige getan hat, [...] so freut er sich und sendet sie zu den Inseln der Seligen.
  • Platon: Phaidros (Phaedrus) 275a-b

    Platon macht sich Gedanken über den Sinn von Schriftlichkeit:
    Sokrates [gibt Aussagen des ägyptischen Gottes Thamus über die Schrift wieder]: "Diese Erfindung wird den Seelen der Lernenden Vergessenheit einflößen aus Vernachlässigung des Gedächtnisses, weil sie im Vertrauen auf die Schrift sich nur von außen vermittels fremder Zeichen, nicht aber innerlich sich selbst und unmittelbar erinnern werden. [...] Und von der Weisheit bringst du deinen Lehrlingen nur den Schein bei, nicht die Sache selbst. Denn indem sie nun vieles gehört haben ohne Unterricht, werden sie sich auch vielwissend zu sein dünken, obwohl sie doch größtenteils unwissend sind".
    Phaidros: O Sokrates, leicht erdichtest Du uns ägyptische und was sonst für ausländische Reden Du willst.
  • Platon: Der Staat (Platon) (De re publica) II 360cd. 367e

    Das Gerechtigkeitsproblem von Glaukon und Adeimantos und das Beweisziel der Politeia
    Niemand ist freiwillig gerecht, sondern nur gezwungen, weil dies nicht in sich gut ist; denn immer wenn ein jeder glaubt, er könne ungerecht handeln, da tut er es auch. Denn jedermann glaubt, dass ihm für sich die Ungerechtigkeit weit mehr nützt als die Gerechtigkeit. [...] Zeige uns also in deiner Rede nicht nur, dass Gerechtigkeit besser ist als Ungerechtigkeit, sondern, durch welche Wirkung auf den, der sie hat, die eine von ihnen, mag sie nun Göttern und Menschen verborgen bleiben oder nicht, an und für sich ein Gut ist und die andere ein Übel.
  • Platon: Menon (Meno) 80d

    Das Menon-Paradox – ein methodisches Schlüsselproblem der Philosophie:
    Menon: Auf welche Weise wirst du nun das suchen, Sokrates, wovon du überhaupt nicht weißt, was es ist? Als welches der Dinge, die du nicht weißt, wirst du es dir denn vorlegen und suchen? Zudem: Wenn du es auch noch so gut triffst, wie wirst du wissen, dass es dasjenige ist, was du nicht wusstest?
  • Platon: Phaidon (Phaedo) 72e

    Eine klassische Formulierung der Anamnesis- (Wiedererinnerungs-)Lehre
    Sokrates: Unser Lernen ist nichts anderes als Wiedererinnerung, und auch hiernach müssen wir in einer früheren Zeit gelernt haben, wessen wir uns jetzt erinnern. Das ist aber unmöglich, wenn unsere Seele nicht schon war, ehe sie in unsere menschliche Gestalt kam.
  • Platon: Phaidon (Phaedo) 75b

    Platon nähert sich der Ideenlehre an über den Strukturbegriff ,gleich‘
    Sokrates: Ehe wir also anfangen zu sehen oder zu hören oder die anderen Sinne zu gebrauchen, mussten wir schon irgendwoher die Erkenntnis bekommen haben des Gleichen, was es ist, wenn wir doch das Gleiche in den Wahrnehmungen so auf jenes beziehen sollten, dass dergleichen alles zwar strebt zu sein wie jenes, aber doch immer schlechter ist.
  • Platon: Phaidon (Phaedo) 75cd

    Die Ausweitung von Platons Ideenlehre auf weitere Strukturbegriffe
    Sokrates: Und es ist uns ja jetzt nicht mehr von dem Gleichen die Rede als auch von dem Schönen selbst und dem Guten selbst und dem Rechten und Frommen und, wie ich sage, von allem, was wir bezeichnen als ,dies selbst, was es ist‘ in unseren Fragen, wenn wir fragen, und in unseren Antworten, wenn wir antworten.
  • Platon: Phaidon (Phaedo) 101bc

    Platon begründet die Stellung der Ideen als universale Ursachen
    Sokrates: Wenn eines zu einem anderen hinzugefügt wurde […], würdest du dich nicht hüten zu behaupten, dass die Hinzufügung Ursache für des Zwei-Seins sei? Würdest du nicht vielmehr laut rufen, dass du keine andere Weise der Entstehung von etwas Einzelnem kennst als die Teilhabe jedes Einzelnen an seinem eigenen Wesen, an dem es teilhat? Kannst du nicht folglich in diesen Dingen keine andere Ursache für die Entstehung des Zwei-Seins angeben als nur die Teilhabe an der Zweiheit?
  • Platon: Der Staat (Platon) (De re publica) VI, 509b

    Das Ergebnis von Platons Sonnengleichnis
    Sokrates: Ebenso nun sage auch, dass dem Erkennbaren nicht nur das Erkanntwerden von dem Guten komme, sondern auch das das Sein und Wesen habe es von ihm, da doch das Gute selbst nicht das Sein ist, sondern noch über das Sein an Würde und Kraft hinausragt.
  • Platon: Das Gastmahl / Symposion (convivium) 202a

    Platon reflektiert die wahre Meinung als eine mögliche Lösung für das Menon-Paradox
    Seherin Diotima: "Hast du nicht gemerkt, dass es etwas in der Mitte zwischen Weisheit und Unverstand gibt?"
    Sokrates: "Was wäre das?"
    Seherin Diotima: "Wenn man das Richtige meint, ohne jedoch einen Grund (logon) dafür angeben zu können, weißt du nicht […], dass das weder Wissen ist – denn wie soll eine Tatsache ohne Grund (alogon pragma) ein Wissen sein – noch auch Unbelehrtheit – denn da sie die Realität trifft, wie soll sie Unverstand sein? Also ist offenbar die richtige Meinung so etwas, in der Mitte zwischen Klugheit und Unverstand."
  • Platon: Phaidros (Phaedrus) 277e-278b

    Platon über den geschriebenen Logos:
    Sokrates: Wer aber glaubt, dass im geschriebenen Logos über jede Sache vieles notwendig nur Spiel sein muss […], aber dass in der Tat auch die besten unter ihnen nur zur Erinnerung gedient haben für den schon Unterrichteten; und wer weiterhin glaubt, dass nur in den Logoi, welche gelehrt und des Lernens wegen gesprochen oder wirklich in die Seele hineingeschrieben worden, vom Gerechten, Schönen und Guten, in diesen allein weiß, dass etwas wirksames sei und vollkommenes und der Anstrengung würdiges; […] und wer schließlich alle anderen gehen lässt – dieser so geartete Mensch, o Phaidros, scheint so zu sein, wie ich und Du wünschten, dass ich und du sein möchten. Sokrates: Wer aber glaubt, dass im geschriebenen Logos über jede Sache notwendigerweise viel Spiel enthalten sei […], aber dass tatsächlich die Besten von ihnen als Gedächtnishilfe für Wissende entstanden sind; und wer weiterhin glaubt, dass nur in den Logoi, die der Lehre dienen und des Lernens wegen gehalten wurden und tatsächlich in der Seele über gerechte, schöne und gute Dinge geschrieben stehen, Klarheit, Vollkommenheit und etwas der Mühe Wertes enthalten sind; […] und wer schließlich die übrigen beiseite lässt – dieser so geartete Mensch, o Phaidros, scheint so zu sein, wie ich und Du beten möchten, dass wir beide so werden.
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 180c-e

    Die Ausgangsfrage von Platons Theaitet: Das Verhältnis von Veränderung und Unveränderlichkeit
    Sokrates: Haben wir nun nicht zuerst von den Alten das andersartige Problem empfangen […], dass nichts feststehe? […] Beinah hätte ich vergessen, o Theodoros, dass andere wiederum das genaue Gegenteil davon behauptet haben […], dass alles eins ist und in sich feststeht, ohne einen Raum zu haben, in dem es sich bewegt.
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 184d-e

