Eine Schlüsselszene für das lateinische Christentum Erzengel Gabriel: „Ein jedes Wort ist von Gott her nicht unmöglich.“ Maria sprach: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach Deinem Wort [...]. Selig, die geglaubt hat.“
Die hebräische Bibel stellt Abraham als den ersten Gläubigen dar
Abraham vertraute (Hebr.)/glaubte (Lat./Griech.) dem Herrn, und er rechnete es ihm als Gerechtigkeit an (Hebr.)/es wurde ihm (von ihm: im Griech. möglich) zur Gerechtigkeit hin gedacht/gerechnet (Griech./Lat.).
Eine programmatische Aussage Jesu zum Glauben
Denn, amen, ich sage Euch, wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, dann werdet ihr diesem Berg sagen: Rücke von hier weg dorthin, und er wird wegrücken. Und nichts wird Euch unmöglich sein.
Besonders dezidiert wird die Bedeutung des Glaubens vom Apostel Paulus (gest. 63 n. Chr.) vertreten, mit großem Einfluss vor allem auf die lateinische Glaubenstradition
Jetzt ist aber unabhängig vom Gesetz die Gerechtigkeit Gottes [...] offenbar geworden, und zwar die Gerechtigkeit Gottes durch den Glauben an Jesus Christus für alle Glaubenden; es gibt ja keinen Unterschied. Denn alle haben gesündigt. [...] Dem, der arbeitet, wird der Lohn nicht aus Gnade angerechnet, sondern aus Schuldigkeit, dem aber, der nicht arbeitet, aber glaubt [...], wird sein Glaube als Gerechtigkeit angerechnet.
Der bedeutendste lateinische Kirchenvater Augustinus berichtet in seinen ,Bekenntnissen‘ seinen Lebensweg
[1] Groß bist Du Gott, und sehr zu loben. Groß ist Deine Kraft, und Deine Weisheit hat kein Ende. Und der Mensch will Dich loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung, und der Mensch, der seine Sterblichkeit herumträgt, der das Zeugnis seiner Sünde umherträgt und das Zeugnis, dass Du "den Hochmütigen widerstehst" (Brief des Jakobus 4, 6).
[2] Und doch will Dich der Mensch loben, irgendein Teil Deiner Schöpfung. Du regst an, dass es Freude bereitet, Dich zu loben, denn Du hast uns auf Dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir. [...]
[3] Aber wer ruft Dich an, der Dich nicht kennt? Denn wer nicht kennt, kann etwas anderes anstelle von etwas anrufen. Oder wirst Du eher angerufen, damit Du gekannt wirst? Wie wird man aber jemand anrufen, an den man nicht geglaubt hat? Oder wie glaubt man ohne Verkündiger? [...] Ich will Dich suchen, Gott, indem ich Dich anrufe, und Dich anrufen, indem ich an Dich glaube.
Anselm von Canterbury (1033-1109) über das Streben des Gläubigen
nach Verständnis:
Herr, ich begehre deine Wahrheit ein wenig zu verstehen, die mein Herz
glaubt und liebt. Denn ich strebe ja nicht zu verstehen, damit ich glaube,
sondern ich glaube, damit ich verstehe. Denn auch dies glaube ich: Wenn ich
nicht zuvor geglaubt habe, werde ich nicht verstehen.
Der Philosophie-kundige Arzt Galen hält das jüdische Schöpfungsverständnis aus der Perspektive der antiken Naturphilosophie für lächerlich
Das ist nämlich das, worin sich unsere Meinung, d.h. die Platons und die der anderen bei den Griechen, die die Untersuchungen über die Natur richtig angegangen sind, von der des Mose unterscheidet: Denn ihm genügt es, dass Gott die Materie ordnen will, und sofort ist sie geordnet. Er glaubt nämlich, dass Gott alles möglich ist, selbst wenn er will, dass die Asche ein Pferd oder ein Ochse wird. Wir aber erkennen, dass das nicht so ist, sondern sagen, es gebe Dinge, die natürlicherweise unmöglich sind und dass Gott diese gar nicht erst in Angriff nimmt, sondern dass er aus dem Möglichen auswählt, dass das Beste geschieht.
Der Apostel Paulus berichtet über die Zerrissenheit seines eigenen Wollens
Denn ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, das Gute nicht wohnt. Denn das Wollen des Schönen ist bei mir vorhanden, das Ausführen aber nicht. Denn nicht, was ich will, tue ich, das Gute, sondern was ich nicht will, das Schlechte, dies mache ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann führe nicht mehr ich dieses aus, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Ich finde also das Gesetz, da ich ja das Schöne tun will, weil bei mir das Schlechte vorhanden ist. Denn ich habe dem inneren Menschen nach Freude am Gesetz Gottes, aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meiner Vernunft widerstreitet und mich in dem Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist, gefangennimmt.
Richard von Sankt Viktor (gest. 1173) über das Streben des Gläubigen nach Verständnis
Denn einiges von dem, was uns zu glauben aufgetragen ist, scheint nicht nur über die Vernunft hinauszugehen, sondern auch gegen die menschliche Vernunft zu sein, wenn es nicht in einer tiefen und höchst feinen Untersuchung erörtert wird [...]. Zwar sollen wir durch den Glauben eintreten, aber keineswegs sofort am Eingang stehenbleiben, sondern immer weiter zum Inneren und Tieferen des Verständnisses eilen und mit aller Mühe und höchster Sorgfalt darauf achten, dass wir durch tägliches Wachstum zum Verständnis dessen gelangen können, was wir im Glauben festhalten.
Peter Abaelard (1079-1142) über den Glauben
Drei Dinge sind es, worin, wie ich meine, die Summe des menschlichen Heils besteht, nämlich Glaube, Liebe (caritas) und Sakramente. [...] „Glaube“ ist eine Einschätzung über „nicht erscheinende Dinge“ (Hebr 11, 1), das heißt über solche, die den körperlichen Sinnen nicht unterliegen [...].
Bernhard von Clairvaux’ (ca. 1090-1153) Kritik an Abaelards
Glaubensbegriff
Abaelard bezeichnet ganz am Beginn seiner „Theologie“ – oder eher „Dummheits-Logie“ (stultilogia) – den Glauben als eine Meinung. So kann es darin gewissermaßen jedem freistehen zu denken und zu sagen, was ihm beliebt [...]. Aber fern sei es, dass in unserem Glauben [...] irgendetwas aufgrund einer zweifelhaften Meinung auf unsicheren Füßen steht, dass sich nicht vielmehr jeder Glaubensinhalt auf sichere und feste Wahrheit stützt [...]. Diese Ansichten mögen bei den Akademikern [d.h. den skeptischen Philosophen] bleiben, deren Eigenheit es ist, an allem zu zweifeln und nichts zu wissen.
Peter Abaelard über das Verhältnis von Vernunft und Autorität
Nach dem Zeugnis des seligen Augustinus ist es bei allem angebracht, die Autorität der menschlichen Vernunft voranzustellen; insbesondere aber bei
dem, was sich auf Gott bezieht, stützen wir uns auf Autorität sicherer als auf menschliche Begabung.
Siger von Brabant (ca. 1240-1284) über das Projekt der Philosophie
Denn wir hier suchen hier nur die Intention der Philosophen und vor allem die des Aristoteles, auch wenn vielleicht ein Philosoph anders gedacht hat, als sich die Wahrheit und Weisheit verhält, [...] wenn wir philosophisch vorgehen.
Thomas von Aquin (ca. 1225-1274) über das Projekt der Philosophie
Das Studium der Philosophie dient nicht dazu, dass gewusst wird, was Menschen gedacht haben, sondern wie sich die Wahrheit der Dinge verhält.
Johannes Duns Scotus (1265-1308) über die Allmacht Gottes und ihre Implikationen
[1] Ich frage: Kann Gott kraft seiner Allmacht alles Mögliche umittelbar hervorbringen?
[2] Es sieht nicht danach aus. Dann [...] nämlich könnte Gott ein Subjekt ohne die ihm eigentümliche Eigenschaft hervorbringen; und somit könnte es ohne eigentümliche Eigenschaft existieren und gewusst werden. Infolgedessen gäbe es im Bereich des Seienden kein Wissen schlechthin. [...]
[3] Ich antworte und sage, dass sich zwar, wenn wir den Prinzipien der Philosophen folgen, nicht halten lässt, dass Gott auf Grund seiner Allmacht unmittelbar alles Mögliche hervorbringen kann [...]. Dennoch behaupte ich, dass es sich so verhält, und zwar gemäß dem Glauben, durch welchen wir mit den Philosophen über die Prinzipien unterschiedlicher Meinung sind und infolgedessen auch über die Schlussfolgerung [...].
[4] Wenn wir [...] von absoluten möglichen Seienden sprechen, behaupte ich, dass Gott jedwedes Absolute durch sich hervorbringen kann. [...] Notwendigerweise besitzt jedes Absolute, was real von anderem unterschieden ist, eine unterschiedene Seiendheit, die nicht von anderem wesentlich abhängt. Folglich kann es für sich sein und gemacht werden, ohne irgendeine Beziehung auf ein anderes. [...]
[5] Wer immer weiß, dass eine absolute Eigenschaft ihrem Subjekt zukommt, weiß das zwar sicher, aber nicht immer oder allgemein. Dann nämlich würde er etwas Falsches wissen, weil die Eigenschaft nicht immer unmittelbar ihrem Subjekt als ihrer Ursache zukommt, der sie ihr Entstehen verdankt. Er weiß aber nur, dass es sich meistens so verhält, denn meistens entsteht eine Eigenschaft aus den Prinzipien ihres Subjekts aber nicht immer.
Ibn Sīnā (Avicenna; 980-1037) berichtet, wie er philosophische Probleme angeht
Und aufgrund von denjenigen Fragen, über die ich unsicher war [...], suchte
ich wiederholt die Moschee auf, betete und flehte zum Schöpfer des Alls.
[...] Sooft mich der Schlaf überwältigte oder ich eine Schwäche verspürte,
wandte ich mich ab, um einen Becher Wein zu trinken, auf dass meine
Fähigkeit mir wiederkehrt.
Wenn ich bei einer Frage in Verlegenheit war [...], pflegte ich deswegen die Moschee aufzusuchen und zum Schöpfer des Alls zu beten und zu flehen. [...] Wenn mich der Schlaf übermannen wollte oder ich eine Schwäche verspürte, wandte ich mich einem Becher Wein zu, um wieder zu Kräften zu kommen.
Peter Abaelard (1079-1142) über seinen Weg zur Philosophie
[1] Da mein Vater mich, den Erstgeborenen, besonders ins Herz geschlossen hatte, achtete er sehr sorgfältig auf meine Erziehung. Je schneller und leichter ich im Studium der Schriften vorankam, desto größer wurde meine Begeisterung für sie. Diese Liebe ging so weit, dass ich auf den Glanz ritterlichen Ruhmes samt meinem Erbe und den Vorrechten der Erstgeburt zugunsten meiner Brüder verzichtete und vom Gefolge des Mars ganz Abschied nahm, um im Schoß der Minerva aufgezogen zu werden.
[2] Da ich die Bewaffnung mit dialektischen Argumenten allen Zeugnissen der Philosophie vorzog, vertauschte ich die anderen Waffen mit diesen und zog die Konflikte des Streitgesprächs allen allen Kriegstrophäen vor. Also wurde ich, indem ich disputierend durch verschiedene Provinzen zog – überall hin, wo ich von einer Blüte dieser Technik gehört hatte –, zu einem Nachahmer der Peripatetiker.