    Platon im Theaitet über die Erkenntnisgegenstände für die Seele
    Sokrates: Es wäre schlimm, mein Junge, wenn eine ganze Reihe Wahrnehmungen in uns wie in einem hölzernen Pferd nebeneinanderlägen, dies alles aber nicht in irgendeine Form, magst du sie nun Seele oder was immer nennen, zusammenliefen, mittels derer wir durch diese wie durch Werkzeuge all das wahrnehmen, was wahrnehmbar ist. […]. Und sage mir: das, wodurch du Warmes, Hartes, Leichtes und Süßes wahrnimmst, rechnest du all das nicht dem Körper zu? Oder etwas anderem?
    Theaitet: Keinem anderen.
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 185a-e

    Platon im Theaitet über Identität, Differenz und ihre Feststellung
    Sokrates: Vom Laut und von der Farbe, denkst du nicht von diesen beiden zuerst das, dass sie zweierlei sind?
    Theaitet: Das denke ich.
    Sokrates: Nicht auch, dass jedes von beiden vom anderen verschieden, mit sich selbst aber einerlei ist?
    Theaitet: Freilich. […]
    Sokrates: Wodurch denkst du dies alles über diese beiden? Denn weder durch den Gesichtssinn noch durch das Gehör ist es möglich, über sie das Gemeinsame über sie aufzufassen. […]
    Theaitet: Du meinst ihr Etwas-Sein oder Nichtsein, ihre Ähnlichkeit und Unähnlichkeit, das Identisch- und Verschieden sein, ferner ob sie eins sind oder eine andere Zahl. […] Die Seele scheint mir durch selbst das Gemeinsame in allen Dingen zu erforschen.
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 208bc, 209bc

    Der letzte Definitionsversuch von Wissen im Theaitet
    Sokrates: Vielleicht möchte jemand ihn [die wahrhafteste Bedeutung von ,Wissen‘] nicht so definieren, sondern nach der noch übrigen von den drei Möglichkeiten, wovon eine, wie wir sagten, derjenige annehmen, welcher das Wissen als eine richtige Meinung in Verbindung mit einer Begründung definiert.
    Theaitet: Richtig erinnerst Du Dich. [...] Was verstehst Du aber unter der dritten Möglichkeit?
    Sokrates: Was die Menge sagen würde, dass man ein Merkmal angeben kann, wodurch sich das Gefragte von Allem unterscheide. [...] Wohlan denn, beim Zeus, wie habe ich denn durch so etwas mehr dich gemeint als irgendeinen anderen. [...] Wenn ich mir nicht bloß einen Nase und Augen Habenden denke, sondern auch einen Krummnasigen und Glupschäugigen, werde ich dann mehr Dich denken als mich selbst und wer sonst noch so beschaffen ist?
    Theaitet: Um nichts mehr. [...]
  • Platon: Theaitetos (Theaetetus) 209e-210a

    Das endgültige Scheitern der Definition von „Wissen“ in Platons Theaitet
    Sokrates: Wenn auf der anderen Seite, Jungchen, mit dem Hinzufügen der Begründung ein Einsehen und nicht nur ein Meinen der Unterschiedlichkeit gemeint wäre, dann wäre es eine herrliche Sache mit dieser Aussage über Wissen. Nicht wahr?
    Theaitet: Ja.
    Sokrates: Wer also gefragt wird, was Wissen ist, soll, wie es scheint, antworten, wahre Meinung mit einem Wissen über die Unterschiedlichkeit. [...]. Und das ist doch auf alle Weise einfältig, wenn wir das Wissen untersuchen, zu sagen, es sei wahre Meinung verbunden mit Wissen, über den Unterschied oder über sonst etwas. Weder also die Sinneswahrnehmung, o Theaitet, noch die wahre Meinung noch die mit der wahren Meinung verbundene Erklärung kann Wissen sein.
  • Platon: Der Sophist (Sophista ) 241d

    Die Frage nach der Veränderlichkeit von Ideen als Grundfrage von Platons Sophistes
    Gast aus Elea: Das Argument des Vaters Parmenides müssen wir, um uns zu verteidigen, prüfen und erzwingen, dass sowohl das Nicht-Seiende in gewisser Hinsicht ist als auch das Seiende wiederum irgendwie nicht ist.
  • Platon: Der Sophist (Sophista ) 244b-c

    Die These der Eleaten/des Parmenides zum Verhältnis von Sein und Einem
    Gast aus Elea: Dies also mögen sie uns beantworten: Ihr sagt, es sei nur eins? – Das sagen wir, werden sie sagen. Nicht wahr?
    Theaitet: Ja.
    Gast aus Elea: Was weiter? Nennt ihr etwas ,seiend‘?
    Theaitet: Ja.
    Gast aus Elea: Dasselbe wie eins, indem ihr zwei Worte für dasselbe braucht? Oder wie?
  • Platon: Der Sophist (Sophista ) 244d

    Das Verhältnis von Sein und Einem und die Identität der Ideen
    Gast aus Elea: Nimmt man die Bezeichnung als etwas von dem Ding verschiedenes, so benennt man eine Zweiheit.
    Theaitet: Ja.
    Gast aus Elea: Nimmt man aber die Bezeichnung als dasselbe wie jenes, wird man entweder gezwungen sein zu sagen, sie sei die Bezeichnung von nichts, wenn er aber sagen will, sie [sei die Bezeichnung von] etwas, so wird herauskommen, dass die Bezeichnung nur Bezeichnung einer Bezeichnung ist, und von nichts anderem.
  • Platon: Der Sophist (Sophista ) 254d-e

    Der Gast aus Elea entwickelt in Platons Theaitet die fünf höchsten Gattungen des Seienden
    Gast aus Elea: Die größten der Gattungen, welche wir vorher durchgegangen sind, sind doch wohl 'seiend' selbst und Ruhe und Bewegung.
    Theaitet: Bei weitem.
    Gast aus Elea: Und die zwei, sagen wir doch, sind miteinander ganz völlig unvermischbar?
    Theaitet: Völlig.
    Gast aus Elea: Das Sein aber vermischbar mit beidem. Denn beide sind ja irgendwo.
    Theaitet: Wie sollten sie nicht!
    Gast aus Elea: Das wären also drei.
    Theaitet: Ja, und?
    Gast aus Elea: Jedes von ihnen ist also verschieden von den zwei anderen, mit sich selbst aber identisch?
    Theaitet: So ist es.
    Gast aus Elea: Was haben wir jetzt wieder gesagt? 'Identisch' und 'verschieden'? Sind sie auch wieder zwei Gattungen, die andere sind als die drei genannten, sich aber notwendigerweise mit ihnen immer vermischen, und über fünf, aber nicht über drei ist zu achten, weil sie gegeben sind?
  • Platon: Timaios (Timaeus) 27d-28a; 28c-29b

    Die ontologischen Grundkategorien, die bei der Beschreibung der Weltentstehung zu unterscheiden sind (Antike Philosophie I)<br /> Auch in Platons Timaios wird die Unterscheidung von ewigen Ideen und veränderlicher wahrnehmbarer Welt beibehalten (Judentum und Islam)
    a) Zuerst nun haben wir meiner Meinung nach Folgendes zu unterscheiden: Was ist das stets Seiende und kein Werden Habende, und was das stets Werdende, aber niemals Seiende. Das eine kann durch ein Denken mit rationaler Struktur erkannt werden, ist stets sich selbst gleich, das andere dagegen kann durch eine Meinung mit nicht-rationaler Wahrnehmung gemeint werden, ist werdend und vergehend, nie aber wirklich seiend. [...]
    b) Den Vater und Hersteller dieses Alls zu finden, ist eine Aufgabe, und es ist, hat man ihn gefunden, unmöglich, ihn allen zu verkünden. Dies ist nun wiederum über ihn zu prüfen, auf welches der Urbilder hin der handwerklich Tätige dies gestaltete [...]. Wenn klarerweise diese Welt schön ist und der Gestalter gut, ist klar, dass er auf das ewige hinblickte. Wenn es aber so ist, wie sich nicht einmal auszusprechen gehört, [hat er] auf das gewordene [hingeblickt]. [...] Dies ist also über das Abbild und über sein Urbild anzugeben.
  • Platon: Timaios (Timaeus) 29d-30c

    Die Beschreibung des guten Herstellers bzw. „Schöpfers“ der Welt (Antike Philosophie I)<br /> Die Güte Gottes als Grund der Weltordnung ist seit Platon ein klassisches Motiv griechischer philosophischer Theologie (Judentum und Islam)
    Timaios: a) Geben wir denn an, aus welchem Grund der Gestalter das Werden und das Weltall gestaltete. Er war gut; in einem Guten erwächst niemals und in keiner Beziehung irgendeine Missgunst. […] Weil nämlich der Gott wollte, dass alles gut und nach Möglichkeit nichts schlecht sei, so nahm er also alles, was sichtbar war und keine Ruhe hielt, sondern in ungehöriger und ordnungsloser Bewegung war, und führte es aus der Unordnung zur Ordnung. [...]
    b) Durch Überlegung stellte er nun fest, dass von dem der Natur gemäß Sichtbaren kein ganzes Werk ohne Geist schöner sei als etwas Ganzes, das Geist hat, dass aber Geist unmöglich irgendwem ohne Seele zukommen kann. Wegen dieser Überlegung verfertigte er das All so, dass er Geist in Seele, Seele aber in Körper hineinlegte, damit er der Natur gemäß das schönste und beste Werk zustande brächte.
    c) So muss man also gemäß der wahrscheinlichen Rede sagen, dass diese Welt als beseeltes, geistbegabtes Lebewesen und in Wahrheit durch göttliche Vorsehung entstanden ist.
  • Platon: Timaios (Timaeus) 34b-35a

    Zentral für die Herstellung der Welt ist zunächst die Schaffung der Weltseele, die, wie jede Seele, an der Grenze von göttlicher und körperlicher Welt steht (Antike Philosophie I)<br /> In der Mitte von Platons Weltbild steht die Seele (Judentum und Islam)
    Timaios: Eine Seele setzte er also in die Mitte der Welt, dehnte sie durch alles hindurch aus und deckte von außen den Körper über sie. [...] Er gestaltete die ihrer Entstehung und Vorzüglichkeit nach dem Körper gegenüber frühere und ehrwürdigere Seele als Gebieterin und künftige Beherrscherin des ihr unterworfenen Körpers aus folgenden Bestandteilen und auf folgende Weise: Zwischen dem unteilbaren und immer sich gleich verhaltenden Sein und dem teilbaren, im Bereich der Körper werdenden, mischte er aus beiden in der Mitte eine Form des Seins, zwischen der Natur des Identischen und der des Verschiedenen.
  • Platon: Timaios (Timaeus) 37c-e

    Innerhalb des Alls schafft der Schöpfer die Zeit als bewegliches Abbild der Ewigkeit
    [1] Als der zeugende Vater aber erkannte, dass das All ein bewegtes und lebendes Standbild der ewigen Götter geworden ist, freute er sich und überlegte erfreut, es noch dem Urbild noch ähnlicher zu gestalten. [...]
    [2] Die Natur des Lebewesens war nun eine ewige, und dies dem Gezeugten vollständig anzuhaften, war nicht möglich. Er überlegte, ein in Bewegung befindliches Abbild der Ewigkeit zu machen. Als er dann den Himmel ordnete, machte er, während die Ewigkeit in einem blieb, ein der Zahl gemäß voranschreitendes ewiges Abbild, welches er nun „Zeit“ nannte.
    [3] Denn da es Tage und Nächte und Monate und Jahre nicht gab, bevor der Himmel entstand, bewerkstelligte er zusammen mit dessen Zusammenstellung ihre Entstehung. All dies sind Teile der Zeit, und das „war“, das „wird sein“ entstandene Formen der Zeit, welche wir nicht zu Recht unaufmerksam auf das ewige Sein übertragen.
  • Platon: Timaios (Timaeus) 39e-40a

    Platon schildert die Entstehung der Sterne und der Lebewesen
    Dies Übrige des Alls erarbeitete er nun, indem er es nach dem Typos des Urbildes gestaltete. Als also der Geist die Ideen betrachtete, die dem, was ein Lebewesen ausmacht, innewohnen, wie beschaffen und wie viele sie sind, überlegte er, dass auch dieses All so beschaffene und so viele enthalten müsse. Es sind nun viererlei, eine das himmlische Geschlecht der Götter, eine andere das Geflügelte und in der Luft Reisende, eine dritte die Form im Wasser, eine mit Füßen versehene irdische die vierte. Von dem Göttlichen verfertigte er den Großteil der Idee aus Feuer, damit es möglichst hell zu sehen und möglichst schön sei, wobei er es, indem er es mit dem All verglich, wohlgerundet machte.
  • Platon: Timaios (Timaeus) 48e-49a; 49d-e

    Die Körperwelt kann nicht ohne Materie als Grundlage erschaffen werden
    a) Jetzt aber haben wir eine dritte Gattung zu erläutern. Denn zwei waren für das vorher Gesagte ausreichend, ein als Form des Urbildes Angenommenes [...] und eine Nachahmung des Urbildes als zweites [...]. Ein drittes haben wir aber damals nicht unterschieden, da wir glaubten, die beiden wären ausreichend.
    b) Jetzt aber scheint uns das Argument zu zwingen daranzugehen, eine schwierige und undeutliche Form mit Worten zu verdeutlichen: [...] eine Aufnahmestelle so wie eine Amme für jedes Werden zu sein. [...]
    c) Immer wenn wir sehen, dass etwas zu einem anderen Zeitpunkt anders wird, so wie das Feuer, dann können wir nicht dieses, sondern das so Beschaffene jeweils als „Feuer“ bezeichnen, und auch nicht dieses als „Wasser“, sondern stets nur das so Beschaffene. Auch als etwas anderes [...], wovon wir glauben, wir könnten es beim Zeigen verdeutlichen, indem wir den Ausdruck „das da“ oder „dieses“ verwenden, können wir es niemals bezeichnen. Denn, ohne zu bleiben, flieht es vor „das da“, „dieses“, „diesem“ und jedem Ausdruck, welcher es feststehend als etwas Seiendes anzeigt.
  • Platon: Timaios (Timaeus) 414a-e; 42b

    Für die Erschaffung des Gesamtmenschen werden auch die niederen Götter herangezogen, die den menschlichen Körper verfertigen
    a) Weil also alle Götter, die offensichtlich herumwandern, sowie die, die erscheinen, sofern sie wollen, entstanden waren, sprach der, der dieses All erschaffen hatte, zu ihnen Folgendes: "Götter der Götter, deren Hersteller und Vater ihrer Werke ich bin, welche durch mich unauflöslich geworden sind, solange ich es will. [...] Wendet euch gemäß der Natur der Herstellung der Lebewesen zu, indem ihr meine Kraft im Hinblick auf Eure Entstehung nachahmt. Und insoweit es ihnen zukommt, den Unsterblichen zu entsprechen, werde ich [...] ein göttlich zu nennendes Leitvermögen [...] geben, im Übrigen verfertigt ihr Lebewesen, indem ihr diesem Unsterblichen etwas Sterbliches hinzuwebt [...]."
    b) Dies sagte er, und wiederum ergriff er den ersten Mischkrug, indem er die Seele des Alls durch Rühren mischte, und mischte das vom Früheren Übrige in gewissem Sinne auf dieselbe Weise, aber nicht mehr ganz in derselben Weise unvermischt, sondern als Sekundäres und Tertiäres. Der Zusammensteller des Alls teilte nun ebenso viele Seelen ab, wie es Sterne gibt [...] und sprach zu ihnen schicksalhafte Gesetze: [...] Es sei nötig [...], dass sie verstreut in die jeder zukommenden zeitlichen Werkzeuge das Gottgleicheste der Lebewesen hervorbrächten. [...] Und der, der die ihm zukommende Zeit gut gelebt habe, werde, indem er wieder zu der Behausung des ihm zustehenden Sternes reise, sein glückseliges und gewohntes Leben haben.
  • Platon: Die Gesetze (Platon) (Nomoi) I 629e/30a. 30c-e