[3] Schließlich kam ich nach Paris, wo diese Disziplin schon länger einen großen Aufschwung genommen hatte, zu Wilhelm von Champeaux, meinem Lehrer, der damals in diesem Fach an Können und Ansehen herausragte. Ich blieb einige Zeit bei ihm und war ihm zunächst willkommen. Später wurde ich ihm außerordentlich lästig, da ich manche seiner Ansichten zu widerlegen versuchte, immer wieder argumentative Angriffe gegen ihn führte und manchmal im Streitgespräch überlegen erschien. [...]
[4] Hier nahm die Serie meiner Schicksalsschläge, die bis heute andauert ihren Anfang. Je mehr sich mein Ruhm ausbreitete, desto stärker loderte der Neid anderer.
Peter Abaelard über persönliche Ablenkungen und ihre Folgen
Unter dem Vorwand des Unterrichts gaben wir uns ganz der Liebe hin. Die wissenschaftliche Lektüre bot uns jene stillen Rückzugsmöglichkeiten, die sich die Liebe wünschte. Waren die Bücher aufgeschlagen, wurden mehr Worte über die Liebe als über den Lesestoff gewechselt, gab es mehr Küsse als Sätze, wanderten die Hände öfter zum Busen als zu den Büchern [...]. Der Onkel und seine Verwandten hörten davon [...]. Zutiefst entrüstet verschworen sie sich gegen mich. Eines Nachts [...] bestachen sie einen meiner Diener mit Geld und rächten sich an mir durch eine besonders grausame und schmachvolle Strafe, von der die Welt mit größtem Erstaunen hörte: Sie schnitten mir die Körperteile ab, mit denen ich begangen hatte, was sie beklagten. [...] Am meisten marterten mich [...] meine Studenten mit ihrem unerträglichen Geklage und Gejammere. Ich litt viel mehr unter ihrem Mitleid als am Leid aufgrund der Wunde, und ich fühlte mehr das Erröten als den Schlag. [...] Mir ging durch den Kopf, wie groß der Ruhm war, in dem ich eben noch gestanden hatte; wie schnell er durch diesen blamablen Fall verringert, ja ganz ausgelöscht worden war; wie gerecht das Urteil Gottes, das mich an jenem Teil des Körpers bestrafen ließ, mit dem ich Schuld auf mich geladen hatte.
Auch Heloissa fällt es schwer, mit dem Geschehenen fertig zu werden:
Wie kann etwas Buße für Sünden genannt werden, wenn der Verstand, obwohl die Züchtigung des Körpers sehr groß ist, weiterhin den Willen zur Sünde behält und in den alten Begierden entbrennt? Denn es ist leicht, dass sich jemand beim Bekennen von Sünden selbst anklagt oder auch in äußerer Buße den Körper züchtigt; äußerst schwierig ist es aber, den Geist von den Begierden der größten Lüste loszureißen.
Begleitbrief König Manfred von Siziliens (reg. 1250-1266) zu einigen übersetzten Büchern
[1] Den allgemeinen Lehrern des Pariser Studiums, die auf den Quadrigen der philosophischen Disziplin sitzen, Manfred, von Gottes Gnaden etc.
[2] Obwohl uns die mühevolle Masse der Geschäfte häufig hinwegzieht, lassen wir nicht zu, dass irgendein bisschen Zeit, das wir der Beschäftigung mit den vertrauten Dingen entzogen haben, müßig abläuft. Vielmehr investieren wir es voll und ganz gerne in die unbezahlte Einübung des Lesens [...], zum Erwerb der Wissenschaft, ohne die das Leben der Menschen nicht geleitet wird. [...]
[3] Als wir also einige Bücher [...] aufschlugen [...], kamen uns einige unter die Augen, die [...] entweder ein Fehler dieses Werkes oder eines Menschen noch nicht in die Kenntnis der lateinischsprachigen Welt geführt hatte. Da wir nun wollten, dass die altehrwürdige Autorität solcher Werke bei nicht durch eine mündliche Übersetzung, ohne einen Vorteil für viele, wieder jung wird, haben wir sogleich angeordnet, dass sie durch ausgewählte und beider Sprachen mächtige Männer, unter treuer Bewahrung der Jungfräulichkeit der Worte, übersetzt werden. [...]
[4] Hier nun haben wir mit Überlegung vorgesehen, vor allem Euch, als den hochberühmten Zöglingen der Philosophie [...], einige Bücher vorzulegen, die das neugierige Studium und die treue Sprache der Übersetzter schon herrichten konnten.
Albertus Magnus über sein Projekt, die aristotelische Wissenschaft den Lateinern bekannt zu machen
[1] Unsere Intention in der Naturwissenschaft ist es, nach unserer Fähigkeit den Brüdern aus unserem Orden Genüge zu tun, die von uns schon seit vielen Jahren fordern, dass wir für sie ein Buch über die Physik zusammenstellen, in dem sie die Naturwissenschaft vollständig besitzen und durch das sie die Bücher des Aristoteles kompetent verstehen können. [...]
[2] Unsere Vorgehensweise in diesem Werk wird aber darin bestehen, Aristoteles’ Anordnung und Meinung zu folgen und zu ihrer Erklärung und ihrem Beweis das zu sagen, was uns notwendig scheint, aber so, dass sein Text nicht erwähnt wird. Und außerdem werden wir Exkurse anstellen, die auftretende Probleme benennen und ergänzen. [...]
[3] Weil es aber drei wesentliche Teile der realen Philosophie gibt – ich meine derjenigen, die nicht durch unsere Tätigkeit in unseren Werken in uns verursacht wird, so wie die Moralwissenschaft – [...], nämlich Naturphilosophie oder Physik, Metaphysik und Mathematik, ist es unsere Absicht, alle drei Teile, den Lateinern verständlich zu machen.
Der ,Averroist’ Alberich von Reims (um 1250) über die Vorzüge der Philosophie
[1] Drei sind es, wie Empedokles sagt, in erster Linie unter der gesamten Vielfalt der Dinge, die das großartigste Geschenk der Großzügigkeit Gottes, nämlich die Philosophie, erleuchten und erheben: die Verachtung des beweglichen Überflusses, das Streben nach der göttlichen Seligkeit und die Erleuchtung des Geistes. [...]
[2] Denn das Sein des Menschen in seiner höchsten Vollkommenheit oder Vollständigkeit besteht darin, dass er durch die theoretischen Wissenschaften vollkommen ist, wie Averroes im Prolog [zum Kommentar] zum Achten Buch von [Aristoteles‘] Physik sagt. [...]
[3] Nun werden wir [hierhin] durch ein natürliches Streben gezogen, wie die Göttin der Wissenschaften an ihrem Anfang darlegt: "Alle Menschen" usw. [streben von Natur aus zu wissen] (Metaphysik I 1, 980a 21). Hierzu sagt der Kommentator: "Wir haben ein natürliches Verlangen, die Wahrheit zu wissen." Zu Recht, denn, wie Aristoteles im Zehnten Buch der Nikomachischen Ethik sagt, ist der Mensch nur Intellekt (X 7, 1178a 2-7).
[4] Dieser Intellekt wird aber, nach dem Zeugnis des genannten Averroes [...] durch die Philosophie vervollständigt. [...] Ihm stimmt Seneca zu, wenn er sagt: "Ohne Bildung" zu leben, "ist Tod und ein Begräbnis des lebenden Menschen" (Seneca, Brief 82, 3).
Ein besorgter Dominikaner wendet sich an Albertus Magnus
Dem in Christus ehrwürdigen Vater und Herrn Albert [...] Bruder Aegidius aus dem Dominikanerorden. [...] Die Artikel, welche die Pariser Magister, die man als bedeutend in der Philosophie ansieht, in ihren Vorlesungen vortragen, [...] befand ich für wert, dass ihr diese, bereits in vielen Versammlungen bekämpft, durch den Hauch Eures Mundes auslöscht.
I. Dass der Intellekt aller Menschen der Zahl nach ein und derselbe ist.
II. Dass die Aussage ,der Mensch denkt’ falsch oder uneigentlich ist.
III. Dass der menschliche Wille aus Notwendigkeit will und wählt.
IV. Dass alles, was auf Erden geschieht, der Notwendigkeit der Himmelskörper unterliegt.
V. Dass die Welt ewig ist. [...]
VII. Dass die Seele, welche die Form des Menschen ist, insofern er Mensch ist, mit dem Untergang des Körpers untergeht. [...]
X. Dass Gott einzelnes nicht erkennt.
Thomas von Aquin über die Philosophie als Magd der Theologie
Diese Wissenschaft [die Theologie] kann etwas von den philosophischen
Disziplinen übernehmen, aber nicht, weil sie sie notwendig bräuchte. [...]
Denn sie übernimmt ihre Prinzipien nicht von anderen Wissenschaften,
sondern unmittelbar von Gott durch Offenbarung. Und daher übernimmt sie
nichts von anderen Wissenschaften so wie von höheren, sondern sie
gebraucht sie wie niedrigere und Mägde.
Nikolaus von Kues widmet dem Kardinal Giuliano Cesarini seine Schrift De docta ignorantia/Über die gelehrte Unwissenheit
[1] Mit Recht magst Du, der schon oft seine hohen Geistesgaben unter Beweis gestellt hat, Dich wundern, warum ich beim allzu kühnen Versuch, meine laienhaften Stümpereien darzulegen, gerade Dein Urteil anrufe
[2] – als ob Du, den [...] hochwichtige öffentliche Aufgaben voll in Anspruch nehmen, überhaupt dafür Zeit erübrigen könntest,
[3] und als ob Du, trotz Deiner herausragenden Kenntnis aller lateinischen Schriftsteller, die bis jetzt berühmt wurden, und jetzt auch der griechischen, von der Neuheit des Titels vielleicht zu meinem allzu ungeschickten Gedanken angezogen werden könntest. Schließlich ist Dir doch schon längst bekannt, was für ein Talent ich habe.
Johannes von Salisbury (ca. 1115-1180) über ein Diktum des Bernhard von Chartres (gest. nach 1124)
[1] Bernhard von Chartres sagte, wir seien so wie Zwerge, die auf den
Schultern von Riesen sitzen, so dass wir mehr als sie und Entfernteres sehen
können, allerdings nicht wegen der Schärfe des eigenen Sehvermögens oder
der Größe des Körpers, sondern weil wir durch die Größe der Riesen in die
Höhe geführt und erhoben werden. [...]
[2] Denn wer ist mit dem zufrieden, was etwa Aristoteles in der Hermeneutik
sagt? Wer fügt nicht etwas anderswoher Genommenes hinzu? Denn alle
stellen die Summe der gesamten Kunst zusammen und überliefern sie in
leichten Worten. Sie bekleiden nämlich die Absichten der Autoren gleichwie
in täglichem Kult, der auf gewisse Weise festlicher ist, wenn er durch die
Würde des Alters klarer herausgestellt wird.
Sergios von Rēšʿaynā (gest. 536) rühmt am Anfang seiner Philosophie-Einführung Aristoteles als den Ordner aller Wissenschaften
[1] Der Ursprung und Beginn aller Bildung war Aristoteles. [...] Denn bis zu der Zeit, zu der die Natur diesen Mann zum Existieren und Wohnen unter den Menschen gebracht hatte, waren alle Teile der Philosophie und der Bildung wie einfache Heilmittel aufgeteilt und verstreut, konfus und unwissenschaftlich bei sämtlichen Schriftstellern.
[2] Dieser allein aber sammelte, nach Art eines weisen Arztes, sämtliche Schriften, die zerstreut waren, und setzte sie dem Handwerk und dem Intellekt gemäß zusammen und fertigte sie zu dem vollkommenen Heilmittel seiner Lehre, das die mühevollen und schweren Krankheiten des Nicht-Wissens ausreißt und entfernt aus den Seelen derer, die sich sorgfältig mit seinen Schriften befassen.
[3] Denn ebenso wie diejenigen, die eine Statue herstellen, jedes einzelne Teil der Gestalt für sich herstellen, und so eines nach dem anderen zusammensetzen, wie das Handwerk erfordert, und eine vollkommene Statue machen, so kombinierte auch dieser, ordnete und passte ein, und setzte jedes einzelne Teil der Philosophie in die Ordnung, welche ihre Natur erfordert, und erstellte aus ihnen durch alle seine Schriften eine vollkommene und wunderbare Gestalt des Wissens von allem Seienden.
Avicenna über sein Studium von Aristotelesʼ <i>Metaphysik</i>
Ich las das Buch der Metaphysik, aber ich verstand nicht, was darin steht, und mir blieb das Ziel seines Verfassers dunkel, bis dass ich die Lektüre vierzigmal wiederholt hatte und es auswendig wusste, wobei ich es trotzdem nicht verstand und nicht das darin liegende Ziel. [...] Eines Tages zur Zeit des Nachmittagsgebets befand ich mich bei den Buchhändlern, als ein Makler herantrat und in seiner Hand einen Band hielt, den er zum Verkauf ausrief. Er reichte ihn mir, aber ich gab ihn angewidert zurück, weil ich meinte, dass diese Wissenschaft zu nichts nutze sei. Er aber sagte mir: „Kaufe ihn doch, sein Besitzer braucht das Geld. Er ist billig, und ich verkaufe ihn Dir für drei Dirham“. So kaufte ich ihn, und siehe da, es war das Buch von Abū Naṣr al-Fārābī Über die Ziele des Buches der Metaphysik. Ich kehrte nach Hause zurück und ging eilends an die Lektüre. Da gingen mir mit einem Male die Ziele dieses Buches auf, denn ich kannte es ja bereits auswendig. Ich freute mich darüber und gab am folgenden Tag ein reichliches Almosen für die Armen aus Dankbarkeit gegen Gott, der erhaben ist.
Peter Abaelard (1079-1142) über Probleme und Prinzipien der Texthermeneutik
Bei einer so großen Fülle von Worten erscheinen einige Aussagen, auch von Heiligen, nicht nur voneinander verschieden, sondern sogar einander entgegengesetzt. Trotzdem dürfen wir nicht leichtfertig über die richten, durch die selbst die Welt gerichtet werden soll, wie geschrieben steht: "Die Heiligen werden über die Völker richten" (Weisheit 3, 8). [...] Wir sollen daher unsere eigene Schwachheit bedenken und eher glauben, dass uns die Gnade beim Verstehen fehle, als dass sie ihnen beim Schreiben gefehlt habe. [...] Was ist also daran erstaunlich, wenn uns in Abwesenheit des Heiligen Geistes, durch den dies geschrieben und diktiert wurde [...], uns das Verständnis hiervon fehlt?
Peter Abaelard über Prinzipien der Hermeneutik
[1] Zu diesem zu gelangen, hindert uns (a) besonders eine ungewöhnliche Ausdrucksweise und meistens die verschiedene Bedeutung derselben Worte, wenn dasselbe Wort mal in dieser, mal in jener Bedeutung verwendet wird. [...] (b) Auch dies gilt es sorgfältig zu beachten, dass wir nicht, wenn uns einiges von den Worten der Heiligen entgegengehalten wird, als stehe es im Widerspruch oder sei von der Wahrheit entfernt, durch die Aufschrift eines falschen Titels oder durch eine Verderbnis des Textes selbst getäuscht werden. [...] (c) Wenn daher gelegentlich in den Schriften der Heiligen etwas von der Wahrheit Abweichendes aufscheint, ist es respektvoll, der Bescheidenheit entsprechend sowie eine Pflicht der Liebe, die "alles glaubt, alles hofft, alles aushält" (1 Korinther 13, 7) und nicht leichthin bei denen, die sie umschließt, Fehler vermutet, dass wir annehmen, diese Schriftstelle sei entweder nicht treu interpretiert worden oder verdorben, oder dass wir bekennen, dass wir sie nicht verstehen. [...]
[2] Der sorgfältige Leser wird sich bemühen, auf alle genannten Weisen die Streitpunkte in den Schriften der Heiligen aufzulösen. Aber wenn der Streitpunkt einmal so deutlich ist, dass er durch kein Vernunftargument gelöst werden kann, dann müssen die Autoritäten verglichen werden, und die, die stärker bezeugt und besser bestätigt ist, ist in erster Linie festzuhalten.
Thomas von Aquin (1225-1274) bemüht sich, verschiedene Begriffe in Einklang zu bringen
Das Substantiv ,essentia‘ wird von den Philosophen in den Begriff ,Washeit‘ abgewandelt. Und eben dies ist, was der Philosoph häufig das ,Was-es-war-Sein‘ nennt, das heißt das, wodurch etwas hat, ein ,was‘ zu sein. Dies heißt aber auch ,Form‘, sofern mit ,Form‘ die ,certitudo‘ eines Dings gemeint ist. Mit noch einem anderen Substantiv heißt es ,Natur‘ [...], sofern nämlich ,Natur‘ all jenes heißt, ,was vom Verstand auf irgendeine Weise erfasst werden kann‘ (Zitat aus Boethius). [...] Das Substantiv ,Natur‘ scheint in dieser Anwendung eher die essentia einer Sache zu bezeichnen, sofern es eine Hinordnung zum eigentlichen Wirken der Sache hat [...]. Das Substantiv ,Washeit‘ hingegen bezieht sich auf das, was durch die Definition bezeichnet wird. Von ,essentia‘ spricht man jedoch, sofern durch es und in ihm das Seiende Sein hat.
Thomas von Aquin behauptet in der Auseinandersetzung mit den sogenannten Averroisten, diese nähmen eine doppelte Wahrheit an
[1] Es ist jedoch größerer Verwunderung oder sogar Entrüstung würdig, dass jemand, der sich als Christ bezeichnet, [...] sagt: „Dies ist das Argument, durch welches die Katholiken ihre Ansicht besitzen“, womit der die Lehre des Glaubens eine Ansicht nennt. [...]
[2] Noch schwerwiegender aber ist, was er später sagt: „durch die Vernunft folgere ich notwendig, dass der Intellekt der Zahl nach einer ist; das Gegenteil halte ich aber standhaft durch den Glauben fest“. Also meint er, dass sich der Glaube auf einiges richte, dessen Gegenteil notwendig erschlossen werden kann. Weil aber nur etwas notwendig Wahres notwendig erschlossen werden kann, dessen Gegenteil etwas unmögliches Falsches ist, folgt aus seinem Wort, dass sich der Glaube auf etwas unmögliches Falsches richtet, was auch Gott nicht herstellen kann – dies können die Ohren der Gläubigen nicht ertragen.
Moses Maimonides (ca. 1135/38-1204), der vielleicht einflussreichste Denker der jüdischen Tradition, benennt eine grundsätzliche Gemeinsamkeit von Christentum, Judentum und Islam:
Es besteht kein Zweifel, dass es gemeinsame Dinge für uns drei gibt, womit ich die Juden, die Christen und den Islam meine – nämlich die Lehre von dem Neuentstandensein der Welt. Da diese wahr ist, sind auch die Wunder und ähnliche Dinge wahr.
Thomas von Aquin erkennt ca. 1272 die Abhängigkeiten der ihm auf Lateinisch vorliegenden Quellen
Im Arabischen findet sich aber das Buch, das bei den Lateinern ,Über die Ursachen‘ heißt. Es steht fest, dass es aus dem Arabischen übersetzt wurde und auf Griechisch überhaupt nicht vorhanden ist. Daher scheint es von einem der arabischen Philosophen aus dem genannten Buch des Proklos exzerpiert zu sein.
Thomas von Aquin interpretiert den Liber de causis mit der lateinischen Proklos-Übersetzung des Wilhelm von Moerbeke:
Bis jetzt hat der Autor dieses Buches die drei Stufen der höheren Seienden unterschieden, von denen eines […] Gott ist, das andere […] der Intellekt ist, das dritte aber die Seele ist. Jetzt beabsichtigt er zu zeigen, wie das dritte einerseits an dem teilhat, was zum ersten gehört, und andererseits an dem, was zum zweiten gehört, und sagt: "Jede edle Seele hat drei Tätigkeiten; denn zu ihren Tätigkeiten gehört die seelische und die geistige Tätigkeit sowie die göttliche Tätigkeit". Welche aber ,edle Seele‘ genannt wird, kann aus den Worten des Proklos verstanden werden, der diese Proposition als 201. Mit den folgenden Worten anführt: "Alles göttlichen Seelen haben dreierlei Tätigkeiten: diese nun als Seelen, weitere aber als solche, die den göttlichen Intellekt aufnehmen, diese aber als aus den Göttern heraus genommene". Daraus ist offensichtlich, dass hier die göttliche Seele ,edle Seele‘ genannt wird.
Boethius über die Notwendigkeit der Logik für die Philosophie
Es sind zweierlei Dinge, auf welche die Kraft der schlussfolgernden Seele alle Mühe aufwendet, nämlich das eine, dass sie mit einer sicheren untersuchenden Vernunft die Naturen der Dinge erkennt, das zweite aber, dass sie zunächst zur Wissenschaft gelangt. [...] Nicht alles nämlich, was der sprachliche Diskurs erfunden hat, das steht auch von Natur aus fest. Daher mussten sich die täuschen, die die Natur der Dinge ohne Beachtung der Wissenschaft über die Erörterung untersuchten. Denn wenn jemand nicht zuerst zur Wissenschaft darüber gelangt, welche Schlussfolgerung einen wahren Pfad der Erörterung einhält, und erkennt, welche vertrauenswürdig und welche verdächtig sein kann, kann die unverfälschte Wahrheit der Dinge durch Schlussfolgern nicht gefunden werden.
Peter Abaelard (1079-1142) über den Aufbau der Logik
Beim Schreiben einer Logik ist die folgende Anordnung notwendig: Weil Argumentationen aus Aussagesätzen bestehen und Aussagesätze aus Aussagen, muss der, der auf vollkommene Weise eine Logik schreibt, zuerst über einfache Aussagen, dann über Aussagesätze schreiben und zuletzt bei den Argumentationen das Ziel der Logik vollenden.
Die Aufteilung der Logik nach dem Aristoteles-Kommentator Elias aus Alexandrien (nach 550)
[1] Die Logik wird auch selbst in drei aufgeteilt, in dasjenige vor dem Beweis bzw. der Methode und in den Beweis selbst und dasjenige, was den Beweis vortäuscht.
[2] Und dasjenige vor der Methode und dem Beweis sind die Kategorien, die Hermeneutik und die Analytica priora, die Methode des Beweises selbst lehren die Analytica posteriora, dasjenige, was den Beweis selbst vortäuscht, sind die Topik, die Rhetorischen Techniken, die Sophistischen Widerlegungen und die Poetik.
[3] Denn es gibt fünf Arten von Syllogismen: den beweisenden, den dialektischen, den rhetorischen, den sophistischen und den poetischen.
Wilhelm von Ockham über den Aufbau der Logik
Zur Verfolgung der Geschlossenheit der logischen Untersuchung ist von den Termini als vom Frühesten der Anfang zu nehmen, dann wird die Untersuchung von den Aussagesätzen, schließlich die von den Syllogismen und anderen Gattungen der Argumentation folgen.
Peter Abaelard über die Kernpunkte des Universalienstreits
Als ich damals zu Wilhelm von Champeaux zurückgekehrt war [...], zwang ich ihn im Rahmen anderer Streitgespräche mit vollkommen überzeugenden Argumenten, seine alte Auffassung über die Universalien zu ändern, ja sogar zu widerlegen. Diese These zur Allgemeinheit der Universalien besagte, dass eine im Wesen identische Sache ganz und zugleich allen ihr zugehörigen Einzeldingen innewohne, zwischen denen es keinen Unterschied im Wesen, sondern nur eine Variation in der Menge der Akzidenzien gebe. Er hat diese seine These dahingehend korrigiert, dass er nicht mehr von einer ,im Wesen‘ identischen Sache, sondern von einer ,indifferent‘ identischen Sache sprach. Und weil bei den Dialektikern das Universalienproblem [...] immer herausragend ist [...], ist deswegen, weil er diese These korrigierte, seine Vorlesung auf eine solche Missachtung gestoßen, dass er Schwierigkeiten hatte, zu den übrigen Gebieten der Logik zugelassen zu werden.