    Platon (ca. 428/27-348/47 v. Chr.) über die Tugend als Ziel der Gesetzgebung
    Der Athener: ,Du, Tyrtaios, lobst offensichtlich vor allem diejenigen, die sich in einem fremden und auswärtigen Krieg auszeichnen‘. [...] Wir aber behaupten, obwohl dies gute Männer sind, dass doch diejenigen noch besser sind, und zwar um vieles, die sich in dem größten Krieg als die besten hervortun. [...] Denn treu und anständig wird er in innerstaatlichen Auseinandersetzungen nicht sein ohne die gesamte Tugend [...] Mehr als jeder andere blickt gerade der hiesige, von Zeus unterwiesene Gesetzgeber, und überhaupt jeder, der ein bisschen etwas taugt, auf nichts anderes als in erster Linie auf die größte Tugend, wenn er die Gesetze gibt. [...] So wie es dem Wahren und Gerechten entspricht, wenn wir gemäß den guten Sitten reden, ordnete er die Gesetze nicht mit Blick auf einen Teil der Tugend an – und auch noch den schlechtesten –, sondern auf die gesamte Tugend.
  • Platon: Die Gesetze (Platon) (Nomoi) I 631bd

    Platon über die einzelnen Güter der Gesetzgebung
    Der Athener: Die Güter aber sind doppelter Art, die einen menschlich, die anderen göttlich; von den göttlichen aber sind die anderen abhängig, und wenn ein Staat auch die größeren bei sich aufnimmt, so erwirbt er auch die geringeren; wo nicht, büßt er beide ein. [...] Was aber als erstes das leitende der göttlichen Güter ist, ist die Klugheit; das zweite ist die mit Vernunft verbundene besonnene Haltung; aus diesen, wenn sie mit Tapferkeit gemischt sind, ergibt sich als drittes die Gerechtigkeit, als viertes die Tapferkeit. Alle diese sind den übrigen [Gütern] von Natur aus übergeordnet, und daher muss sie auch der Gesetzgeber dementsprechend anordnen. Hierauf muss er den Bürgern einschärfen, dass auch die anderen ihnen gegebenen Verordnungen auf diese Güter hinzielen.
  • Platon: Die Gesetze (Platon) (Nomoi) I 634de

    Wenn die Gesetze einmal stehen, gibt es nur sehr begrenzte Möglichkeiten, etwas an ihnen zu ändern (Antike Philosophie I)<br /> Platon über die Möglichkeiten der Kritik an Gesetzen (Gesetzt und Gewissen)
    Wenn eure Gesetze auch maßvoll beschaffen sind, dann ist es gewiss eines der schönsten Gesetze, dass kein junger Mensch untersuchen soll, was an den Gesetzen richtig ist oder nicht, sondern dass mit einer Stimme und aus einem Munde alle einhellig erklären sollen, alles sei richtig angeordnet, da es Götter angeordnet hätten, und wenn jemand etwas anderes sagt, dürfe man es auf keinen Fall zulassen, ihn anzuhören. Wenn aber ein alter Mann etwas an euren Einrichtungen bemerkt, so soll er solche Argumente vor einem Amtsträger oder einem Altersgenossen äußern, ohne Gegenwart eines jungen Menschen.
  • Aristoteles: Kategorien (Categoriae) 5, 2a 11-16

    Aristoteles unterscheidet in den Kategorien eine erste und eine zweite Substanz
    ,Substanz‘ im eigentlichsten Sinne und in erster Linie und am meisten wird die genannt, wie weder von etwas Zugrundeliegendem ausgesagt wird noch in etwas Zugrundeliegendem ist, wie der einzelne Mensch oder das einzelne Pferd. Zweite Substanzen werden die genannt, in denen, wie in Arten, die in erster Linie genannten Substanzen vorhanden sind, diese und die Gattungen dieser Arten.
  • Aristoteles: Hermeneutik 16a 3-8

    Aristoteles über das Verhältnis gesprochener und geschriebener Worte zu Gedanken und Gegenständen
    Das in der Sprache Befindliche ist jeweils ein Symbol der Eindrücke in der Seele, und das Geschriebene eines des Gesprochenen. Und so wie die Buchstaben nicht bei allen dieselben sind, so sind auch die Sprachen nicht dieselben. Wovon als vom Ersten diese Zeichen sind, dies ist allerdings bei allen dasselbe als Eindrücke der Seele, und wovon diese wieder Ähnlichkeiten sind, das sind bereits Gegenstände.
  • Aristoteles: Hermeneutik 9, 19a 23-25. 29-36

    Ein Problem für alternative Handlungsmöglichkeiten ergibt sich aus der Frage, ob Sätze über Zukünftiges (futura contingentia) wahr sein können
    [1] Freilich ist für das, was ist, wenn es ist, notwendig, dass es ist, und für das, was nicht ist, notwendig, dass es nicht ist. Aber es ist weder für alles, was ist, notwendig, dass es ist, noch ist es für alles, was nicht ist, notwendig, dass es nicht ist. […]
    [2] Ich meine damit, dass es beispielsweise zwar notwendig ist, ,dass morgen eine Seeschlacht entweder stattfinden oder nicht stattfinden wird‘, dass es aber nicht notwendig ist, ,dass morgen eine Seeschlacht stattfindet‘, und auch nicht notwendig, ,dass morgen keine Seeschlacht stattfindet‘. […].
    [3] Mit der Wahrheit der Sätze verhält es sich folglich in derselben Weise wie mit der der Dinge. Deswegen ist klarerweise bei allem, was sich so verhält – unabhängig davon, was tatsächlich eingetroffen ist – auch das Gegenteilige möglich (und für die Bestreitung davon muss dasselbe gelten).
    [4] Dies ist nun bei denjenigen Dingen der Fall, die nicht immer da sind oder nicht immer nicht da sind.
  • Aristoteles: Zweite Analytik (Analytica posteriora) I 2, 71b 9-12. 17-23

    Aristoteles definiert das Wissen im eigentlichen Sinn, das zugleich dem wissenschaftlichen Wissen entspricht
    Wir meinen dann, dass wir etwas schlechthin – und nicht auf die sophistische Weise akzidentell – wissen, wenn wir glauben, dass die Ursache, derentwegen der Gegenstand ist, seine Ursache ist und dass sich dies nicht anders verhalten kann. […] Weiterhin sagen wir, dass wir, dass wir etwas durch Beweis kennen. Beweis nenne ich nun einen Wissen vermittelnden Syllogismus. ,Wissen vermittelnd‘ nenne ich den, durch den wir, indem wir ihn haben, etwas wissen. Wenn das wissen nun so ist, wie wir angenommen haben, dann muss auch das beweisgemäße Wissen sich aus Wahrem, Erstem, Unvermitteltem und Bekannterem herleiten, das zudem die Ursachen für die Konklusion bildet. Denn so werden auch die Prinzipien spezifisch für das Bewiesene sein.
  • Aristoteles: Zweite Analytik (Analytica posteriora) II 19, 100a 3-9

    Aristoteles erklärt die Entstehung von Wissen
    Aus der Sinneswahrnehmung entsteht Erinnerung [...], aus der häufig erfolgten Erinnerung an dasselbe Erfahrung. [...] Aus der Erfahung oder aus jedem ruhenden Allgemeinen in der Seele [...] entsteht der Anfang der Technik und des Wissens.
  • Aristoteles: Physik (Aristoteles) (Physica) II 1, 192b 8-19. 33-193a 1

    Aristoteles definiert den Begriff „Natur“
    Von dem Seienden ist das von Natur aus, das andere aus anderen Ursachen, und zwar von Natur aus die Tiere und ihre Teile, die Pflanzen und die einfachen Körper, wie z.B. Erde, Feuer, Wasser und Luft [...], all dies aber scheint verschieden vom nicht von Natur aus Bestehenden zu sein. Denn jedes von diesem besitzt in sich ein Prinzip der Bewegung und Ruhe, das eine in Bezug auf den Ort, das andere in Bezug auf Wachstum und Verminderung, wieder anderes in Bezug auf Veränderung. Und jede beliebige andere Gattung, insofern jede Kategorie auf sie zutrifft und insoweit sie hergestellt ist, besitzt keinen innewohnenden Drang zur Veränderung. [...] Und all dieses [Natürliche] ist Substanz. Denn es ist etwas Zugrundeliegendes, und die Natur ist immer in etwas Zugrundeliegendem. „Naturgemäß“ ist aber dieses und alles, was diesem an sich zukommt, wie z.B. dem Feuer, sich nach oben zu bewegen; denn dieses ist keine Natur, noch hat es Natur, sondern es ist von Natur aus bzw. naturgemäß.
  • Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) VIII 1, 1042a 25-31

    Die Arten von Substanzen nach Aristoteles
    Jetzt aber wollen wir auf die allgemein anerkannten Substanzen eingehen. Dies sind die sinnlich wahrnehmbaren; die sinnlich wahrnehmbaren Substanzen enthalten aber alle Materie. Substanz aber ist in einem Sinne die Materie (unter Materie verstehe ich dasjenige, was, ohne in Wirklichkeit ein Einzelnes zu sein, in Möglichkeit ein Einzelnes ist), in anderem Sinne der Begriff und die Gestalt, was als ein Einzelnes dem Begriff nach abtrennbar ist. Ein Drittes ist das aus diesen Bestehende, bei dem allein Entstehen und Vergehen stattfindet und welches schlechthin selbständig abtrennbar ist. Von den Substanzen dem Begriff nach sind dies nämlich einige, andere aber nicht.
  • Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) I 3, 983a 26-32

    Die vier Ursachen nach Aristoteles
    Von Ursachen spricht man aber auf vier verschiedene Weisen, von denen wir eine Ursache die Substanz nennen, d.h. das Was-es-war-Sein [...], eine andere die Materie und das Zugrundeliegende, die dritte das, woher der Anfang der Bewegung stammt, die vierte aber die diesem entgegengesetzte Ursache, das Weswegen und das Gute - denn dieses ist das Ziel aller Entstehung und Bewegung.
  • Aristoteles: Physik (Aristoteles) (Physica) II 4, 196b 21-24. 33-197a 2; 197b 13-17

    Aristoteles’ Erklärung des Zufalls
    Um etwas willen geschieht sowohl, was aus einem Denken heraus, als auch, was von Natur aus geschieht. Wenn derartiges aber akzidentell geschieht, dann sagen wir, es geschehe aus Zufall. [...] Zum Beispiel würde jemand wohl, da er den Mitgliedsbeitrag eintreibt, kommen, um Geld zu empfangen, wenn er Bescheid wüsste; nun kam er nicht deswegen, sondern es passierte ihm, dass er kam und dies tat, um ihn einzutreiben – aber nicht etwa, weil er in aller Regel oder notwendigerweise an diesen Platz ginge. Vielmehr gehört das Ziel, das Eintreiben, nicht zu den Ursachen in ihm, aber sehr wohl zu den Dingen, die man wählt und die aus dem Denken stammen. [...] ,Von selbst‘ geschieht etwas auch den anderen Lebewesen und vielen unbeseelten Dingen. Zum Beispiel sagen wir, das kam von selbst, weil es gerettet wurde, wobei es zwar kam, aber nicht kam, um gerettet zu werden; und der dreibeinige Hocker fiel von selbst um; er stand nämlich, damit man sich setzen kann, aber fiel nicht um, damit man sich setzen kann.
  • Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) XII 2, 1069, 9-13

    Die Arten der Veränderung bzw. Bewegung nach Aristoteles
    Es gibt vier Arten von Veränderung, nämlich 1. des Was, 2. der Qualität, 3. der Quantität und 4. des Ortes, und 1. ist das absolute Entstehen und Vergehen die des Was, 3. Vermehrung und Verminderung die der Quantität, 2. Umwandlung die der Affektion, und 4. Ortsbewegung die des Ortes.
  • Aristoteles: Physik (Aristoteles) (Physica) IV 7, 214b 28-31

    Aristoteles erklärt, warum es unter den Voraussetzungen seines Bewegungs-begriffs keine Leere geben kann
    Denen, die sagen, es müsse notwendigerweise etwas Leeres geben, wenn es Bewegung geben soll, stößt eher das Gegenteil zu, wenn jemand darauf achtet, dass auch nicht eines bewegt werden kann, wenn es Leeres gibt.
  • Aristoteles: Physik (Aristoteles) (Physica) IV 11, 219a 3-14. b 1f

    Aristoteles begründet die Verbindung von Bewegung bzw. Veränderung und Zeit
    Zugleich mit Bewegung nehmen wir auch Zeit wahr. Denn auch wenn es dunkel ist und wir nichts vermittelt durch den Körper erfahren, aber eine Bewegung in der Seele da ist, scheint sofort zugleich auch eine gewisse Zeit abgelaufen zu sein. Aber auch so oft eine Zeit abgelaufen zu sein scheint, scheint zugleich eine bestimmte Bewegung abgelaufen zu sein. Folglich ist die Zeit entweder eine Bewegung oder etwas an einer Bewegung. [...] Weil aber das Bewegte von etwas zu etwas bewegt wird und jede Ausdehnung kontinuierlich ist, folgt die Bewegung der Ausdehnung. Denn weil die Ausdehnung kontinuierlich ist, ist auch die Bewegung kontinuierlich, wegen der Bewegung aber die Zeit. Denn so viel Bewegung es gibt, so viel Zeit scheint auch immer abgelaufen zu sein. [...] Denn dies ist die Zeit: die Zahl der Bewegung gemäß dem früher und später.
  • Aristoteles: Physik (Aristoteles) (Physica) IV 14, 223a 21-29

    Aristoteles über die Verbindung von Zeit und Seele
    Ob es wohl Zeit gäbe, wenn es keine Seele gäbe, könnte jemand fragen. Denn wenn es unmöglich sei, dass es das Zählende gebe, sei es auch unmöglich, dass es etwas Zählbares gebe, so dass es klar sei, dass es auch keine Zahl gebe. Denn die Zahl sei entweder dass Zählende oder das Gezählte. Wenn aber nichts anderes von Natur aus zählen kann als die Seele oder der Geist der Seele, dann ist es unmöglich, dass es Zeit gibt, wenn es die Seele nicht gibt – aber doch das, was die Zeit als seiendes ist, so wie wenn es Bewegung ohne Seele geben kann. Das Früher oder Später liegt in der Bewegung; Zeit aber ist dies, insofern es zählbar ist.
  • Aristoteles: Physik (Aristoteles) (Physica) III 5, 206a 9-23

    Aristoteles erklärt, in welchem Sinne es etwas Unendliches „in Möglichkeit“ geben kann
    Es ist klar, dass dann, wenn es schlechthin kein Unendliches gibt, viel Unmögliches folgt. Denn es wird für die Zeit keinen Anfang und kein Ende geben, und die Ausdehnungen werden sich nicht in Ausdehnungen aufteilen lassen, und die Zahl wird nicht unendlich sein. [...] Es wird nun gesagt, dass manches in Möglichkeit ist, manches in Wirklichkeit, und das Unendliche gibt es sowohl durch Hinzufügung als auch durch Aufteilung. Dass aber eine Ausdehnung nicht in Wirklichkeit unendlich ist, wurde gesagt, in Möglichkeit aber ist sie es. Denn es ist nicht schwierig, die unteilbaren Linien aufzuheben; übrig bleibt also, dass es das Unendliche in Möglichkeit gibt. Man darf aber das ,in Möglichkeit‘ nicht als seiend verstehen, dass, so wie zum Beispiel dies hier, wenn es möglich ist, dass es eine Statue ist, auch eine Statue sein wird, auch das Unendliche in Wirklichkeit sein wird; aber weil ,seiend‘ auf vielerlei Weise ausgesagt wird, ist, wie der Tag und der Wettkampf ist, indem immer wieder ein anderer entsteht, auch das Unendliche so.
  • Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) IX 6, 1048a 30-35. 1048b 6-9

    Eine weitere grundlegende Begriffsunterscheidung der aristotelischen Ontologie ist die zwischen Möglichkeit (δύναμις) und Wirklichkeit (ἐνέργεια)
    Die ,Wirklichkeit‘ ist das Vorhanden-Sein des Gegenstandes, auf andere Weise, als wir ihn ,in Möglichkeit‘ nennen. ,In Möglichkeit‘ nennen wir z.B. einen [noch nicht herausgeschnitzten] Hermes in einem Stück Holz, eine Hälfte in einem Ganzen (sie kann nämlich herausgenommen werden) sowie einen Wissenden, auch wenn er das Gewusste nicht betrachtet, solange er es betrachten kann. Das Gegenstück ist ,in Wirklichkeit‘. [...] ,In Wirklichkeit‘ wird aber nicht alles auf gleiche Weise genannt, sondern durch eine Analogie [...]. Einiges nämlich verhält sich zur Möglichkeit wie eine Bewegung, anderes aber wie eine Substanz zu einem Stoff.
  • Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) IX 6, 1048a 30-35. 1048b 6-9; IX 5, 1047b 35-1048a 16