Porphyrios von Tyros enthält sich des Urteils über die Universalien
Jetzt aber werde ich in Bezug auf die Gattungen und Arten darauf verzichten zu sagen, ob sie vorhanden sind, sei es dass sie nur in bloßen geistigen Auffassungen gegeben sind, sei es dass sie auch vorhandene Körper sind oder unkörperlich, ferner ob sie abtrennbar oder in den sinnlich wahrnehmbaren Dingen oder in Bezug auf sie vorhanden sind. Dieses Thema ist sehr tiefgehend und bedarf einer anderen, größeren Untersuchung.
Wilhelm von Ockham über das Verhältnis sprachlicher und nichtsprachlicher Zeichen
Ich sage aber nicht deswegen, gesprochene Worte seien Zeichen [...], weil die gesprochenen Worte die Konzepte der Seele in erster Linie und eigentlich repräsentieren würden, sondern weil die gesprochenen Worte eingesetzt werden, um genau dasselbe zu bezeichnen, was durch die Konzepte des Geistes bezeichnet wird. Das geschieht so, dass ein Konzept etwas von Natur aus in erster Linie bezeichnet und in zweiter Linie das gesprochene Wort eben dasselbe bezeichnet.
Walter Burley vertritt gegen Ockham die allgemeine Bedeutung bestimmter Substantive
Das Substantiv ,Mensch‘ bezeichnet etwas in erster Linie, und es bezeichnet in erster Linie weder Sokrates noch Platon. Denn jemand, der dieses gesprochene Wort hören würde und wüsste, was durch dieses gesprochene Wort bezeichnet werden soll, der würde bestimmt und unterschieden Sokrates erkennen – was falsch ist. Also bezeichnet dieses Substantiv ,Mensch‘ nicht in erster Linie etwas Einzelnes; also bezeichnet es etwas Allgemeines; und dieses Allgemeine ist eine Art.
Wilhelm von Ockham präsentiert seine Fictum-Theorie über Allgemeinbegriffe:
Eine Erkenntnis, die etwas Einzelnes erfasst, bildet etwas ähnliches Einzelnes nach. Dieses so nachgebildete Einzelne existiert nirgendwo real, nicht mehr als eine Burg, die ein Künstler nachbildet, real existiert, bevor er sie herstellt. Und aus diesem Grund kann es in einem Aussagesatz für ein Ding supponieren.
Wilhelm von Ockham präsentiert seine Qualitas-mentis-Theorie der Universalien
Jedes Universale [...] ist nichts anderes als ein Erkenntnisakt. Die Erkenntnis, durch die ich einen Menschen erkenne, ist ein natürliches Zeichen für Menschen, ebenso natürlich, wie das Seufzen ein Zeichen für Schwäche, Trauer oder Schmerz ist. Und es ist ein solches Zeichen, das in mentalen Aussagesätzen für Menschen stehen kann.
Raimundus Lullus wird aufgefordert, das beste Buch der Welt zu schreiben
Auf einmal – er selbst wusste nicht wie, aber Gott weiß es – ergriff Lullus’ Herz eine Art heftige und erfüllende Anweisung des Verstandes, er werde später gegen die Irrtümer der Ungläubigen ein Buch verfassen, das beste der Welt.
Peter Abaelard über die Frage, warum man eigentlich nicht über Gott sprechen kann
Dass jede Rede von Menschen weitestgehend an die Naturen der Geschöpfe angepasst ist, wird auch besonders anhand desjenigen Teils eines Satzes deutlich, ohne den nicht gesagt werden kann, dass eine Vollständigkeit des Satzes besteht, aus dem nämlich, der ,Verb‘ genannt wird. Denn dieser Ausdruck dient zur Bezeichnung der Zeit, die von der Welt aus begonnen hat. Wenn wir daher die Bedeutung dieses Teils beachten, wird durch ihn notwendig der Sinn einer jeden Wortverbindung in den Bereich der Zeit hineingezwungen [...]. Wenn wir daher sagen, dass Gott früher ist als die Welt oder vor den Zeiten existiert hat, welcher Sinn vom Vorhergehen Gottes und dem Nachfolgen von diesen kann wahrhaft in diesen Worten sein [...]? Es ist daher nötig, wenn wir irgendwelche Ausdrücke auf die einzigartige Natur Gottes übertragen, dass diese eine gewisse einzigartige Bedeutung oder auch Wortverbindung an sich ziehen und durch das, was alles übersteigt, auch notwendig die eigene Einsetzung übersteigen.
Nikolaus von Kues über die Methodik negativer Theologie
Die heilige Unwissenheit hat uns gelehrt, dass Gott unaussagbar ist, und zwar weil er unendlich größer ist als alles, was sich benennen lässt [...]. Daraus erhellt, dass in theologischen Angelegenheiten Verneinungen wahr und Bejahungen unzureichend sind. Trotzdem sind die negativen Aussagen umso wahrer, je mehr sie Unvollkommenheiten vom Allervollkommensten entfernen, so wie es wahrer ist, dass Gott kein Stein ist, als dass er kein Leben oder kein Denken ist [...]. Bei den bejahenden Aussagen gilt das Umgekehrte. Denn die Aussage, die von Gott Denken und Leben bejaht, ist wahrer als die, die ihn Erde, Stein oder Körper nennt.
Anselm von Canterbury über die Aufgabe, notwendige Argumente für den Glauben zu finden
Wenn es nichts Festes gibt, scheint dies den Ungläubigen nicht als Erklärung zu dafür genügen, warum wir glauben müssen, Gott habe das, was wir sagen, erleiden wollen. [...] Also ist die vernünftige Festigkeit der Wahrheit zu zeigen, d.h. die Notwendigkeit, die beweist, dass Gott sich zu dem, was wir predigen, erniedrigen musste oder konnte.
Peter Abaelard wendet sich mit wahrscheinlichen Argumenten an seine Zuhörer
Damit sind, denke ich, genug Gründe angeführt, um die ausgezeichnete Einzigkeit der Gottheit darzulegen. Ich meine, ihnen wird auch leicht jeder Gute zustimmen, der ohne Neid auf jemand die größte Freude an der Empfehlung aller Dinge hat. Wir stützen uns aber eher auf moralisch einleuchtende als auf notwendige Gründe, weil bei den Guten immer das vorzüglich festgehalten wird, das mehr aus moralischem Einleuchten empfohlen wird, und der Vernunftgrund immer stärker ist, der eher zur moralischen Einsicht als zur Notwendigkeit neigt, zumal das, was moralisch einleuchtend ist, durch sich selbst gefällt und uns sofort mit einer bestimmten, ihm eigenen Kraft zu sich hinzieht.
Peter Abaelards wahrscheinliches Argument für Gottes Existenz
Es steht fest, dass das, das von sich selbst her ist, von Natur aus würdiger ist als das, was von einem anderen her ist. Und es besteht keine Diskussion darüber, dass alles, was zu Vernunft und Verständnis fähig ist, über alle anderen hervorragt. [...] Es steht aber fest, dass der Mensch, obwohl er vernünftig ist, keineswegs zur eigenen Leitung fähig ist, da er nicht vermag, sich selbst im Meer dieses Lebens so zu leiten, wie er will. Noch viel weniger ist es also angemessen, dass das eigener Leitung anvertraut ist, was mit Sicherheit keine Vernunft hat, mit der es sich leiten könnte. Das aber ist die Welt [...]. Und ich denke, dass durch diese oder ähnliche Vernunftgründe deutlich ist, dass alles, was in der Welt ist, einen Schöpfer oder Leiter hat. Den nennen wir Gott.
Thomas von Aquin (1225-1274) über die fünf Wege, Gott zu beweisen (der zweite Weg)
[1] Dass es Gott gibt, kann auf fünf Wegen bewiesen werden. [...]
[2] Der zweite Weg ergibt sich aus dem Konzept der Wirkursache. Denn wir finden, dass es in den sinnlich wahrnehmbaren Dingen eine Ordnung von Wirkursachen gibt. Aber wird nicht gefunden und ist auch nicht möglich, dass etwas die Wirkursache seiner selbst ist. Denn das wäre es früher als es selbst, und das ist unmöglich. [...] Wenn es nichts Erstes bei den Wirkursachen gibt, wird es auch nichts letztes und nichts Mittleres geben. Aber wenn in den Wirkursachen ins Unendliche gegangen wird, wird es keine erste Wirkursache geben. Und so wird es keine letzte Wirkung geben, mittlere Wirkursachen. Was offensichtlich falsch ist. [...].
Thomas von Aquin über den dritten Weg des Gottesbeweises
Der dritte Weg wird aus dem Möglichen und Notwendigen genommen und funktioniert folgendermaßen: Wir finden nämlich in den Dingen einige, die möglich sind, d.h. sein und nicht sein können [...]. Was nicht sein kann, ist zu manchmal nicht. [...] Was nicht ist, beginnt nicht zu sein, es sei denn durch irgendetwas, das ist. [...] Also ist es notwendig etwas anzunehmen, dass in sich notwendig ist, ohne dass es eine Ursache für die Notwendigkeit woanders her hat. [...] Das nennen alle ,Gott‘.
Nikolaus von Kues über die Einheit und Dreiheit des Denkens
Die Einheit der Vernunft ist, wie wir sehen, nichts anderes als Erkennendes, Erkennbares und Erkennen. Willst Du Dich nun vom Erkennenden zum Größten wenden und sagen, das Größte ist in vollkommenster Weise Erkennendes, und fügst Du dabei nicht hinzu, dass es auch in vollkommenster Weise Erkennbares und in vollkommenster Weise Erkennen ist, so bildest Du keinen richtigen Begriff einer größten und vollkommensten Einheit. [...] Denn Einheit ist nichts anderes als Dreiheit
Überlegungen zur Logik und Ontologie (Konzept der „Wesensrelation“ statt der Substanz) bei Peter Abaelard
Auf diese Weise lässt sich dann leicht an einzelnen Sachen aufweisen, dass die Sache an Zahl und wesenhaft eine bleibt und ihr doch mehrere spezifische Eigenschaften innewohnen, denen entsprechend Dinge von ihrer Definition her, nicht an Zahl verschieden sind, und dieselbe Sache in ihrem Sinn verschiedene Vokabeln zugewiesen bekommt. Zum Beispiel ist dieser Mensch eine Substanz, ein Körper, etwas Beseeltes und zur Sinneswahrnehmung Fähiges, das heißt „ein vernünftiges und sterbliches Lebewesen“, das heißt ein Mensch, und vielleicht weiß und lockig und unterliegt anderen Akzidentien, die er empfängt. Und obwohl in ihm an Zahl und wesenhaft die Substanz dasselbe ist wie der Körper, das Beseelte und das Übrige, ist doch das alles in seinen spezifischen Eigenschaften voneinander verschieden und dementsprechend mit verschiedenen Definitionen zu belegen. [...] Auf diese Weise lässt sich also an einzelnen Sachen bei einer bleibenden Wesenheit unzählig viel seinen spezifischen Eigenschaften nach voneinander Verschiedenes aufweisen; was ist dann erstaunlich daran, wenn bei einer bleibenden göttlichen Wesenheit verschiedene spezifische Eigenschaften in ihm bestehen, denen entsprechend drei Personen unterschieden werden können?