    Aristoteles erläutert den Unterschied von verschiedenen Typen von Verursachung
    a) Nun ist aber das Mögliche in bestimmtes Mögliches, und irgendwann und irgendwie und was sonst noch in der Definition vorhanden sein muss; ferner kann einiges auf die Weise der Vernunft bewegen, und die Möglichkeiten/Kräfte davon sind mit Vernunft verbunden, einiges aber ist nicht vernunftbegabt, und seine Möglichkeiten/Kräfte sind nicht vernunftbegabt – wobei die ersten notwendigerweise in etwas Beseeltem ist, das zweiten aber in beidem [Beseeltem und Unbeseeltem].
    b) Daher ist es notwendig, dass die [auf die erste Weise] beschaffenen Möglichkeiten/Kräfte, sobald man ihnen, so wie sie es können, das Wirkende und das Erleidende nahebringt, wirken und erleiden, bei den anderen ist dies aber nicht notwendig.
    c) Denn die einen sind alle jeweils eine für eines wirksam, die anderen aber für Gegenteiliges, so dass eine zugleich Gegenteiliges bewirken sollte. Dies ist aber unmöglich“.
    d) Es ist also nötig, dass etwas anderes das Entscheidende ist. Dies aber nenne ich Streben oder Vorzugswahl. Nach welchem von beiden etwas nämlich in erster Linie strebt, dies wird es bewirken, sobald es, wie es es kann, vorhanden ist und man es dem Erleidenden annähert.
    e) Folglich muss jedes gemäß der Vernunft Mögliche/Kräftige, wenn es erstrebt, wozu es die Möglichkeit/Kraft hat und so wie sie sie hat, dies bewirken. Es hat sie aber, wenn das Erleidende gegenwärtig ist und sich so und so verhält. Wenn aber nicht, wird es es nicht können.
  • Aristoteles: Physik (Aristoteles) (Physica) VIII 1, 251a 12f. 19-21. 26

    Aristoteles begründet, warum die Welt ewig sein muss
    Wenn nun die Zeit die Zahl der Bewegung oder eine Art Bewegung ist, dann muss, wenn die Zeit immer ist, auch die Bewegung ewig sein. [...] Wenn es also unmöglich ist, Zeit ohne den Augenblick entweder zu sein oder zu denken, der Augenblick aber eine Art Mitte, da er gleichzeitig einen Anfang und ein Ende umfasst [...], dann muss auf beiden Seiten von ihm immer Zeit sein.
  • Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) II 2, 994a 1-12. 19

    Aristoteles begründet, dass die Endlichkeit der Wesensursachen auf eine äußerste Ursache verweist
    a) Dass es aber ein bestimmtes Prinzip gibt und die Ursachen für das Seiende nicht unendlich sind, weder der Ausdehnung noch der Form nach ist klar.
    b) Denn weder von Seiten der Materie ist es möglich, dass das "das eine aus dem anderen" ins Unendliche weitergeht (zum Beispiel, dass das Fleisch aus Erde, die Erde aus Luft, die Luft aus Feuer [entsteht] und dies nicht anhält), noch von Seiten dessen, woher das Prinzip der Bewegung kommt (zum Beispiel, dass Mensch durch die Luft bewegt wird, diese durch die Sonne, die Sonne durch den Streit, und dass es hierfür kein Ende gibt). Ebenso kann auch das worum-willen nicht ins Unendliche weitergehen. [...] Und ebenso ist es mit dem Was-es-war-sein.
    c) Denn bei etwas Mittlerem, welches ein Letztes und ein Früheres hat, ist es notwendig, dass das Frühere die Ursache für das nach ihm ist. [...] Wenn es also nichts Erstes gibt, gibt es überhaupt keine Ursache.
  • Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) II 2, 994b 12-17. 20-28

    Aristoteles zeigt die Absurdität der Annahme unendlich vieler Ursachen im Hinblick auf die verschiedenen Ursachenarten auf
    a) Diejenigen, die ein Unendliches konstruieren, heben, ohne es zu bemerken, die Natur des Guten auf. Jedoch würde sich niemand anschicken, zu handeln, ohne ein Ziel erreichen zu wollen. Auch wäre dann kein Geist in dem Seienden. Denn der, der Geist hat, handelt immer wegen etwas, dies ist aber ein Ende. Denn das Ziel ist ein Ende. [...]
    b) Ferner heben die, die dies behaupten, das Wissen auf, denn es ist nicht möglich zu wissen, bevor man zum Unteilbaren kommt. Auch das Erkennen gibt es nicht, denn wie kann das auf diese Weise Unendliche denken? Denn es ist nicht ähnlich wie bei der Linie, die in ihren Teilungen nicht zu einem Ende kommt. Ein Denken aber gibt es nicht, wenn man nicht anhält (deswegen wird der, der Unendliches durchgeht, auch die Teilungen nicht zählen), sondern es ist nötig, die ganze Linie mit etwas nicht Bewegtem zu denken.
    c) Und etwas Unendliches kann es nicht geben. Denn sonst ist das Unendlich-Sein nicht unendlich.
  • Aristoteles: Physik (Aristoteles) (Physica) VIII 6, 258b 10-12. 259a 13-20

    Aus der Unendlichkeit von Bewegung schließt Aristoteles auf einen ewigen ersten Beweger
    Weil die Bewegung notwendigerweise immer ist und nicht aufhört, muss es etwas Ewiges geben, was zuerst bewegt, sei es eines, sei es mehrere. Und das erste Bewegende ist unbewegt. [...] Es ist aber klar, dass das erste Bewegende etwas Einzelnes und Ewiges sei muss. Denn es wurde gezeigt, dass die Bewegung immer sein muss. Wenn sie aber immer ist, dann muss sie kontinuierlich. [...] Wenn sie nun aber kontinuierlich ist, ist sie eine. Eine ist aber die, die zwischen einem Bewegenden und einem Bewegten erfolgt. Wenn nämlich eines jeweils ein anderes bewegt, dann ist die gesamte Bewegung nicht kontinuierlich, sondern eine Abfolge.
  • Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) XII 6, 1071b 13-21

    In Metaphysik Lambda (XII) postuliert Aristoteles einen stets aktiven unbewegten ersten Beweger
    Also würde es nichts nützen, wenn wir ewige Substanzen annehmen wollten, wie die Anhänger der Ideenlehre, sofern nicht in ihnen ein Prinzip erhalten wäre, welches das Vermögen der Veränderung hat. Aber auch dieses würde nicht genügen, noch eine andere Substanz neben den Ideen; denn sofern die Substanz nicht in Wirklichkeit sich befände, so würde keine Bewegung stattfinden. Ja, wenn sie selbst in Wirklichkeit sich befände, ihre Substanz aber Möglichkeit wäre. Denn auch dann würde keine ewige Bewegung stattfinden; denn was in Möglichkeit ist, kann auch nicht sein. Also muss ein solches Prinzip vorausgesetzt werden, dessen Substanz Wirklichkeit ist. Ferner müssen diese Substanzen ohne Stoff sein; denn sie müssen ewig sein.
  • Aristoteles: Metaphysik (Metaphysica) XII 7, 1072a 26-30. b 3-5

    Dieses Prinzip wird von Aristoteles so konkretisiert, dass es ein dauerndes Sich-Selbst-Denken ist, zu dem alles andere hinstrebt
    Auf solche Weise bewegt das Objekt des Strebens und das des Denkens [...]. Das Ursprüngliche dieser beiden Tätigkeiten ist dasselbe. Denn das Begehrte ist das anscheinend Schöne, das primär Gewollte ist das, was schön ist. Wir erstreben aber etwas, weil etwas [gut] scheint, anstatt dass etwas deswegen [gut] scheint, weil wir es erstreben. Denn das Prinzip ist das Denken. Der Intellekt wird aber vom Gedachten bewegt. [...] Er bewegt aber als etwas Geliebtes, durch das Bewegte bewegt er das andere.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) II 1, 412b 4-9

    Aristoteles’ umrisshafte Definition von Seele
    Wenn man nun etwas Gemeinsames von jeder Seele sagen soll, so ist sie wohl die erste Vollendung eines natürlichen, organischen Körpers. Daher darf man auch nicht fragen, ob die Seele und der Körper eines sind, ebenso wenig wie bei dem Wachs und der Figur oder überhaupt der Materie von irgendetwas und dem, dessen Materie sie ist. Denn da das Eine und das Sein in mehrfacher Bedeutung ausgesagt werden, ist die Vollendung beides in entscheidender Bedeutung.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) III 4, 429a 15-21

    Allgemeine Merkmale des Geistes (νοῦς/nūs) nach Aristoteles
    Also muss der Geist leidensunfähig sein und doch aufnahmefähig für die Form und in Möglichkeit derartig sein, aber nicht dieses, und ähnlich wie sich das Wahrnehmungsvermögen zum Wahrnehmbaren verhält, muss sich der Geist zum Denkbaren verhalten. Folglich muss er, weil er alles denkt, unvermischt sein, wie Anaxagoras sagt, damit er herrscht, d.h. damit er erkennt; denn das andersartige, das mit erscheint, hindert und versperrt.
  • Aristoteles: Über die Seele (De anima) III 5, 430a 10-15

    Aristoteles unterscheidet zwischen einem aktiven und einem passiven Element innerhalb des Geistes
    Da es aber wie in der ganzen Natur einerseits Materie gibt für jede Gattung – sie ist das, was alles Dazugehörige in Möglichkeit ist – andererseits das Ursächliche und Machende – dadurch, dass es alles macht, so wie sich das Handwerk zu seiner Materie verhält – müssen auch in der Seele diese Unterschiede vorliegen, und es gibt einen Geist von der Art, dass er alles wird, und einen von derjenigen, dass er alles macht [...] wie das Licht.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) I 1, 1094b 14-25

    Aristoteles über die Methode der ethischen Wissenschaft
    a) Die werthaften und die gerechten Dinge, die die politische [Wissenschaft] untersucht, weichen große Unterschiede und Schwankungen auf, so dass sie anscheinend nur durch Gesetz und nicht von Natur aus so sind. Solche Schwankungen finden wir auch bei den Gütern, da vielen Menschen aus ihnen Schaden entsteht. Denn schon einige sind durch ihren Reichtum zugrunde gegangen, andere durch Tapferkeit.
    b) Angemessen ist also, dass wir, wenn wir über solches und ausgehend von solchem reden, grob und im Umriss die Wahrheit aufzeigen; und wenn wir über etwas reden, was in aller Regel der Fall ist, und ausgehend von solchem, dass wir auch ebensolche Schlussfolgerungen ziehen.
    c) Auf dieselbe Weise muss daher auch jedes Gesagte aufgenommen werden. Denn es ist charakteristisch für einen Gebildeten, dass er in jeder Gattung der Dinge nur so viel Genauigkeit sucht, wie es die Natur des Gegenstands zulässt. Von einem Mathematiker wahrscheinliche Reden zu akzeptieren scheint ganz ähnlich [verfehlt], wie von einem Rhetoriker Beweise zu verlangen.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) I 1, 1095a 2-8

    Aristoteles über das Erfahrungsproblem: Warum junge Menschen schlecht Ethik lernen können
    Aus diesem Grund ist jemand Junges kein geeigneter Hörer der politischen [Wissenschaft]; denn sie sind unerfahren in den Handlungen, aus denen das Leben besteht; die Argumente gehen von diesen aus und betreffen diese; ferner wird jemand, der den Affekten folgt, sie vergeblich und ohne Nutzen hören, denn das Ziel ist ja nicht ein Erkennen, sondern ein Handeln. Dabei ist es gleichgültig, ob sie jung an Jahren oder unreif an Charakter sind; ihre Unzulänglichkeit liegt nicht an der Zeit, sondern daran, dass sie dem Affekt nach leben und jedes Einzelne verfolgen.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) I 1, 1094a 1-5

    Aristoteles steckt durch die Begriffe „gut“ und „Ziel“ den Rahmen der Ethik ab
    Jede Fertigkeit und jedes wissenschaftliche Vorgehen, ebenso jedes Handeln und jede Vorzugswahl scheint nach etwas Gutem zu streben. Deshalb hat man ,gut‘ zu Recht erklärt als ,das, wonach alles strebt‘. Doch zeigt sich ein Unterschied zwischen den Zielen. Einige sind Tätigkeiten, andere über sie hinaus bestimmte Produkte.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) I 5, 1097a 30-b 5

    Aristoteles‘ Definition des Glücks bzw. der Eudaimonie als Ziel allen Handelns:
    Wir nennen [...] vollendet schlechthin dasjenige, was immer als solches und nie um etwas anderen willen gewählt wird. Von dieser Art scheint aber am meisten das Glück zu sein. Dieses nämlich wählen wir immer um seiner selbst willen und niemals um etwas anderen willen, während wir Ehre, Lust, Geist und jede Tugend zwar um ihrer selbst willen wählen [...], aber auch des Glücks wegen, weil wir annehmen, dass wir durch sie glücklich sein werden.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) I 6, 1098a 12-18

    Aristoteles sogenanntes Ergon-Argument bildet die Grundlage seiner Ethik
    Wir nehmen aber als Funktion [ergon] des Menschen [...] eine Tätigkeit der Seele und mit Vernunft verbundene Handlungen an, als diejenige des guten Mannes aber dasselbe in guter und schöner Weise, wobei ein jedes entsprechend der eigentümlichen Tugend gut verrichtet wird. Wenn es sich so verhält, dann erweist sich das Gut für den Menschen als eine Tätigkeit der Seele gemäß der Tugend, und wenn es mehrere Tugenden gibt, gemäß der besten und vollendetsten.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) X 8, 1178a 9-14

    Aristoteles über die Tugenden als zweitbeste Möglichkeit, glücklich zu werden
    An zweiter Stelle [ist] dasjenige Leben [glückselig], das der sonstigen Tugend gemäß ist. Denn die dieser entsprechenden Tätigkeiten sind menschlicher Art. Gerechtes, Tapferes und die übrigen den Tugenden entsprechenden [Handlungen] üben wir gegeneinander im geschäftlichen Verkehr, in Notlagen, in Handlungen aller Art und bei den Emotionen dadurch aus, dass wir allem so viel zumessen, wie ihm gebührt. Dies sind aber alles offenbar menschliche Dinge.
  • Aristoteles: Politik (politica) I 2, 1252b 27-1253a 4

    Aristoteles definiert den Staat als natürlich und den Mensch als politisches Lebewesen
    Endlich ist die aus mehreren Dörfern bestehende vollendete Gemeinschaft bereits ein Staat, der sozusagen das Maß der gesamten Autarkie besitzt, zunächst um des Lebens willen entstanden, dann aber um des guten Leben willens bestehend. Darum besteht der Gesamtstaat von Natur aus. [...] Die Autarkie ist aber das Ziel und das Beste. Daraus ergibt sich, dass der Staat zu den natürlichen Dingen gehört und dass der Mensch von Natur aus ein politisches Lebewesen ist; derjenige, der [...] außerhalb des Staates lebt, ist entweder schlecht oder stärker als ein Mensch.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) III 1, 1109b 30-35

    Aristoteles über die Verbindung von Freiwilligkeit und Tugendhaftigkeit
    Da nun die Tugend mit Affekten und Handlungen zu tun hat und in Bezug auf das Freiwillige Lob und Tadel erfolgt, in Bezug auf das Unfreiwillige hingegen Verzeihung, manchmal sogar Mitleid, ist es wohl für diejenigen, die die Tugend untersuchen, nötig, das Freiwillige und das Unfreiwillige abzugrenzen, für die Gesetzgeber aber im Hinblick auf Ehren und Bestrafungen notwendig.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) III 1, 1109b 35-10a 14