Fortentwicklung der Persondefinitionen im 12. Jahrhundert durch Richard von Sankt Viktor
Eine personale spezifische Eigenschaft nennen wir die, durch welche jeder Einzelne von allen anderen verschieden ist. Denn niemals nennen wir etwas anderes ,Person‘ als jemand Einzelnen, der von allen übrigen durch eine einzigartige spezifische Eigenschaft verschieden ist. Wenn Du also behauptest, eine personale spezifische Eigenschaft sei mitteilbar, ist das dasselbe, als würdest Du sagen, eine Person könnte zwei sein. [...] Hieraus ergibt sich für uns klarerweise [...], dass eine personale spezifische Eigenschaft überhaupt nicht mitteilbar ist.
Richard von Sankt Viktor
Vielleicht lachst Du, wenn Du dies hörst oder liest, aber ich will lieber, dass Du lachst, als dass Du nicht richtig verstehst, was ich sagen will, und es unbedacht verspottest.
Augustinus findet Gott vor allem in sich selbst
Und wie soll ich meinen Gott anrufen, meinen Gott und Herrn, wo ich ihn doch in mich selbst hineinrufen werde, wenn ich ihn anrufen werde? Und welcher Ort ist in mir, wohin mein Gott in mich kommen könnte? [...] Ist denn so, Herr mein Gott, etwas in mir, was Dich fassen würde? Aber Himmel und Erde, die Du geschaffen hast und in denen Du mich geschaffen hast – fassen sie Dich? Oder ist es so, dass deswegen, weil ohne Dich nichts von dem wäre, was ist, alles Dich fasst, was ist? Weil daher auch ich bin, was erstrebe ich, dass Du in mich kommst, der ich nicht wäre, wenn Du nicht in mir wärst?
Der Franziskaner Bonaventura erklärt die Unvereinbarkeit von Ewigkeit der Welt und christlicher Schöpfungslehre
Es ist unmöglich, dass etwas, das Sein hat, nachdem es Nicht-Sein hatte, ewig ist, weil dies einen Widerspruch impliziert. Aber die Welt hat Sein nach Nicht-Sein; also ist es unmöglich, dass sie ewig ist. [...] Anzunehmen, die Welt sei ewig oder ewig hervorgebracht, wenn man zugleich animmt, alle Dinge seien aus dem Nichts hervorgebracht, ist vollständig gegen Wahrheit und Vernunft [...], und zwar so sehr gegen die Vernunft, dass ich nicht glauben mag, irgendein Philosoph, wie klein sein Verstand auch sein mag, habe dies je angenommen.
Der ,Averroist‘ Siger von Brabant (ca. 1240-1284) bevorzugt Aristoteles’ Position zur Ewigkeit der Welt
Obwohl Aristoteles’ Position [...] nicht notwendig ist, ist sie doch wahrscheinlicher als die Position des Augustinus, weil wir die Neuheit oder Ewigkeit von etwas Geschaffenen durch den Willen des Ersten nicht untersuchen können, da wir die Form seines Willens nicht denken können. Daher ist es nötig, dass wir die Neuheit oder Ewigkeit dieses Geschaffenen von seiner eigenen Natur her untersuchen [...]. Aber all das, was unmittelbar vom Ersten geschaffen wurde [...], hat nicht die eigene Natur, dass es ein neu geschaffenes Sein besitzt. Denn alles, was eine Kraft hat, durch die es in der ganzen Zukunft sein kann, hatte auch eine Kraft, durch die es in der ganzen Vergangenheit sein konnte.
Der Franziskaner Johannes Duns Scotus (ca. 1265-1308) fragt nach der Ursache der Kontingenz in der Welt und begründet, dass auch der göttliche Wille ähnlich frei sein muss wie der menschliche
Vorausgesetzt also, dass es Kontingenz in den Dingen gibt, so ist zweitens
zu prüfen, wo der erste Grund für Kontingenz liegt. Hierzu stelle ich die
Behauptung auf, der erste Grund für Kontingenz liegt im göttlichen Willen
bzw. in dem Willensakt, der sich auf etwas von sich selbst Verschiedenes
richtet.
Ich beweise dies folgendermaßen: Wenn es für Gott beim Verursachen des
von sich selbst Verschiedenem eine Notwendigkeit gäbe, [1] wäre nichts im
Universum kontingent, [2] gäbe es auch keine Zweitursache im Universum;
[3] fände sich drittens nichts Schlechtes in den Dingen. Alle drei
Schlussfolgerungen sind absurd.
Das erste wird folgendermaßen bewiesen: Wenn etwas, das bewegt wird, insofern es selbst bewegt, mit Notwendigkeit bewegt wird, dann bewegt es mit Notwendigkeit. Eine Erstursache bewegt mit Notwendigkeit [...]. Folglich bewegt und verursacht jede Zweitursache mit Notwendigkeit.
Das zweite folgt ergibt sich, weil eine Erstursache ihrer Natur nach früher als eine Zweitursache bewegt und verursacht. Wenn sie also in diesem früheren Moment auf notwendige und vollkommene Weise verursacht, kann sie folglich die Wirkung nicht nicht hervorbringen. Und so bleibt nichts übrig, was im zweiten Moment eine Zweitursache verursachen könnte, außer sie würde dasselbe zum zweiten Mal verursachen, was nicht vorstellbar ist.
Peter Abaelard über die Grenzen der göttlichen Handlungsmöglichkeiten
[1] Ich denke es ist zu fragen, ob Gott mehr oder besseres tun kann, als er tut, oder ob er auch mit dem, was er tut, auf irgendeine Weise aufhören könnte, so dass er es nämlich niemals täte. [...] [2] Wenn es also a), weil es gut ist, dass etwas getan wird, nicht gut ist, dass es unterlassen wird, und wenn b) Gott nichts tun oder unterlassen kann außer dem, von dem es gut ist, dass er es tut oder unterlässt, c) dann scheint er gewiss nur das tun oder unterlassen zu können, was er tut oder unterlässt, weil es nur bei diesem allein gut ist, dass er es tut oder unterlässt. [...] [3] Oder wer würde ihn nicht, wenn er das unterlässt, von dem gut ist, dass er es tut, und sich von einigem, was zu tun wäre, zurückzieht, als feindlich und ungerecht anklagen?
Thomas von Aquin (ca. 1225-1274) über die unendliche Unbegreifbarkeit Gottes
Die Vernünftigkeit einer Ordnung, die ein Weiser Dingen auferlegt, die von selbst gemacht sind, wird vom Ziel her genommen. Wenn das Ziel also den Dingen proportional angepasst ist, die wegen des Ziels gemacht werden, dann wird die Weisheit des Machenden auf eine festgelegte Ordnung begrenzt. Aber die göttliche Güte ist ein Ziel, das die geschaffenen Dinge jenseits der Proportionalität überschreitet. Daher wird die göttliche Weisheit nicht auf eine Ordnung der Dinge hin in der Weise festgelegt, dass kein anderer Verlauf der Dinge hieraus hervorgehen könnte. Daher muss man schlechthin sagen, dass Gott anderes machen kann als das, was er macht.
Johannes Duns Scotus über Intellekt und Wille in Gott
[1] Jeder Akt des Intellekts, der in Gott einem Willensakt vorausgeht, ist rein naturhaft und formal nicht frei. Infolgedessen ist alles, was vor jedwedem Willensakt gedacht wird, rein naturhaft.[...] [2] Deshalb kommt dem göttlichen Intellekt vor dem Willensakt von solchen Termini lediglich eine neutrale Erkenntnis zu, gerade so, wie mein Intellekt neutral zu dem komplexen Sachverhalt steht, ob die Anzahl der Sterne gerade oder ungerade ist. Wenn nun der Intellekt dem Willen derartige komplexe Sachverhalte darbietet, dann kann der Wille das Zusammenstellen dieser Termini frei wählen oder nicht wählen. [...] [3] Und erst in genau dem Augenblick, da der göttliche Wille ,Petrus‘ und ,Glückseligkeit‘ verbinden will, ist dieser Satz wahr, und folglich kann Petrus vorher die Glückseligkeit nicht erlangen.
Wilhelm von Ockham (ca. 1285-1347) über die absolute Freiheit Gottes
Gott ist niemandem etwas schuldig, es sei denn, er hat es selbst so geordnet; im Hinblick auf seine absolute Macht kann er aber ohne irgendein Unrecht mit seiner Schöpfung das Gegenteil tun.
Wilhelm von Ockham (1285-1308) über weitere Implikationen der Schöpfung aus dem Nichts
Dass kein Universale eine extramentale Substanz ist, kann mit Evidenz bewiesen werden. [...] Wenn diese Meinung wahr wäre, dann könnte kein Individuum erschaffen werden, wenn bereits irgendein Individuum existieren würde. Denn es empfinge das Sein nicht vollständig aus dem Nichts, wenn das Universale, das in ihm ist, vorher bereits in einem anderen da war.
Alkuin (ca. 735-804) oder ein spätantiker Autor begründet die Würde des
Menschen
Die Würde der Stellung des Menschen ist erkennbarerweise so bedeutend,
dass [...] der Mensch nach dem Ratschluss der heiligen Trinität und durch
eine Tat der göttlichen Majestät geschaffen wurde. [...] Die Seele ist
Intellekt, die Seele ist Wille, die Seele ist Erinnerung, doch sind es nicht drei
Seelen in einem Körper, sondern eine Seele, die drei Würden hat. Und in
diesen dreien realisiert unserer innerer Mensch in seiner Natur auf
wunderbare Weise das Bild der Trinität, und aus diesen gleichsam
herausragendsten Würden der Seele sind wir gehalten, den Schöpfer zu
lieben.
Robert von Melun (ca. 1100-1167) benennt die Freiheit als typisches
Merkmal des Menschen
[1] Denn es ist nicht so, wie manche Leute glauben, dass die freie
Entscheidung als die Fähigkeit zu definieren ist, sich zum Guten und zum
Bösen zu wenden. Denn wenn diese Definition der freien Entscheidung
ausreichend wäre, dann hätten weder die gefestigten noch die verdammten
Geister freie Entscheidung, weil sich weder die gefestigten Geister zum
Bösen wenden können noch die verdammten Geister zum Guten. [...] Die
freie Entscheidung ist ein Gut der Schöpfung und eine große Würde der
rationalen Natur, ohne die sie überhaupt nicht rational sein könnte. [2] Aber wenn diese die Teile der freien Entscheidung sind, ohne welche es diese nicht geben kann, kann offensichtlich keine Definition der freien Entscheidung angegeben werden, der gemäß die freie Entscheidung in Gott vorhanden sein kann. Denn in ihm kann es keine Macht zu sündigen geben. Denn er allein tut, bar jeglichen Zwangs und ohne eine Verpflichtung durch irgendeine Rechenschaft, was er tun will, und unterlässt, was er unterlassen will, und daher besteht in ihm nicht nur eine freie Entscheidung, sondern sogar die allerfreieste.
Robert von Melun über das Problem der menschlichen Identität
[1] Seele und Fleisch sind nämlich eine Person aus der personalen
Vereinigung und nicht aus der substantiellen Identität heraus, so wie auch
ein Mensch die menschliche Seele und das menschliche Fleisch ist, weil sich
aus ihrer Vereinigung miteinander der Grund ergibt, warum etwas ein
Mensch ist und so genannt werden kann.
[2] Es ist aber ein Mensch, der sagt, er diene dem Gesetz Gottes und im
Fleisch dem Gesetz der Sünde (Röm 7) [...]. Denn der innere und äußere
Mensch ist ein Mensch, weil in der Einheit der Person das zusammenkommt,
was ein Mensch ist, über den Verschiedenes ausgesagt wird wegen der
verschiedenen Substanzen, die in der Identität der Person in diesem
Menschen verbunden sind. [...]
[3] Denn nicht auf falsche Weise wird gesagt, Petrus sei in Rom und im
Himmel, sondern wir bitten ihn, der im Himmel existiert, für uns zu beten,
wenn wir sagen „Heiliger Petrus, bitte für uns“, und wir verehren ihn, der in
Rom liegt, mit der schuldigen Frömmigkeit und sagen, dass der, der im
Himmel verherrlicht ist, kein anderer ist als der, der in Rom begraben ruht.
Siger von Brabant (ca. 1240-1284) vertritt die averroistische These, dass alle Menschen nur einen Intellekt haben
Beachte aber am Beginn der Antwort, dass es dann, wenn der Intellekt
durch seine Substanz die Vollendung des Körpers wäre, gar keine Frage
wäre, ob die Intellekte sich entsprechend der Menge der verschiedenen
Menschen vermehren. Vielmehr ist klar, dass es so ist. Wenn Du also sagst,
dass der Intellekt sich wegen der Materien vermehrt, denen er sich anpasst,
dann soll gefragt werden, was die Ursache der Anpassung ist. Anscheinend
kann es keine andere Erklärung geben als anzunehmen, dass der Intellekt
eine Kraft im Körper ist. [...] Und deswegen argumentiert Averroes, [...] dass
der Intellekt einer ist, nicht vermehrt gemäß der Vielzahl der individuellen
Menschen, weil er so eine Kraft im Körper der verschiedenen Menschen
wäre.
Thomas von Aquin argumentiert gegen die These von
der Einheit des Intellekts
[1] Wir beabsichtigen aber zu zeigen, dass die genannte Position nicht
weniger gegen die Prinzipien der Philosophie ist als gegen die Zeugnisse des
Glaubens. [...]
[2] Denn es ist klar, dass dieser einzelne Mensch denkt: Wir würden nämlich
niemals über den Intellekt fragen, wenn wir nicht denken würden. Noch
stellen wir, wenn wir über den Intellekt fragen, Fragen zu einem anderen
Prinzip als dem, womit wir denken. [...]
[3] Wenn also der Intellekt nichts ist, was zu dem einzelnen Menschen
gehört, so dass er mit diesem wahrhaft eines ist, [...] wird es in diesem
Menschen keinen Willen geben, sondern in einem separaten Intellekt. Und
so wird dieser Mensch nicht Herr seines Handelns sein, und kein Akt von
ihm wird lobenswert oder tadelnswert sein – und das heißt, die Prinzipien
der Moralphilosophie einzureißen.
Ein anonymer Averroist bestreitet ca. 1270 Thomas’ Grundannahmen
Diese aber nehmen an, dass der Mensch eigentümlich denkt, beweisen dies
aber nicht. Von dieser Voraussetzung her argumentieren sie. Aber wenn
dieses Vorausgesetzte nicht wahr ist, argumentieren sie nicht. Dass der
Mensch daher, eigentümlich gesprochen, denkt, gestehe ich nicht zu. Wenn
dies jedoch zugestanden ist, dann weiß ich nicht zu antworten. Aber dies
bestreite ich, und zu Recht.
Giovanni Pico della Mirandola entwirft, auf Grundlagen aus Spätantike
und Mittelalter, ein Menschenbild aus der Perspektive der Renaissance
[1] Ehrwürdige Väter! In den Schriften der Araber habe ich gelesen, der Sarrazene Abdallah habe auf die Frage, was auf dieser „Bühne der Welt“ am meisten zu bewundern sei, geantwortet, dass nichts bewundernswerter erscheine als der Mensch. Zu dieser Aussage stimmt das Wort des Hermes Trismegistos: "Ein großes Wunder, o Asklepios, ist der Mensch." […] [2] Warum sollen wir nicht die Engel selbst und die seligsten Chöre des Himmels mehr bewundern? Endlich habe ich den Eindruck, verstanden zu haben, warum der Mensch das allerglücklichste, ja jeder Bewunderung würdiges Lebewesen ist, und was schließlich der Zustand sei, den er in der Reihung des Alls erhalten hat, der nicht nur den Tieren, sondern den Sternen, sondern den überweltlichen Verständen Neid erregt.
Giovanni Pico della Mirandola beschreibt den Menschen als Bildhauer
seiner selbst
[1] So beschloss der beste Werkmeister, dass der, dem er nichts Eigenes mehr
geben konnte, an allem zugleich teilhätte, was den Einzelnen sonst je für
sich zugeteilt war.
[2] Also [...] sprach er zu ihm: "Keinen festen Ort haben wir
Dir zugewiesen und kein eigenes Aussehen, wir haben Dir keine spezielle
Gabe verliehen, damit Du, o Adam, den Ort, das Aussehen, die Gaben, die
Du Dir wünschst, nach eigenem Ermessen erhalten und besitzen sollst.
[3] Die bestimmte Natur der übrigen Wesen wird von Gesetzen eingegrenzt, die wir
vorgeschrieben haben. Du sollst Deine Natur, von keinen Beschränkungen
eingegrenzt, nach Deiner Entscheidung, in deren Hand ich Dich gegeben
habe, Dir selbst vorschreiben [...], damit Du Dich, gleichsam als
entscheidender und ehrenvoller Bildhauer und Gestalter Deiner selbst, in der
Weise bildest, die Du lieber willst."
Peter Abaelard diskutiert in seinem Dialog das Verhältnis von Ethik und Theologie
a) Christ: Nun brechen wir schließlich, wie ich es auffasse, zum Ziel und zur
Vollendung aller Disziplinen auf, die ihr gewöhnlich Ethik, d.h. Morallehre,
wir Theologie nennen. Dabei nennen wir sie nämlich nach dem so, zu dessen
Erreichen gestrebt wird, d.h. nach Gott, ihr aber nach dem, wodurch dorthin
gelangt wird, d.h. nach den guten Sitten, die ihr Tugenden nennt.
Philosoph: Ich stimme dem zu, was auf der Hand liegt, und billige die neue
Benennung durch euren Namen durchaus. Weil ihr nämlich das, zu dem hin
gelangt wird, für würdiger haltet als das, wodurch der Fortschritt entsteht,
und weil angelangt sein glücklicher ist als fortschreiten, ist diese Benennung
durch euren Namen ehrenvoller und zieht den Leser vom Ursprung der
eigenen Herleitung her ganz besonders an. Wenn sie in der Lehre so
herausragt wie im Worte, dann ist ihr, denke ich, keine Disziplin zu
vergleichen.
b) Jetzt wollen wir also, wenn es recht ist, dass Du festsetzt, worin die Summe
der wahren Ethik besteht und was wir aus dieser Disziplin betrachten sollen
und wodurch, wenn es denn erlangt ist, ihre Intention vollendet sein wird.
Christ: Wie ich meine, lässt sich die Summe dieser Disziplin darin
zusammenfassen, dass sie erklärt, was das höchste Gut ist und auf welchem
Weg wir dorthin gelangen können.
Peter Abaelard erläutert die philosophische und die christliche Definition des Glücklichseins
a) Philosoph: Diese Glückseligkeit nennt Epikur, wie ich meine, Lust, euer
Christus aber ,Königreich der Himmel‘. Was macht es, mit welchem Namen
sie benannt wird, solange nur die Sache dieselbe bleibt und bei den
Philosophen und den Christen weder die Glückseligkeit verschieden ist noch
eine andere Intention des gerechten Lebens vorgegeben wird? Denn so wie
ihr, so beabsichtigen auch wir, hier gerecht zu leben, damit wir dort
verherrlicht werden, und kämpfen hier gegen Laster, um dort wegen der
Verdienste der Tugenden gekrönt zu werden, wenn wir nämlich dieses
höchste Gut als Lohn empfangen.
b) Christ: Aber so weit ich sehe, sind hierin sowohl unsere und eure Intention
als auch die Verdienste verschieden, und sogar über das höchste Gut haben
wir nicht geringfügig unterschiedliche Ansichten.
Philosoph: Das, bitteschön, erkläre mir, wenn Du kannst.
c) Christ: Niemand nennt zu Recht etwas ,höchstes Gut‘, im Vergleich zu dem
etwas Größeres gefunden wird. [...] Aber jede menschliche Glückseligkeit
oder Herrlichkeit übersteigt die göttliche klarerweise bei weitem und
unaussagbar; also darf keine außer ihr zu Recht ,höchste‘ genannt werden,
und außer ihm wird nichts zu Recht ,höchstes Gut‘ genannt.
Philosoph: An dieser Stelle geht es uns nicht um das höchste Gut an sich,
sondern um das höchste Gut für den Menschen.
Christ: Aber auch ,höchstes Gut für den Menschen‘ nennen wir nichts zu
Recht, im Vergleich zu dem ein größeres Gut für den Menschen gefunden
wird.
Thomas von Aquin über die Mannigfaltigkeit möglicher Ziele des Menschen und die Notwendigkeit des Strebens zum letzten Ziel
[1] Vom letzten Ziel können wir auf zweierlei Weise sprechen: Auf die
eine Weise gemäß dem Gehalt des letzten Ziels, auf die andere Weise gemäß
dem, worin der Gehalt des letzten Ziels gefunden wird.
[2] Im Hinblick auf den Gehalt des letzten Ziels stimmen nun alle im
Streben auf das letzte Ziel hin überein, weil alle danach streben, dass ihre
Vervollkommnung erfüllt wird [...].
[3] Aber im Hinblick auf das, worin dieser Gehalt gefunden wird, stimmen
nicht alle Menschen im letzten Ziel überein. Denn manche Menschen
erstreben Reichtum als vollendetes Gut [...]. Die, die sündigen, wenden sich
von dem ab, worin wahrhaft der Gehalt des letzten Ziels gefunden wird, aber
nicht von der Intention auf das Ziel hin, die sie zu Unrecht in anderen
Dingen suchen.
Johannes Duns Scotus über die Freiheit des Willens
[1] Der Wille ist in Bezug auf jeden beliebigen Akt frei und wird von
keinem Objekt genötigt. Trotzdem kann der Wille die Glückseligkeit weder
nicht wollen noch hassen noch auch das Elend wollen. [...] Aber hieraus
folgt nicht, dass er die Glückseligkeit notwendig will. [...]
[2] Welchen Akt wird er also in Bezug auf die Glückseligkeit haben, wenn
sie ihm vom Intellekt dargeboten wird? Ich sage, dass er meistens einen
Willensakt, aber nicht notwendigerweise überhaupt irgendeinen Akt,
sondern er kann sich angesichts der Darbietung von Glückseligkeit von
jedem Akt zurückhalten. [...]
[3] Daher kann der Wille jedes beliebige Objekt wollen und nicht wollen
und kann sich von jedem beliebigen Einzelakt zurückhalten. Und das kann
ein jeder in sich selbst erfahren: Wenn ihm jemand irgendein Gut anbietet
[...], kann er sich hiervon abwenden und keinen Willensakt hierzu
hervorbringen.
Augustinus konstruiert autobiographisch einen Fall, in dem er etwas Böses nur um des Bösen selbst willen getan hat
[1] Gewiss, o Herr, bestraft dein Gesetz den Diebstahl, und das Gesetz, das in die Herzen der Menschen geschrieben ist, welches nicht einmal die Ungerechtigkeit selbst zerstört. [...]
[2] Und ich wollte einen Diebstahl begehen, und ich beging ihn, von keiner Not gezwungen, es sei denn von Armut und Überdruss an Gerechtigkeit und durch die Mästung mit Ungerechtigkeit. Denn ich habe etwas gestohlen, was ich im Übermaß hatte und auch viel besser, und ich wollte auch nicht das genießen, was ich durch den Diebstahl erstrebte, sondern den Diebstahl selbst und die Sünde.
[3] In der Nachbarschaft unseres Weinbergs stand ein Birnbaum, beladen mit Früchten, die weder durch Form noch durch Geruch anlockten. Um ihn leerzuschütteln und abzuernten, brachen wir verruchten jungen Kerle in einer windlosen Nacht auf [...] und trugen von dort gewaltige Lasten fort, nicht als unsere eigene Speise, sondern eher, um sie den Schweinen vorzuwerfen. Selbst wenn wir etwas davon aßen, so geschah von uns doch nur etwas, das deswegen gefiel, weil es sich nicht gehörte. [...]