    Aristoteles über Zwang und Unwissenheit als Gründe für die Unfreiwilligkeit von Handlungen
    Nun scheint unfreiwillig das zu sein, was durch Zwang oder Unwissenheit geschieht. Erzwungen ist etwas, dessen Ursprung außerhalb liegt, das heißt so beschaffen ist, dass der Handelnde oder Erleidende gar nichts beiträgt, etwa wenn der Wind jemanden irgendwohin trägt oder Menschen, die die Herrschaft haben.
    Alles aber, was aus Furcht vor größeren Übeln oder wegen etwas Werthaften getan wird – zum Beispiel, wenn ein Tyrann befiehlt, etwas Schändliches zu tun, und die Herrschaft über Eltern und Kinder hat, und diese würden bei Ausführung der Handlung gerettet, bei Nicht-Ausführung würden sie sterben –, ist es zweifelhaft, ob dies unfreiwillig oder freiwillig ist. Ähnliches gilt, wenn während Stürmen etwas über Bord geworfen wird. Denn ohne Grund wirft niemand freiwillig etwas weg; zur eigenen Rettung und der von Gefährten aber alle mit Verstand Begabten. Derartige Handlungen sind also gemischt, gleichen aber mehr freiwilligen. Denn dann, wenn sie ausgeführt werden, sind sie Gegenstand einer Wahl, das Ziel der Handlung entspricht aber dem Moment.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) III 2, 1110b 18-22. 31-1111a 1; 3, 1111a 22-24

    Aristoteles präzisiert die Bedingungen von Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit
    Alles auf Unwissenheit Beruhende ist zwar nicht freiwillig, aber unfreiwillig ist, was mit Unlust und Bedauern verbunden ist. Denn wer etwas aus Unwissenheit ausgeführt hat, ohne Unbehagen über die Handlung zu empfinden, hat das, was er nicht wusste, nicht freiwillig getan, aber auch nicht unfreiwillig, wenn es ihm nicht Leid tut. [...]
    Denn die Unwissenheit in der Wahl ist keine Ursache dafür, dass die Handlung unfreiwillig, sondern dass sie schlecht ist, auch nicht die des Allgemeinen (denn wegen dieser wird man ja getadelt), sondern die des Einzelnen, in dessen Kontext und auf was bezüglich sie ausgeführt wird. Denn für diese gibt es Mitleid und Verzeihen. [...]
    Da unfreiwillig das ist, was durch Zwang und aufgrund von Unwissenheit geschieht, ist folglich dasjenige freiwillig, dessen Ursprung im Handelnden liegt, der das Einzelne kennt, in dessen Kontext die Handlung ausgeführt wird.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) VI 2, 1139a 29-36. b 3-5

    Aristoteles erklärt die Elemente der Vorzugswahl (prohairesis/προαίρεσις) bzw. Entscheidung
    Beim Praktischen und dem Denken Unterliegenden stimmt die Wahrheit mit dem richtigen Streben überin. Der Ursprung für eine Handlung – woher die Bewegung stammt, nicht worum willen sie erfolgt – ist eine Wahl, und für die Wahl sind es ein Streben und ein Nachdenken, das auf etwas abzielt. Deswegen gibt es eine Wahl weder ohne Geist und Denken noch ohne ethischen Habitus. [...] Denn das Gut-Handeln ist ein Ziel, das Streben richtet sich aber hierauf. Deswegen ist die Wahl entweder strebendes Denken oder denkendes Streben, und ein so gearteter Ursprung ist der Mensch.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) II 6, 1106b 36-1107a 2

    Aristoteles’ Definition der ethischen Tugend
    Die [ethische] Tugend ist also eine die Vorzugswahl bestimmte Disposition, die in der Mitte in Bezug auf uns liegt, die bestimmt ist durch die Vernunft, d.h. so, wie der Kluge sie wohl bestimmt.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) VI 5, 1140b 1-6. 21-25. 1142b 26f

    Die Unterscheidung der Klugheit von den anderen dianoetischen Tugenden
    Folglich wird die Klugheit weder ein Wissen noch eine Fertigkeit sein: kein Wissen, weil jeder Gegenstand des Handelns sich verändern kann, keine Fertigkeit, weil Handeln und Machen zu unterschiedlichen Gattungen gehören. Es bleibt also, dass sie eine mit Vernunft verbundene wahre, handlungsleitende Disposition im Hinblick auf das Gute und Schlechte für den Menschen ist. [...] Nun gibt es allerdings für eine Fertigkeit eine Tugend, für die Klugheit hingegen nicht. Bei einer Fertigkeit würde man auch den, der freiwillig einen Fehler macht, vorziehen, bei der Klugheit weniger, wie auch bei den Tugenden. Es ist also deutlich, dass sie eine Tugend ist und keine Fertigkeit. [...] Nun bezieht sich der Geist auf die Definition, für die es kein Argument gibt, die [Klugheit] aber auf das Äußerste, von dem es kein Wissen gibt, sondern Wahrnehmung.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) VI 13, 1144a 29-36

    Aristoteles über die Verbindung der Klugheit mit den ethischen Tugenden
    Dieses Auge der Seele [nämlich die Klugheit] erhält seine Disposition nicht ohne Tugend [...]. Denn die Schlussfolgerungen über die Gegenstände des Handelns, haben ein Prinzip, weil ,das Ziel, d.h. das Beste, so und so ist‘, was immer es [im Einzelfall] sein mag [...]. Dieses Prinzip erscheint aber nur dem guten Menschen. Denn die Schlechtigkeit verdreht das Urteil und bewirkt, dass man sich über die praktischen Prinzipien täuscht.
  • Aristoteles: Nikomachische Ethik (Ethica Nicomachea) III 6, 1113a 21f. 29-b 1

    Aristoteles über den tüchtigen bzw. tugendhaften Menschen als Maß des Guten
    Einem jedem scheint etwas anderes gut und, wenn es sich so ergibt, etwas Gegenteiliges. [...] Nun beurteilt der Tüchtige jedes Einzelne richtig, und in jedem Einzelnen erfasst er das Wahre. Denn entsprechend jeder Disposition ist etwas Spezielles schön und freudvoll, und vielleicht zeichnet sich der Tüchtige dadurch am meisten aus, dass er in jedem Einzelnen das Wahre sieht, da er gewissermaßen Richtschnur und Maß dafür ist. Bei den meisten Leuten scheint aber eine Täuschung durch die Freude zu erfolgen. Denn sie ist nicht gut und scheint doch so.
  • Aristoteles: Politik (politica) III 6, 1279a 17-21; 7, 1279a 32-39; b 4-9

    Aristoteles über gerechte und ungerechte Verfassungen
    [1] Soweit also die Staatsformen das Gemeinwohl anstreben, sind sie im Hinblick auf das schlechthin Gerechte richtig; diejenigen aber, die nur das Wohl der Regierenden anstreben, sind verfehlt und allesamt Abweichungen von den richtigen Staatsformen; denn sie sind despotisch, der Staat ist aber eine Gemeinschaft von Freien. [...]
    [2] Wir nennen nun gewöhnlich von den Alleinherrschaften die, die auf das Gemeinwohl schaut, das Königtum, diejenige, die von wenigen, aber mehr als einem regiert wird, Aristokratie [...] Wenn aber die Menge im Hinblick auf das Gemeinwohl Politik treibt, so wird dies mit dem gemeinsamen Namen aller Verfassungen, nämlich Politie, bezeichnet. [...]
    [3] Abweichungen von den genannten sind für das Königtum die Tyrannis, für die Aristokratie die Oligarchie und für die Politie die Demokratie. Denn die Tyrannis ist eine Alleinherrschaft zum Nutzen des Herrschers, die Oligarchie eine Herrschaft zum Nutzen der Reichen und die Demokratie eine solche zum Nutzen der Armen.
  • Aristoteles: Politik (politica) III 4, 1276b 27-34

    Aristoteles über den Unterschied des gerechten Bürgers
    So ist denn auch bei den Bürgern, obschon sie untereinander verschieden sind, die Erhaltung der Gemeinschaft ihre Funktion, diese Gemeinschaft aber ist die Staatsform. Deswegen muss die Tugend des Bürgers notwendigerweise an der Staatsverfassung orientiert sein. Wenn es aber mehrere Arten der Staatsform gibt, so kann offenbar die Tugend des tüchtigen Bürgers nicht eine einzige und nicht die vollkommene Tugend sein. Gut aber nennen wir einen Mann nach einer einzigen, der vollkommenen, Tugend. Es ist also klar, dass man ein tüchtiger Bürger sein kann, ohne die Tugend zu besitzen, durch die ein Mann tüchtig ist.