[4] Schau mein Herz an: Was suchte es dort, so dass ich freiwillig schlecht war und es keinen Grund für meine Schlechtigkeit gab als eben Schlechtigkeit?
Augustinus erklärt den Grund dafür, warum die Engel um Luzifer von Gott abgefallen sind
[1] Gewiss "ist der Anfang jeder Sünde der Stolz" (Jesus Sirach/Ecclesiasticus 10, 13). Die gefallenen Engel wollten also ihre Tapferkeit nicht für Gott bewahren, und die, die noch mehr wären, wenn sie dem angehangen hätten, der am höchsten ist, sie zogen das vor, was weniger ist, indem sie sich selbst ihm vorzogen. [...]
[2] Wenn für diesen schlechten Willen nun überhaupt eine Ursache gesucht wird, dann wird nichts gefunden. [...] Denn wenn es irgendein Ding ist, dann hat dies entweder einen Willen oder es hat keinen; wenn es einen hat, dann entweder einen guten oder einen schlechten [...]. Da soll ein guter Wille zur Ursache der Sünde werden – etwas Absurderes lässt sich nicht vorstellen. Wenn aber das Ding, von dem man annimmt, es bewirke den bösen Willen, auch selbst einen bösen Willen hat, [...] dann untersuche ich die Ursache für diesen bösen Willen. [...] Aber dieser erste ist einer, den keiner bewirkt hat.
Thomas von Aquins Definition des Willens als rationales Streben
Der Wille ist ein bestimmtes rationales Streben; jedes Streben aber richtet
sich auf nichts anderes als auf ein Gut. [...] Das intellektive oder rationale
Streben, das ,Wille‘ genannt wird, folgt einer aufgefassten Form. [...] Also
ist dafür, dass der Wille sich auf etwas richtet, nicht erforderlich, dass dies
ein Gut in der Wahrheit der Dinge sei, sondern dass es unter dem Gehalt
,gut‘ aufgefasst wird. [...] Der Wille verhält sich also sowohl zum Guten als
auch zum Schlechten, aber zum Guten, indem es dieses anstrebt, zum
Schlechten, indem er dieses meidet.
Wilhelm von Ockham (ca. 1285-1347) legt die Freiheit ganz in die Wahl
[1] Die innere Tätigkeit ist zweifach: eine die unmittelbar in der Macht des Willens steht, so wie ein Willensakt; eine, die nur vermittelt des ersten Akts in der Macht des Willens steht, und daher bei Zerstörung des ersten Akts nicht in der Macht der Seele steht, so wie ein Denkakt. [...]
[2] Im Hinblick auf den ersten Akt [...] kann der Wille aus seiner Freiheit heraus ohne jede aktuale oder habituale Bestimmung den Akt oder sein Gegenteil hervorbringen oder nicht hervorbringen. Und daher ist es in Bezug auf diesen Akt in keiner Weise möglich, dass der Wille von etwas anderem bestimmt wird als von ihm selbst.
[3] Aber im Hinblick auf den zweiten Akt [...] sage ich, dass die Seele dazu, dass sie eher eines als ein anderes denkt, selbst durch einen Akt bestimmt werden muss, der unmittelbar in ihrer Macht steht, d.h. durch einen Willensakt, das eine und nicht das andere zu denken.
Anselm von Canterburys ontologischer Gottesbeweis
"Der Tor sprach in seinem Herzen: Es gibt Gott nicht" (Psalm 13, 1). [...] Auch der Tor ist davon überzeugt, dass es im Denken etwas gibt, im Vergleich zu dem nichts Größeres erdacht werden kann. Denn, wenn er dies hört, denkt er es, und was er denkt, ist im Denken. Nun kann das, im Vergleich zu dem nichts Größeres erdacht werden kann, nicht nur im Denken existieren. Denn wenn es nur im Denken ist, dann kann erdacht werden, es sei zusätzlich in der Wirklichkeit, was größer ist. Wenn also das, im Vergleich zudem nichts Größeres erdacht werden kann, nur im Denken existiert, so ist das "im Vergleich zu dem nichts Größeres erdacht werden kann", etwas, im Vergleich wozu sehr wohl etwas Größeres erdacht werden kann. Aber das kann gewiss nicht sein. Also existiert ohne Zweifel etwas, im Vergleich zu dem nichts Größeres gedacht werden kann, sowohl im Denken als auch in der Wirklichkeit.
Ibn Sīnā (Avicenna; 980-1037) erklärt den Unterschied von Existenz und Essenz
[1] ,Existent‘ (mawğūd), ,positiv bestehend‘ und ,wirklich seiend‘ sind synonyme Begriffe, die eine Bedeutung haben – und unzweifelhaft ist ihre Bedeutung in der Seele desjenigen präsent, der dieses Buch liest. ,Ding‘ (šayyʾ) und das, was gleichbedeutend ist, hat gewiss in allen Sprachen eine andere Bedeutung; denn jedes Ding hat eine Wesenheit (ḥaqīqa), durch die es das ist, was es ist (so hat das Dreieck die Wesenheit, ein Dreieck zu sein, und „weiß“ die Wesenheit, weiß zu sein), und diese nennen wir manchmal die „spezifische Existenz“, ohne dass dadurch die Bedeutung „positiv bestehende Existenz“ bezeichnet würde. [...] Es ist klar, dass jedes ,Ding‘ eine spezifische Wesenheit besitzt, nämlich seine Washeit (māhīya). Es ist zugleich bekannt, dass die für jedes ,Ding‘ spezifische Wesenheit verschieden ist von der Existenz, die synonym ist mit positivem Bestehen.
[2] Der Grund dafür ist folgender: Wenn Du sagst, "die Wesenheit von diesem oder jenem existiert entweder in den Einzeldingen oder in den Seelen oder absolut genommen, indem letzteres die ersten beiden umschließt", dann kommt dem eine bestimmte verständliche Bedeutung zu. Wenn Du aber sagen würdest "die Wesenheit von diesem oder jenem ist die Wesenheit von diesem oder jenem", oder: "Die Wesenheit von diesem oder jenem ist eine Wesenheit", so ist dies eine Tautologie, die keine neue Kenntnis verleiht.
Ibn Sīnā unterscheidet zwischen möglichem und notwendigem Sein
[1] Es ist für uns gewiss ebenfalls zu schwer, den Inhalt von ,notwendig‘, ,möglich‘ und ,unmöglich‘ durch eine die Wesenheit angebende Definition (taʿrīf muḥaqqiq) zu bestimmen, sondern das geht nur mittels eines Hinweises. Alles, was über die Definition von ihnen in dem gesagt wurde, was dich von den antiken Philosophen erreichte, endet quasi notwendigerweise in einem Zirkel. [...] Wenn sie ,möglich‘ definieren wollten, zogen sie entweder ,notwendig‘ oder ,unmöglich‘ zu seiner Definition heran [...], und wenn sie ,notwendig‘ definieren wollten, zogen sie zu seiner Definition entweder ,möglich‘ oder ,unmöglich‘ heran. [...]
[2] Aber das erste dieser drei, insofern davon zuerst ein Begriff gebildet wird, ist ,notwendig‘ (wāǧib). Das liegt daran, dass ,notwendig‘ die Festigkeit der Existenz bezeichnet, und die Existenz ist bekannter als die Nicht-Existenz, weil die Existenz in sich selbst erkannt wird, während die Nicht-Existenz irgendwie durch die Existenz erkannt wird.
Thomas von Aquin über verschiedene Typen von Substanzen
Es findet sich bei Substanzen eine dreifache Weise, Sosein zu besitzen.
[1] Zunächst gibt es etwas, wie Gott, dessen Sosein sein Sein selbst ist, und so findet sich bei einigen Philosophen die Aussage, Gott habe keine Washeit oder kein Sosein, da sein Sosein nichts anderes ist als sein Sein. [...]
[2] Auf die zweite Weise findet sich Sosein bei den geschaffenen Geistsubstanzen, bei denen das Sein etwas anderes ist als ihr Sosein, wenngleich das Sosein ohne Materie ist. Daher ist ihr Sein nicht absolut, sondern empfangen und also auf die Aufnahmefähigkeit der aufnehmenden Natur begrenzt und beschränkt. Jedoch ist ihre Natur oder Washeit absolut, da sie nicht in irgendeine Materie aufgenommen ist. [...]
[3] Auf eine dritte findet sich Sosein bei den aus Stoff und Form zusammengesetzten Substanzen; bei ihnen ist einerseits das Sein empfangen und begrenzt, weil sie das Sein von einem anderen haben, und andererseits ist ihre Natur oder Washeit im gezeichneten Stoff aufgenommen.
Thomas von Aquin über die Bedeutung der Universalie ,Menschheit
Das Sosein des Menschen bezeichnen das Wort ,Mensch‘ und das Wort ,Menschheit‘, doch in je verschiedener Weise [...]. Das Wort ,Mensch‘ es als Ganzes, sofern es ja die Abzeichnung des Stoffes nicht ausschließt [...]. Und daher wird das Wort ,Mensch‘ von den Individuen ausgesagt. Dagegen enthält das Wort ,Menschheit‘ [...] in seiner Bedeutung nichts als das, was dem Menschen zugehört, sofern er Mensch ist [...]. Daher wird es von den menschlichen Individuen nicht ausgesagt.
Thomas von Aquin erklärt die analogia entis, d.h. warum das Wort „sein“ „analog“ gebraucht wird
[1] Einiges wird von Gott und den Kreaturen analog, und nicht rein äquivok und auch nicht rein univok ausgesagt. Denn wir können Gott nur aus den Geschöpfen heraus benennen. [...]
[2] Alles, was von Gott und den Geschöpfen ausgesagt wird, wird vor dem Hintergrund ausgesagt, dass eine bestimmte Ordnung des Geschöpfs zu Gott hin besteht, gleichwie zum Ursprung und zur Ursache, in der alle Vollkommenheiten der Dinge auf herausragende Weise vorweg existieren.
[3] Und diese Art der Verbundenheit steht in der Mitte zwischen reiner Äquivokation und einfacher Univokation. [...] Ein Begriff, der so auf verschiedene Weise ausgesagt wird, bezeichnet verschiedene Verhältnisse zu einem bestimmten Einen.
Johannes Duns Scotus begründet die univocatio entis
[1] Gott wird nicht nur in einem ihm und dem Geschöpf gemeinsamen analogen, sondern in einem für ihn und das Geschöpf univoken Begriff erfasst. Wenn daher ,seiend‘, ,gut‘ und ,Weisheit‘ von Gott und dem Geschöpf ausgesagt wird, werden sie univok über sie ausgesagt, und sie benennen nicht zwei Begriffe.
[2] Das wird zuerst so gezeigt: Jeder Intellekt, der sich über einen Begriff sicher ist und sich im Unklaren über zwei Begriffe ist, hat einen Begriff, über den er sicher ist, der sich von den beiden unterscheidet, über die er sich im Unklaren ist; denn sonst wäre er sich über denselben Begriff sicher und im Unklaren. Nun hat aber jeder Intellekt des Pilgers einen sicheren Begriff vom Seienden und vom Guten, während er beiläufig darüber zweifelt, was ,gut‘ in Bezug auf Gott und ,gut‘ in Bezug das Geschöpf sowie ,seiend‘ in Bezug auf Gott und ,seiend‘ in Bezug auf das Geschöpf bedeutet.
Johannes Duns Scotus erklärt die sogenannten „Transzendentalien“ (passiones entis bzw., seltener, transcendentia)
Es gibt einige Eigentümlichkeiten [...], die mit dem Seienden konvertibel sind (wie ,wahr‘, ,gut‘ und dergleichen), und einige Eigentümlichkeiten, die unter einer Disjunktion aufgefasst werden [...] (wie ,notwendig oder möglich‘, ,Akt oder Potenz‘ und dergleichen). Wie also die mit dem Seienden konvertiblen Eigentümlichkeiten dem Seienden zugehörig sind, bevor es in die zehn Kategorien eingeteilt wird, so kommen auch die disjunktiven Eigentümlichkeiten dem Seienden gemäß dessen Indifferenz zu, die es in sich in Bezug auf ,endlich‘ und ,unendlich‘ hat
Der Beweis der ersten Ursache nach Johannes Duns Scotus
Es gibt ein Wirkfähiges, welches schlechthin das Erste ist, das heißt weder bewirkbar non in Kraft eines anderen wirkfähig. [...] Entweder schreitet man in der Reihe der Wirkfähigen ins Unendliche fort [...], oder man bleibt bei einem stehen, das kein früheres mehr hat. Eine Unendlichkeit im Aufstieg ist unmöglich; also ist eine Erstheit notwendig.
Wilhelm von Conches (ca. 1080-1155) über die Definition der Natur
[1] Jedes Werk stammt entweder vom Schöpfer oder von der Natur oder von einem Künstler.
[2] Das Werk des Schöpfers ist die Schöpfung der Elemente und Seelen aus dem Nichts, die Auferweckung der Toten, die Jungfrauengeburt und ähnliches. [...]
[3] Wie Cicero sagt, "ist es schwierig, die Natur zu definieren" [De inventione I 34], aber trotzdem ist die Natur, so wie dieser Begriff hier verstanden wird, eine gewisse Kraft, die Dingen innewohnt und an Ähnlichem Ähnliches bewirkt. Es ist also das Werk der Natur, dass Menschen von Menschen geboren werden und Esel von Eseln usw.
[4] Das Werk eines Künstlers aber ist das, was von einem Menschen gegen die natürlichen Mängel zusammengestellt wird, so wie Kleidung gegen die Kälte oder ein Haus gegen die Unausgewogenheit des Wetters.
Thierry v. Chartres (fl. 1130) über die vier Ursachen der Weltentstehung
AM ANFANG SCHUF GOTT HIMMEL UND ERDE usw. (Genesis/1 Mose 1, 1). [1] Die Ursachen, aus denen die Welt ihre Existenz hat, und die Anordnung der Zeiten, in denen dieselbe Welt begründet und geschmückt wurde, zeigt [Mose] auf vernünftige Weise. [...] [2] Es gibt also vier Ursachen für die Weltsubstanz: die bewirkende, nämlich Gott, die formale, nämlich die Weisheit Gottes, die finale, nämlich sein Wohlwollen, und die materiale, die vier Elemente [Feuer, Wasser, Erde, Luft]. Denn es ist notwendig, dass die Dinge der Welt einen Schöpfer haben, weil sie veränderlich und vergänglich sind. Weil sie aber vernünftig und auf wunderschöne Weise angeordnet sind, ist es notwendig, dass sie gemäß der Weisheit geschaffen sind. [3] Weil aber der Schöpfer selbst gemäß einem wahren Vernunftargument nichts nötig hat [...], muss man annehmen, dass er das, was er schafft, ausschließlich aus Wohlwollen und Liebe schafft, damit er etwas hat, dem er seine Seligkeit auf die Weise der Liebe mitteilen kann. Weil aber jede Ordnung auf etwas Ungeordnetes angewandt wird, war es erforderlich, dass zunächst etwas Ungeordnetes voranging.
Thierry von Chartres über die vier Ursachen in der Natur
[1] GOTT RUHTE AM SIEBTEN TAG (Genesis/1 Mose 2,2), das heißt er übte keine neue Weise der Schöpfung aus. [...] Wir behaupten, dass er alles, was er später schuf oder noch schafft, aus den Ursprungsursachen herstellte, die er im Zeitraum dieser sechs Tage den Elementen eingegeben hatte. [...] [2] Das Feuer ist gleichsam der Künstler und die Wirkursache, die zugrundeliegende Erde aber gleichsam die Materialursache. Aber die zwei Elemente, die in der Mitte sind, sind gleichsam ein Werkzeug und etwas Ausgleichendes [...] Denn sie mildern durch ihr Dazwischentreten sowohl die allzu große Leichtigkeit des Feuers als auch die unmäßige Schwere der Erde und verbinden sie. Diese Kräfte und weitere, die ich Ursprungsursachen nennen, gab Gott der Schöpfer von allem den Elementen ein und passte sie entsprechend an, damit aus diesen Kräften der Elemente die Ordnung und Mischung der Zeiten hervorgeht und die körperlichen Geschöpfe durch diese Kräfte zu den passenden Zeiten, die aufeinander folgen, hervorgebracht werden.
Thierry von Chartres über die Einheit und Gleichheit (in) der Welt
Die ganze Schöpfung unterliegt der Veränderlichkeit. Und alles, was ist, ist entweder ewig oder Schöpfung. Wenn also die Einheit der ganzen Schöpfung vorangeht, muss sie notwendigerweise ewig sein. Aber ewig ist nichts anderes als die Gottheit. Die Einheit ist also die Gottheit selbst. [...] So wird deutlich, dass Gott als ganzer und wesentlich wahrhaft überall ist. [...] Es gibt also nur eine Substanz der Einheit und eine einzige Seinsheit, nämlich die Gottheit und die höchste Güte. [...] Die Einheiten, aus denen die Zahlen bestehen, sind nichts anderes als die Teilnahmen an der wahren Einheit, welche die Existenzen der Geschöpfe bilden. Denn so lange ein Ding an der Einheit teilhat, bleibt es erhalten. [...] Das Zeugende und das Gezeugte haben also eine und dieselbe Substanz, weil sie beide die wahre Einheit sind. Denn die Einheit kann an sich nichts anderes zeugen als eine Gleichheit zur selben Einheit. [...] So wie aber ein jedes Ding seine Existenz von der Einheit hat, so geht aus der Gleichheit dieser Einheit die Form, die Art und Weise und das Maß jedes Dinges hervor. [...] Und so wie die Einheit aus sich heraus alle Zahlen hervorgehen lässt, so bringt die Gleichheit der Einheit selbst alle Proportionen und Ungleichheiten aller Dinge aus sich hervor.
Wilhelm von Conches konturiert den Atomismus der Epikureer neu
Mit der Behauptung, dass die Welt aus Atomen bestehe, haben die Epikureer die Wahrheit gesagt. Aber dass sie sagten, diese Atome seien ohne Anfang gewesen und dauernd geteilt durch eine große Leere geflogen und schließlich in vier große Körper gezwungen worden, ist ein Märchen: Denn ohne Anfang und Ort kann nichts außer Gott sein. Wir sagen also, dass Gott diese Teilchen zugleich ungeteilt erschaffen hat, sondern so, dass sie eines bilden. [...] Denn der, der "sagte, und es entstand", konnte die Teile und das Ganze zugleich schaffen.
Albertus Magnus‘ aristotelische Definition der Natur
Weil das Natürliche sich vom Künstlichen und Gewaltsamen dadurch unterscheidet, dass das Prinzip für ihre Bewegung in ihm ist, und vom Beseelten dadurch, dass die Natur das nächste Prinzip für die Bewegung ist, und weil es sich vom Akzidentellen dadurch unterscheidet, dass die Natur ein Bewegungsprinzip an sich und kein akzidentelles ist, [...] möchten wir sagen: "Die Natur ist für etwas, in dem sie primär an sich und nicht akzidentell ist, das Prinzip und die Ursache der Bewegung und Ruhe."
Albertus Magnus über das Verhältnis von Natur, Seele und Bewegung
[1] Weil aber jede Bewegung von einem Gegenteil in ein Gegenteil erfolgt und weil etwas, das sich von einem Gegenteil in ein Gegenteil bewegt, notwendigerweise irgendwann ruht, daher kann die Natur nicht die Ursache für eine unendliche Bewegung sein. [...] Deswegen ist die Natur die Ursache und das Prinzip für das Bewegen und Ruhen. [...]
[2] Nun bewegt auch die Seele, aber nicht als nächste [Ursache]. Denn wenngleich die Pflanzenseele auf [nur] eine Weise und gleichsam notwendig bewegt, so bewegt sie doch nicht als nächste [Ursache], sondern vermittelt durch erste Qualitäten.
[3] Die Natur aber ist das erste [...] Bewegende, das heißt das Nächste von Seiten des Bewegbaren, obwohl sie nicht immer das erste in der Weise ist, dass es vor ihr kein anderes Bewegendes gäbe. Denn das Bewegende, vor dem es kein anderes gibt, ist nicht die Natur [...], sondern eine Intelligenz höherer und erster Ordnung oder die erste Ursache.
Albertus Magnus über den Unterschied von Seele und Natur
Die Philosophen, die über die Natur der Seele disputieren, sehen den Unterschied zwischen der Seele und der Natur darin, dass die Natur an sich nur auf eines hin ausgerichtet ist, indes die Seele an sich Mehreres zu wirken und auch Gegensätzliches sowie Widersprüchliches zu wählen fähig ist.
Thomas von Aquin über freies Wählen
Einige [Substanzen] handeln ohne ein Urteil, so wie der Stein sich nach unten bewegt, und ebenso alles, was keine Erkenntnis besitzt. Einige handeln aufgrund eines Urteils, aber nicht aufgrund eines freien [Urteils], sowie die Tiere. Denn das Schaf urteilt, wenn es einen Wolf sieht, dass es vor ihm fliehen muss, mit einem natürlichen Urteil und nicht mit einem freien, weil es nicht aus einem Vergleich heraus, sondern aus einem natürlichen Instinkt heraus so urteilt. Aber der Mensch handelt mit aufgrund eines Urteils [...] aus einem bestimmten Vergleich der Vernunft heraus: daher handelt er aufgrund eines freien Urteils und kann sich auf Unterschiedliches richten. Denn die Vernunft hat im Bereich des Kontingenten die Kraft zu Gegensätzlichem.
Johannes Duns Scotus erklärt den Unterschied von Natur und Freiheit als nicht hintergehbar
Die grundlegendste Unterscheidung zwischen aktiven Vermögen betrifft verschiedene Weisen, wie sie ihre Tätigkeit ausüben. [...] Entweder ist ein Vermögen aus sich heraus auf ein Handeln festgelegt, so dass es, hinsichtlich des ,aus sich heraus‘, nicht nicht handeln kann [...]. Oder es ist nicht aus sich heraus festgelegt, sondern es kann einen bestimmten Akt hervorbringen oder den entgegengesetzten, ebenso auch entweder handeln oder nicht handeln. Das erste Vermögen wird allgemein ,Natur‘ genannt, das zweite wird ,Wille‘ genannt. [...] Wenn [...] eine Ursache für diesen Unterschied gesucht wird, [...], kann gesagt werden, dass es hierfür keine Ursache gibt. Man kann keine Ursache dafür angeben warum [eine Ursache] ihre Tätigkeit auf diese Weise ausübt, außer dass sie eine Ursache von dieser Art ist.
Duns Scotus über den Intellekt als natürliches Vermögen
Der Intellekt fällt in den Bereich der Natur. Er ist nämlich von sich aus determiniert zu denken, und er verfügt nicht darüber, zu denken oder nicht zu denken. [...] Wenn auch [...] eine bestimmte Erkenntnis mit gegenteiligen Erkenntnisgegenständen zu tun haben kann, so ist der Intellekt dennoch nicht in Bezug auf diese Erkenntnis von sich aus unbestimmt. Vielmehr übt er diesen Erkenntnisakt ebenso notwendigerweise aus wie jeden anderen, der sich nur auf einen Erkenntnisgegenstand bezöge.